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Evakuierungen in Rafah: Israels neue Offensive in Gaza steht bevor

Krieg in Nahost

Israels schwierigste Schlacht

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    Palästinenser fliehen aus dem östlichen Teil der Stadt Rafah. Die israelische Armee bereitet eine Militäroperation vor.
    Palästinenser fliehen aus dem östlichen Teil der Stadt Rafah. Die israelische Armee bereitet eine Militäroperation vor. Foto: Ismael Abu Dayyah, dpa

    Wenig bis gar keine Fortschritte, so lautete zuletzt die Bilanz im Nahen Osten. Jetzt kommt Bewegung in den Konflikt zwischen Israel und der Hamas. Allerdings gleich von zwei Seiten. 

    Die islamistische Terror-Organisation hat nach eigenen Angaben einem von den Vermittlern Ägypten und Katar unterbreiteten Vorschlag für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg zugestimmt. Das teilte die Organisation am Montagabend mit. Von Israel gab es zunächst keine Stellungnahme, daher war unklar, wie die Details der Vereinbarung aussehen und wie ernst die Hamas-Ankündigung zu nehmen ist. Ein Kabinettsmitglied sprach dem israelischen Fernsehen zufolge von einem Täuschungsmanöver der Hamas, um Israel als Verweigerer darzustellen.

    Vorbereitungen auf israelischen Einsatz in Rafah laufen

    Tatsächlich hatte sich auch Israel am Montag auf den nächsten Schritt in dem gewaltsamen Konflikt vorbereitet Ein Militäreinsatz in der mit Flüchtlingen überfüllten Stadt Rafah an der Gaza-Grenze zu Ägypten sollte in den kommenden Tagen beginnen. Israels Armee, die IDF, rief die Menschen im östlichen Teil der Stadt dazu auf, sich in das Gebiet Al-Mawasi einige Kilometer weiter nördlich zu begeben. Außerhalb von Rafah stünden ein Feldlazarett, Zelte, Lebensmittel und Wasser bereit. Geplant sei ein „Einsatz von begrenztem Umfang“, so der Militärsprecher.

    Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat zuletzt immer wieder betont, dass auch eine Waffenruhe nichts an seinen Plänen für eine Militäreinsatz in Rafah ändern würde. Er hält ihn für zwingend für den von ihm ausgerufenen „totalen Sieg“. Außenminister Israel Katz hingegen hatte zuletzt erklärt, sein Land sei bereit, den angekündigten Militäreinsatz in der Stadt Rafah zu verschieben, sollte ein Deal zur Freilassung von Geiseln zustande kommen. Auch Experten blicken skeptisch auf das Schlachtfeld. Netanjahus Versprechen sei nicht mehr als ein „Slogan für die Medien“, kritisiert der Militärhistoriker Danny Orbach von der Hebräischen Universität in Jerusalem. Gleichwohl hält er einen Einsatz in Rafah für entscheidend, damit Israel eines seiner Kriegsziele – die Entmachtung der Hamas in Gaza – erreichen kann. 

    Hamas-Anführer Yahya Sinwar hält sich wohl in Rafah auf

    Tatsächlich gilt die Stadt als letzte Bastion der Terrororganisation und als mögliches Versteck ihres Anführers, Yahya Sinwar, dem Kopf hinter dem Massaker des 7. Oktobers. Das wichtigste Ziel einer Rafah-Offensive sei es jedoch, die Versorgungslinien der Hamas abzuschneiden, sagt Orbach. Zum einen hat die Hamas zahlreiche Tunnel unter der Grenze zu Ägypten gegraben, durch die sie militärisches Gerät schmuggelt. Zudem profitierten die Terroristen auch von dem offiziellen Grenzübergang bei Rafah, indem sie auf alle Einfuhren Zoll erhöben und Teile der humanitären Hilfe abgriffen. „Historisch betrachtet, überleben Terrororganisationen dann, wenn sie einen sicheren Hafen und Versorgungswege haben“, so Orbach.

    Wie gefährlich die Hamas von Rafah aus der IDF noch werden kann, zeigte sich in der Nacht auf Montag: Die Hamas feuerte von der Stadt aus mehrere Raketen ab, die nahe dem israelischen Grenzübergang Kerem Schalom einschlugen und vier Soldaten töteten. Israel schloss anschließend den Übergang, durch den sonst dringend benötigte Hilfskonvois in den Gazastreifen fahren.

    Deutsche Regierung kritisiert Pläne für Offensive

    Auf internationalen Druck hin hatte Israel zuletzt einen zusätzlichen Übergang für Hilfslieferungen geöffnet. Dennoch bleibt die humanitäre Lage in Gaza prekär. Und Beobachter warnen, dass eine Offensive in Rafah die Situation verschlimmern könnte. Rund anderthalb Millionen Zivilisten sollen sich derzeit in der Stadt und der Umgebung aufhalten, die meisten von ihnen Binnenflüchtlinge. Viele Regierungen, darunter die deutsche, haben Israel deshalb vor einer Offensive dort gewarnt; US-Präsident Joe Biden beschrieb eine solche gar als „rote Linie“. „Die Bundesregierung und auch die Außenministerin haben bereits in Vergangenheit wiederholt gesagt, dass eine großangelegte Bodenoffensive auf Rafah eine humanitäre Katastrophe wäre, und zwar eine humanitäre Katastrophe mit Ansage“, sagte am Montag eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin. Ägypten befürchtet unter anderem, es könnte bei einem Einsatz Israels in Rafah zu einem Ansturm von Palästinensern über die Grenze kommen.

    Netanjahu versprach, der Einsatzplan der Armee beinhalte Vorsichtmaßen zum Schutz der Zivilisten, so wie Evakuierungen und die Einrichtung humanitärer Sicherheitszonen. Viele ausländische Beobachter halten die Maßnahmen allerdings für unzureichend. Der Militärexperte Orbach dagegen erwartet, dass Israel in Rafah „besonders vorsichtig“ vorgehen werde, um die Spannungen insbesondere mit den USA, aber auch Ägypten nicht zu verschärfen. 

    Ergibt eine begrenzte Offensive wirklich Sinn?

    Derzeit hat die IDF auf online veröffentlichten Karten nur einen relativ kleinen Teil Rafahs zum Einsatzgebiet erklärt; der Aufruf zur Evakuierung soll rund 100.000 Menschen betreffen. Orbach geht allerdings davon aus, dass es nicht bei einer so begrenzten Operation bleiben wird. Eine solche würde weder strategisch Sinn ergeben noch Netanjahus rechte Koalitionspartner befriedigen, die mit Rücktritt gedroht haben, sollte es keinen Einsatz in Rafah geben. 

    Bis zuletzt schienen die Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas um eine Feuerpause und die Befreiung israelischer Geiseln wieder einmal ins Stocken geraten sein. Die Hamas besteht auf einem Ende der Kämpfe, eine Forderung, die mit Israels Kriegsziel kollidiert, die Gruppe in Gaza zu entmachten. Netanjahu wiederum hat angekündigt, die Rafah-Operation durchzuziehen – „mit oder ohne Einigung“. 

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