Verlust der Regierungsbeteiligung, Umfragewerte unter fünf Prozent – die Stimmung bei der FDP könnte besser sein, nun wird die Partei erneut von ihrem Koalitionsbruch eingeholt. Überraschend veröffentlichte die Partei am Donnerstagabend – offenbar unter Druck mehrerer bevorstehender Medienveröffentlichungen – selbst ihr in Berlin kursierendes D-Day-Papier, in dem sie detailliert einen Ausstieg aus der Ampel-Koalition durchgespielt hat. Das achtseitige Dokument – eine Powerpoint-Präsentation – ist überschrieben mit „D-Day Ablaufszenarien und Maßnahmen“. Hier können Sie das Originaldokument auf der Website der FDP ansehen.
Darin ist zum Beispiel davon die Rede, dass der „ideale Zeitpunkt“ und ein „avisierter Ausstieg“ aus der Koalition zur Mitte der 45. Kalenderwoche zwischen dem 4. und 10. November liegen könnten. Dazwischen, am 6. November, kam es mit der Entlassung von FDP-Chef Christian Lindner als Finanzminister durch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) tatsächlich zum Bruch der Koalition. In dem Papier wird abgewogen: Der Ausstieg zu diesem Zeitpunkt berge Risiken wegen der gleichzeitig stattfindenden US-Präsidentschaftswahl. Um sich von dem Ereignis „etwas zu entkoppeln“, könne ein Ausstieg zu Beginn der 45. Kalenderwoche am 4. November erfolgen.
Festgehalten wird auch ein „Kernnarrativ“ – also eine Hauptbotschaft, mit der der Ausstieg verknüpft werden könnte. Fundamentale Gegensätze in der Wirtschaftspolitik zwischen Rot-Grün und der FDP seien nicht durch Kompromisse zu überbrücken. Die Bundesregierung sei selbst zum größten Standortrisiko geworden. Selbst ein vorformuliertes Statement von Lindner ist enthalten.
FDP zum „D-Day“-Dokument: „Wir haben nichts zu verbergen“
Die FDP bezeichnet das Dokument als Arbeitspapier. „Wir haben nichts zu verbergen“, twitterte die FDP: „Wir haben niemals ein Geheimnis daraus gemacht, dass ohne eine Wirtschaftswende ein Ende der Ampel ein möglicher Ausgang des von uns sogenannten Herbstes der Entscheidungen sein könnte“, sagte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Er sprach von einer „Skandalisierung“ der Vorbereitung auf Szenarien. Allerdings steht in einer „D-Day Ablaufpyramide“-Grafik als „Phase IV“ „Beginn der offenen Feldschlacht“, was nach Angriff klingt. Djir-Sarai hatte kürzlich noch in einem RTL-Interview geleugnet, dass die FDP je den historischen Begriff „D-Day“ verwendet hatte. In der Präsentation ist er allerdings auf jeder Seite zu lesen.
Die Liberalen kämpfen dafür, im nächsten Bundestag wieder vertreten zu sein. Eine erneute Regierungsbeteiligung wird von ihnen nicht ausgeschlossen. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat es in seinem RTL/ntv-Trendbarometer gerade vorgerechnet: Welche Koalitionen nach der Neuwahl möglich sind, könnte gar nicht in erster Linie davon abhängen, wie viele Stimmen die Union, die SPD, die Grünen oder die AfD im Wahlkampf noch mobilisieren. Sondern eher davon, ob die kleineren Parteien den Einzug in den Bundestag schaffen. Gelingt das der FDP und den anderen kleineren Parteien, könnte sie beispielsweise mit Union und Grünen in eine Regierung gehen. Unter bestimmten Voraussetzungen sind nach der Bundestagswahl am 23. Februar gar parlamentarische Mehrheiten ab 42 oder 43 Prozent denkbar – legen CDU, CSU und FDP bis dahin noch um einige Prozentpunkte zu, käme sogar Schwarz-Gelb in Reichweite.
Hohe Spenden an die FDP
Nach dem Ampel-Aus ging eine Spende in Höhe von 40.000 Euro an die FDP ein, beziehungsweise wurde angekündigt, wie aus einer Veröffentlichung von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hervorgeht. Das Geld stammte demnach von der Dr. Theiss Naturwaren GmbH, einem Unternehmen, das in den Bundestagsarchiven zuvor eher durch Spenden an die CDU auffiel. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Firmen ihre Parteispendenpraxis gezielt ändern, um den Liberalen einen finanziell gut ausgestatteten Wahlkampf, den Wiedereinzug in den Bundestag sowie eine Regierungsbeteiligung zu ermöglichen. Den Liberalen hatte die Deutsche Vermögensberatung wenige Tage nach dem Ampel-Aus schon 200.000 Euro als Spende zukommen lassen.
Eine gut gefüllte Wahlkampf-Kasse garantiert noch keinen ausreichenden Zuspruch durch die Wählerinnen und Wähler, dafür braucht es immer noch politische Inhalte. Die will die Partei am 17. Dezember beschließen. Ein Parteitag ist dafür nicht vorgesehen; das Wahlprogramm wird vom Bundesvorstand beraten und verabschiedet. Die Partei wird voraussichtlich einen Spitzenkandidaten benennen und es fehlt den Beobachtern in Berlin die Fantasie, dass das jemand anderes als Christian Lindner sein könnte.
„Es ist mir recht, wenn Herr Scholz der Kanzlerkandidat der SPD ist“, erklärte Lindner kürzlich. „Da wissen die Menschen, was sie bekommen. Und was nicht: Wirtschaftswende“. Machen die Liberalen in den nächsten Wochen zu sehr gemeinsame Sache mit den anderen, wäre das der Profilschärfung als eigenständige Partei nicht dienlich. (mit dpa)
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