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FDP droht den Einzug in den Bundestag zu verfehlen

Dreikönigstreffen

Lindner und der „linksgrüne Albtraum“ – wird Buschmann der neue starke Mann?

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    Um bei der vorgezogenen Bundestagswahl über die Fünfprozenthürde zu kommen, muss sich die FDP unter ihrem Vorsitzenden Christian Lindner noch gehörig zur Decke strecken.
    Um bei der vorgezogenen Bundestagswahl über die Fünfprozenthürde zu kommen, muss sich die FDP unter ihrem Vorsitzenden Christian Lindner noch gehörig zur Decke strecken. Foto: Bernd Weißbrod, dpa

    Christian Lindner erinnert sich noch gut. Als er im April zur Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds in Washington war, wurde dort viel über die globale Wachstumsschwäche diskutiert - und zur Illustration des Problems diente damals ein Bild aus Berlin. Deutschland als Symbol der Krise, der kranke Mann Europas, wenn nicht gar der Weltwirtschaft: An jenem Tag habe er sich vorgenommen, zum nächsten Treffen mit einem besseren Ausblick zu kommen, erzählt Lindner. Gewählt wird in Deutschland am 23. Februar, zwei Monate später bittet der IWF dann die Finanzminister aus 190 Ländern wieder zu sich. „Ich habe“, sagt Lindner augenzwinkernd, „also noch etwas Zeit.“ 

    Eine Koalition aus Union und FDP, in der er wieder der Kassenwart wird, ist im Moment zwar so wahrscheinlich wie der deutsche Rhetorikpreis für Olaf Scholz. Lindner aber vertraut auf ein Mittel, auf das Parteien in schwierigen Zeiten immer wieder zurückgreifen, die Kraft der Autosuggestion. Sich stärker zu reden als man ist, das Belastende ausblenden und das Bewährte hervorheben: Wahlkämpfe würden nicht geführt, um Umfragen zu bestätigen, sondern um sie zu verbessern, sagt Lindner beim Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart. Deutschland brauche nicht nur einen Kanzlerwechsel, sondern einen Politikwechsel. Und den gebe es nur mit Union und FDP. 

    Ist Marco Buschmann der Mann nach Christian Lindner?

    In den Umfragen liegen die Liberalen sieben Wochen vor der Wahl allerdings durchweg unter der kritischen Marke von fünf Prozent. Grob geschätzt fehlen CDU, CSU und FDP etwa zehn Prozentpunkte für ein schwarz-gelbes Bündnis. Die Gefahr, dass sich das Menetekel von 2013 wiederholt, ist dafür umso größer. Damals war die FDP als Regierungspartei krachend aus dem Bundestag geflogen. Lindner übernahm den Parteivorsitz von Philipp Rösler und führte die FDP nach vier Jahren außerparlamentarischer Opposition mit fast elf Prozent zurück in den Bundestag - eine politische wie persönliche Energieleistung, von der der Parteichef bis heute zehrt. Lindner ist, wenn man so will, die FDP. Unumstritten als Vorsitzender, unersetzlich als Wahlkämpfer und unangefochten in seinen Entscheidungen. 

    Doch so sehr ihn seine Partei in Stuttgart für einen kämpferischen Auftritt feiert, mit dem er sich selbst zum „schlimmsten Albtraum des linksgrünen Mainstreams“ erklärt: Für Generalsekretär Marco Buschmann, bis zum Ampel-Aus Justizminister, begeistert sie sich nicht weniger. Der sonst eher spröde Parteimanager sieht das traditionsreiche, bis ins Jahr 1866 zurückreichende Dreikönigstreffen als „Ausgangspunkt für eine phänomenale Aufholjagd“ und rechnet in einer klugen, mitreißenden Rede vor allem mit der staatsgläubigen Wirtschaftspolitik von Sozialdemokraten und Grünen ab. „Eine gelenkte Wirtschaft“, sagt er unter anderem, „ist genauso wirtschaftlich wie eine gelenkte Demokratie demokratisch.“ Ist er womöglich der Mann für die Zeit nach Lindner, wann immer diese auch beginnen mag?

    Die FDP will für mehr Leistungsbereitschaft stehen

    Der Ton für den Tag jedenfalls ist damit gesetzt: weniger Bürokratie, niedrigere Steuern, eine rigidere Migrationspolitik. Lindner beklagt ein Defizit an Zuversicht in Deutschland und macht die Ängste vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, um die Zukunft der eigenen Kinder oder eine drohende Überfremdung mitverantwortlich für gebremste Konsumlust und Investitionsscheu. „Diese Ängste haben Deutschland in eine Abwärtsspirale geführt“, sagt er. Erschwerend hinzu komme eine veränderte innere Einstellung vieler Menschen zur Arbeit, die sich unter anderem in Forderungen wie der nach einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich, einer besseren Work-Life-Balance oder mehr Arbeit im Homeoffice ausdrückt. „Leistung ist für viele nicht etwas, das erbracht werden muss, sondern etwas, das man beantragt“, klagt Lindner. Keine Gesellschaft der Welt jedoch könne ihren Wohlstand halten, indem sie weniger arbeite. 

    Mit Sorge blickt die FDP auch in die USA, wo Donald Trump die Unternehmenssteuern auf 15 Prozent senken will. In Deutschland sind es effektiv 30 Prozent. „Weil wir nicht doppelt so gut sind wie die USA“, sagt Lindner, „können wir auch nicht mehr doppelt so teuer sein.“ Unten, im Publikum, nickt der frühere Wirtschaftsminister Hans Friderichs, inzwischen 93 Jahre alt, anerkennend. Er hat Anfang der Siebzigerjahre in der Ölkrise die Inflation in Schach gehalten und mit seinem beharrlichen Eintreten für niedrigere Steuern Willy Brandt mindestens so genervt wie Guido Westerwelle später Angel Merkel oder Lindner in der Ampel Olaf Scholz. Geschichte wiederholt sich also auch in der FDP. Im ungünstigsten Fall ist es die des Jahres 2013.

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