Wenn sich Paare mit Kindern trennen, ändert sich für alle Beteiligten auch die finanzielle Situation - in der Regel zum Schlechteren. Meist kümmert sich ein Partner hauptverantwortlich um den gemeinsamen Nachwuchs, laut Bundesfamilienministerium sind das in neun von zehn Fällen Frauen. Der andere Partner bezahlt Unterhalt. In vielen Fällen bringen sich auch diese Elternteile stark in die Betreuung ein, ohne dass sich das bisher auf die Höhe der Unterhaltszahlungen auswirkt. Bundesjustizminister Marco Buschmann will nun das Unterhaltsrecht so ändern, dass mitbetreuende Elternteile finanziell entlastet werden. "Wir werden die Unterhaltslasten fairer verteilen", kündigte der FDP-Politiker gegenüber der Funke-Mediengruppe an. In den kommenden Tagen werde er dazu Eckpunkte vorlegen, ein Gesetzentwurf solle "nach Möglichkeit zügig folgen".
"Unterhaltsrecht ist in die Jahre gekommen"
Der liberale Justizminister sieht das deutsche Unterhaltsrecht in die Jahre gekommen: "Ob ein Vater sich an einem oder an drei Tagen in der Woche um das Kind kümmert, hat in vielen Fällen kaum Auswirkungen auf den von ihm gezahlten Unterhalt." Das sei nicht nur aus Sicht der Betroffenen ungerecht, sondern "gerade auch mit Blick auf das Kindeswohl nachteilig".
Zugeschnitten ist der Reformplan laut Buschmann besonders auf Trennungsfamilien, in denen sich zwar ein Elternteil hauptsächlich um die Betreuung kümmere, der andere Elternteil sich aber ebenfalls einbringe, zu 30 oder 40 Prozent. "Wir wollen klare und faire Regeln dafür schaffen, wie diese Leistung des mitbetreuenden Elternteils beim Kindesunterhalt zu berücksichtigen ist", sagte er. Denn immer mehr Eltern in Deutschland würden ihre Kinder auch nach einer Trennung weiterhin gemeinsam erziehen.
Auch ein Rechenbeispiel führte Buschmann an: Darin verdient der mitbetreuende Vater 4000 Euro im Monat, die hauptbetreuende Mutter 2000 Euro, und der Vater übernimmt 40 Prozent der Erziehungsleistung. In diesem Fall zahle der Vater mit großer Wahrscheinlichkeit mehr als 500 Euro Unterhalt. Würden die Pläne umgesetzt, so Buschmann, "wird der Vater etwas mehr als 400 Euro zahlen". Bedenken, dass eine solche Reform Nachteile für die hauptbetreuenden Elternteile - eben meist Mütter - bringen könnte, hat der Justizminister nicht: "Wenn wir Väter dazu motivieren, sich stärker in der Betreuung der Kinder zu engagieren, hilft das auch den Müttern. Sie können dann etwa stärker berufstätig sein." Er versprach aber sicherzustellen, dass beim hauptbetreuenden Elternteil keine Situation eintritt, die das Kindeswohl gefährde. Kein Elternteil solle finanziell überfordert werden, Kinder behielten den gleichen Unterhaltsanspruch wie bisher.
Reform ist im Ampelvertrag vereinbart
SPD, Grüne und FDP hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag auf eine entsprechende Reform geeinigt. "Wir wollen im Unterhaltsrecht die Betreuungsanteile vor und nach der Scheidung besser berücksichtigen, ohne das Existenzminimum des Kindes zu gefährden", heißt es in der Passage zum Familienrecht. Doch wie Justizminister Buschmann das nun umsetzen will, sorgt bei der SPD für Kritik. Parteichefin Saskia Esken warnte vor möglichen negativen Auswirkungen. Bei einer Reform müsse das Existenzminimum des Kindes geschützt werden, mögliche Änderungen dürften auch nicht zulasten der in der Hauptsache erziehenden Mütter gehen, sagte sie. Denn auch bei geteilter Sorge sinke der finanzielle Aufwand der Hauptbetreuenden kaum.
Sozialverband warnt vor der "Armutsfalle"
Grundsätzlich sieht Esken den Reformplan aber im Einklang mit den familienpolitischen Zielen der Ampel und dem Koalitionsvertrag. Das Prinzip, dass Männer und Frauen in der Familienarbeit gleichermaßen Verantwortung übernehmen sollten, gelte auch für getrennt lebende Eltern. Es solle demnach im Unterhaltsrecht künftig besser berücksichtigt werden, so die SPD-Chefin.
Ähnlich bewertete der Sozialverband Deutschland (SovD) die Idee: Das Vorhaben sei lobenswert, doch die Details müssten noch abgewartet werden. Sprecher Peter-Michael Zernechel forderte ebenfalls, die geplanten Entlastungen dürften nicht zum finanziellen Nachteil für Mütter oder Kinder werden. Denn die Armutsfalle lauere überall. Zernechel wies zudem darauf hin, dass etwa 800.000 Kinder in Deutschland gar nicht den Unterhalt bekommen, der ihnen zusteht. In diesen Fällen zahlt meist der Staat einen Unterhaltsvorschuss, während die Väter, um die es sich in den allermeisten Fällen handelt, sich ihren Verpflichtungen entziehen. Zernechel: "47 Prozent aller Trennungskinder bekommen keinen Unterhalt, und da muss der Staat dafür sorgen, dass das eingetrieben wird."