Zum letzten Mal betritt er den Gerichtssaal in Düsseldorf mit dem Gruß der IS-Kämpfer, dem erhobenen Zeigefinger. Wenige Momente später hat Maan D. für seine mörderischen Messerattacken im April in Duisburg die Höchststrafe erhalten. Das Oberlandesgericht verurteilt den radikalen Islamisten am Dienstag wegen Mordes und vierfachen Mordversuchs zu lebenslanger Haft.
Das Gericht stellte zudem die besondere Schwere seiner Schuld fest, was eine Entlassung nach 15 Jahren Mindesthaftdauer praktisch ausschließt. Zudem verhängt es die anschließende Sicherungsverwahrung.
"Der Angeklagte hat in einer für den Senat ungewohnten Offenheit seine terroristische Gesinnung dargelegt", sagte der Vorsitzende Richter Jan van Lessen. "Er meint, in der militanten Ideologie des Dschihadismus die wahre Religion erkannt zu haben."
Radikalisierung über das Internet
Erst in Deutschland und ausschließlich über das Internet habe er sich radikalisiert. Dabei habe er vor allem die Webseiten der Terrororganisation Islamischer Staat besucht. Dies zeige, welche Gefahr von ideologisch verblendeten Einzeltätern wie ihm ausgehe.
Im April sei er derart radikalisiert gewesen, dass er zur Tat geschritten sei. "Dabei ging er davon aus, früher oder später von Polizisten erschossen zu werden und als Märtyrer zu sterben", schilderte der Richter.
Der Absicht, willkürlich ausgewählte Menschen zu töten, sei am 9. April der 35-jährige Irfan D. zum Opfer gefallen, den er nachts auf der Straße mit 28 Messerstichen umgebracht habe. Die DNA des Opfers sei später an den Sportschuhen des Angeklagten entdeckt worden.
Überlebende leiden bis heute unter den Taten
Dann habe er am 18. April in Duisburg ein Fitnessstudio betreten, "um aufgrund seiner radikal-islamistischen Gesinnung möglichst viele Männer zu töten". Dazu habe er vorgegeben, ein Probetraining absolvieren zu wollen. Die Opfer im Dusch- und Umkleidebereich seien von seinen Angriffen völlig überrascht gewesen. Er habe plötzlich vor ihnen gestanden und zugestochen. Alle vier überlebenden Opfer leiden bis heute unter den Taten, führte das Gericht aus.
Bekannte hätten den Syrer schließlich auf Videoaufnahmen wiedererkannt und identifiziert. Seine Verbrechen habe er gestanden und mit politisch motivierter Rache für angebliche Verbrechen an Muslimen begründet.
Er sei voll schuldfähig. Seine dschihadistischen Vorstellungen deuteten zwar auf einen paranoiden Wahn hin. Laut psychiatrischem Sachverständigen sei dies aber mit der religiösen Einstellung des Angeklagten erklärbar.
Eine Strafaussetzung nach 15 Jahren wäre auch bei günstiger Prognose unangemessen. Außerdem habe er einen Hang zu erheblichen Straftaten offenbart und damit die Voraussetzungen für die Sicherungsverwahrung erfüllt. So habe er seine Absicht zu weiteren Taten bekundet, sagte der Richter.
Vater des Getöteten: "Wir leiden jeden Tag"
"Ich hoffe, dass er nicht mehr rauskommt. Wir leiden jeden Tag", sagte der Vater des getöteten Irfan D. nach der Urteilsverkündung. "Ich habe fast einen Herzinfarkt bekommen, so eiskalt, wie er mir im Saal gegenüberstand, diese Bestie."
"Das ist rechtlich das Höchste, was ausgesprochen werden konnte", sagte eine Nebenklagevertreterin. "Deswegen sind wir zufrieden. Das könnte zur Verarbeitung des Geschehenen beitragen. Mehr geht nicht."
Keine Reue und kein Mitgefühl
Der Syrer zeige keinerlei Reue, kein Mitgefühl und habe weitere Straftaten angekündigt, hatte eine Vertreterin der Bundesanwaltschaft gesagt. Er sei der Losung der Terrorgruppe Islamischer Staat gefolgt, die gesamte Welt zu einem Kriegsschauplatz zu machen.
"Ich wollte so viele Menschen wie möglich töten. Ich wollte noch mehr Taten begehen, bis ich getötet werde, damit ich als Märtyrer sterbe", hatte er am zweiten Verhandlungstag gestanden.
Am Montag hatte er erneut das Wort ergriffen: "Sie können richten, was und wie sie wollen", hatte er gesagt. "Wir hoffen darauf, dass Gott uns ins Paradies bringt." Auf die Urteilsverkündung am Dienstag zeigte er keine Reaktion.
2015 nach Deutschland gekommen
Der Angeklagte war 2015 über die Balkanroute nach Deutschland gekommen, um dem Militärdienst zu entgehen und hatte 2016 Asyl beantragt. In Duisburg, wo er überwiegend von Sozialleistungen lebte, bekam er eine Wohnung gestellt.
Seine Eltern waren in Syrien Lehrer. Der angebotene Deutschkurs sei ihm zu anstrengend gewesen, er habe ihn abgebrochen. An dauerhafter Arbeit habe er kein Interesse gehabt, hatte er ausgesagt.
Nach der ersten Bluttat am 9. April in Duisburg hatte er eine Veröffentlichung der Terrorgruppe "Islamischer Staat" in seinem Facebook-Account weiter verbreitet: "Der Islamische Staat wird bleiben. Seine Soldaten erweitern die Kampffronten Tag für Tag, bis die ganze Erde zu einem einzigen Dschihad-Feld wird", heißt es darin.
(Von Frank Christiansen, dpa)