Spart der Staat ausgerechnet an den Kindern? Als Bundesfinanzminister Christian Lindner seine Haushaltspläne für das kommende Jahr ins Kabinett einbrachte, ging ein Aufschrei durch die Republik: Nur zwei statt der von der Familienministerin geforderten zwölf Milliarden Euro standen für die geplante Kindergrundsicherung in den Papieren. Doch auch nachdem die Koalition klarstellte, dass die Zahl "nur ein Platzhalter" sei und eine Summe zwischen zwei und sieben Milliarden bereitstehen solle, hält sich dennoch die Frage: Was ist die Bekämpfung der Kinderarmut der Politik wert?
Spitzenverdiener kommen beim Kinderfreibetrag am besten weg
Spitzenverdiener können mit der Entlastung des steuerlichen Kinderfreibetrags 354 Euro im Monat für den Nachwuchs herausholen. Am anderen Ende der Einkommensskala stehen für unter Sechsjährige 308 Euro Bürgergeld vom Staat. Dazwischen rangieren Normalverdiener mit 250 Euro Kindergeld.
Knapp drei Millionen Kinder und Jugendliche gelten im reichen Deutschland als arm. Das gilt nicht nur für Bürgergeld-Haushalte, sondern auch für über eineinhalb Million Kinder, deren Eltern zu den Niedrigverdienern zählen. Theoretisch könnten letztere Familien zusätzlich zum Kindergeld den sogenannten "Kinderzuschlag" von nochmals bis zu 250 Euro extra beziehen.
Doch selbst Fachleute räumen ein, dass die Anträge für die niedlich "KidZ" abgekürzte Leistung derart kompliziert sind, dass sie die meisten Menschen abschrecken: Weniger als 30 Prozent der berechtigten Familien beziehen die Leistung tatsächlich. Genau hier setzt die Kindergrundsicherung an. Künftig soll es die Leistung fast automatisch geben, sobald sich Berechtigte registrieren. Genau hier liegt der Kern des Streits um zusätzlich benötigtes Geld für die Reform.
Warum die wenigsten Berechtigten den Kinderzuschlag beantragen
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Familienministerium, Ekin Deligöz, hält Mehrausgaben für unausweichlich, wenn die Grundsicherung den Zuschlag ersetzt und nicht mehr nur ein knappes Drittel die Leistung bezieht. "Ich erwarte, dass wir auf eine Quote von 80 bis 90 Prozent kommen können", sagt die Grünen-Politikerin. "Das alleine - also ohne Änderungen an der Leistung - würde vier bis fünf Milliarden Euro kosten", betont die langjährige Haushaltsexpertin. "Daher verstehe ich auch die vom Finanzminister geplanten zwei Milliarden Euro ab 2025 erstmal als Platzhalter in der Finanzplanung. Mit Vorlage eines konkreten Gesetzentwurfs werden wir dann klarer sehen."
Doch bei der Kindergrundsicherung gehe es nicht nur ums Geld. "Die Lage wird viel übersichtlicher und in Kombination mit digitalen, weitgehend automatisierten Verfahren wird die Antragstellung erheblich erleichtert", betont die Staatssekretärin. "Das ist besonders relevant für diejenigen Familien, die im Bürgergeld sind oder den Kinderzuschlag sowie das Bildungs- und Teilhabepaket beziehen. Die Leistungen sind schon recht kompliziert und häufig verzichten Familien dann auf Leistungsansprüche."
Auch die Mitte soll von der Kindergrundsicherungsreform profitieren
Doch letztlich profitiere auch die Mitte von der Sozialreform. "Je nach Konstellation liegen Familien heute mit einem Bruttoeinkommen von 4500 Euro noch im Bezug des Kinderzuschlags und Wohngeldes", sagt Deligöz. "Aber spannend werden eine Reihe von Details der Kindergrundsicherung, über die noch diskutiert wird – und die aber große Effekte haben", kündigt sie an. Außerdem sei als erster Schritt bereits zu Jahresbeginn das Kindergeld für alle Familien um 31 Euro auf 250 Euro deutlich erhöht worden. "Da wurde mit Blick auf die Kindergrundsicherung quasi schon eine Maßnahme vorweggenommen", betont Deligöz.
Dass kommendes Jahr im Gegenzug auf Kosten von Gutverdienern die Einkommensgrenze für das Elterngeld auf 150.000 Euro im Jahr halbiert wurde, sei angesichts des Sparzwangs innerhalb der Bundesregierung am ehesten noch vertretbar, sagt die Grünen-Politikerin. "Die Einsparungen beim Elterngeld fallen uns sehr schwer, aber dieser Sparbeitrag wird vom Bundesfamilienministerium verlangt."
Bis nach der Sommerpause soll nun über das Gesetz Klarheit herrschen, wie Kindergeld, Kinderbürgergeld, Kinderzuschlag sowie Leistungen aus dem sogenannten Bildungs- und Teilhabepaket zur Grundsicherung zusammengeführt werden sollen. 15 von 16 Bundesländern stellten sich Ende Mai hinter die Reform, einzig Bayern stimmte gegen die Pläne. CSU-Sozialministerin Ulrike Scharf kritisierte jüngst, ihr sei schleierhaft, wie die Koalition alle genannten Leistungen "in einen Topf bringen möchte".