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Familienpolitik: Mehr Rechte für Regenbogenfamilien

Familienpolitik

Mehr Rechte für Regenbogenfamilien

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    Regenbogenfamilien werden von der Gesetzgebung noch heute diskriminiert. Das soll sich jetzt ändern.
    Regenbogenfamilien werden von der Gesetzgebung noch heute diskriminiert. Das soll sich jetzt ändern. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Nicht mehr nur Vater, Mutter, Kind: Neben dem traditionellen Familienbild gibt es heute auch viele andere Familienkonstellationen. "Viele Kinder wachsen heute in Trennungsfamilien auf, in Patchwork- und Regenbogenfamilien oder bei nicht miteinander verheirateten Eltern. Unser Familienrecht hinkt dieser Realität hinterher", sagt Bundesjustizminister Marco Buschmann. Deshalb veröffentlichte er zwei Eckpunktepapiere zur Reform des Familienrechts. 

    Aktuell sehen die Gesetze andere Familienbilder nicht vor. Mutter eines Kindes ist automatisch die Frau, die es auf die Welt bringt. "Die zweite Elternstelle kann bei der Geburt nur von Männern besetzt werden", sagt Sarah Ponti, Grundsatzreferentin des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD). Ist ein Mann mit der Mutter verheiratet, ist er automatisch der Vater. Ist das Paar nicht verheiratet, kann er das Kind anerkennen. Ist der zweite Elternteil aber eine Frau, so muss sie den Nachwuchs adoptieren, damit die Elternschaft anerkannt wird. Und das ist kompliziert. 

    Warum Regenbogenfamilien bisher diskriminiert werden

    Dieses Verfahren hat auch Christina Zacher durchlaufen müssen. Die 38-Jährige und ihre Frau erfüllten ihren Kinderwunsch mithilfe einer Samenbank in Dänemark. Zachers Frau brachte zwei Kinder auf die Welt, einen heute siebenjährigen Sohn und eine dreijährige Tochter. "Meinen Sohn habe ich adoptiert", sagt Zacher. Das sei sechs Monate nach seiner Geburt möglich gewesen. Erst einmal ging sie zum Notar, um das Adoptionsverfahren in die Wege zu leiten. Dann habe sie beim Jugendamt vorstellig werden müssen. Ein Mitarbeiter sei auch zu ihr nach Hause gekommen, um sich alles anzuschauen. Zacher habe einen Leumund gebraucht und einen Lebensbericht schreiben müssen. "Da ging es darum, wer ich bin, aus welchem Elternhaus ich komme, welche Ansichten ich zu bestimmten Themen vertrete", sagt sie. Auch einen Fragebogen habe sie ausfüllen müssen. Ein weiterer Schritt im Adoptionsverfahren sei der Gang zum Arzt gewesen. Dort habe sie einen Hepatitis- und HIV-Test machen müssen. Zudem habe ihr Arzt bescheinigen müssen, dass sie belastbar ist. Dieses ganze Verfahren müssen sonst nur Eltern durchlaufen, die ein völlig fremdes Kind adoptieren.

    "Das Ganze hat zehn Monate gedauert", sagt Zacher. Für die Prozedur habe sie 500 bis 600 Euro gezahlt. Zusätzlich zu der Samenspende, die etwa 6000 Euro gekostet habe. "Das Adoptionsverfahren ist für Familien unheimlich belastend", sagt Sarah Ponti. Und auch für das Kind habe es Nachteile. Im Todesfall der Mutter bei der Geburt sei es erst einmal Vollwaise. Sollte der zweiten Mutter etwas geschehen, bevor sie das Kind adoptieren konnte, so habe das Kind keine Erbrechte. "Wenn die Mütter für solche Fälle vorsorgen wollen, müssen sie dies vorab in einer letztwilligen Verfügung oder einer Vorsorgevollmacht festlegen", sagt Ponti.

    Eckpunktepapier von Buschmann: Das soll sich ändern

    Bei den Geburten von Zachers Frau ging zum Glück alles gut. Ihre Tochter hat Christina Zacher aber nicht adoptiert. Denn die Ampel-regierung legte in ihrem Koalitionsvertrag Änderungen im Abstammungsrecht fest. Seitdem hofft Zacher darauf, dass diese umgesetzt werden und rückwirkend gelten. Dann könne sie die zweite Elternstelle genauso einfach besetzen wie ein Mann. Ihre Tochter müsste sie nicht in einem langen Verfahren adoptieren. "Das wäre ein Ende der Diskriminierung", sagt sie. 

    Und es sieht gut aus: Im Eckpunktepapier von Buschmann ist eine solche Änderung enthalten. Für schwule Paare gilt die neue Regelung allerdings nicht. Denn in Partnerschaften zwischen zwei Männern könne kein Kind hineingeboren werden. "Auch künftig wird die Frau, die das Kind geboren hat, immer Mutter des Kindes sein", sagt Buschmann. Dafür solle es künftig sogenannte Elternschaftsvereinbarungen geben. Anders als bei Zachers Familie, suchen manche lesbischen Paare im privaten Umfeld nach Samenspendern. Dieser Weg ist wesentlich billiger, als über eine Samenbank. Allerdings ist die Elternschaft rechtlich laut Sarah Ponti nicht abgesichert. So könne es zum Beispiel sein, dass der Spender und die Mütter im Voraus vereinbaren, dass er auf die Vaterschaft verzichtet. Überlegt der Spender es sich dann aber anders, könne er die Vaterschaft gerichtlich erzwingen. Jedenfalls, solange das Kind noch nicht adoptiert ist. 

    Wann treten die Neuerungen des Abstammungsrechts in Kraft?

    Buschmanns Reformvorschlag sieht nun vor, dass solche Elternschaftsvereinbarungen im Voraus abgesichert werden können. Dabei werden laut Ponti unterschiedliche Familien-Modelle berücksichtigt, zum Beispiel auch lesbische und schwule Paare, die zusammen ein Kind bekommen. Zwar werde es weiterhin nur zwei rechtliche Elternteile geben, allerdings solle das sogenannte "kleine Sorgerecht" erweitert werden. Aktuell könne nur ein verheirateter Partner das kleine Sorgerecht bekommen. Künftig solle es auch anderen Menschen übertragen werden können. Das erleichtere den Gang zum Arzt oder das Anmelden bei der Kita. "Das ging bisher nur mit Vollmachten", sagt Ponti. Insgesamt ist der LSVD zufrieden mit den Eckpunkten. Doch der Verband hat auch Kritik. Er hatte sich noch mehr Beachtung für die Interessen transgeschlechtlicher, intergeschlechtlicher und nicht-binären Menschen erhofft. 

    Auf Grundlage der beiden Eckpunktepapiere wird das Justizministerium nun Gesetzentwürfe erarbeiten. Sie sollen noch im ersten Halbjahr 2024 vorgelegt werden. Der LSVD hofft, dass die neuen Gesetze ab Herbst 2024 in Kraft treten könnten.

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