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Europawahl: Was wurde aus den Kleinparteien, die ins Europaparlament eingezogen sind?

Europawahl

Was wurde aus den Kleinparteien, die ins Europaparlament eingezogen sind?

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    Mitglied des Europäischen Parlaments und Bundesvorsitzender von "Die Partei": Martin Sonneborn.
    Mitglied des Europäischen Parlaments und Bundesvorsitzender von "Die Partei": Martin Sonneborn. Foto: Gregor Fischer, dpa

    Auf die knapp 65 Millionen Wahlberechtigten wartet am kommenden Sonntag ein ellenlanger Stimmzettel in den Wahllokalen: Genau 35 Parteien wollen ins Europaparlament – und vor fünf Jahren haben immerhin 14 den Einzug geschafft. Ein letztes Mal findet die Europawahl in Deutschland ohne Prozenthürde statt: Und so hoffen Außenseiter wie Volt, die Familien- und Piratenpartei, ihre Sitze zu verteidigen, die Klimaprotestbewegung "Letzte Generation" hofft auf den Sprung ins Parlament.

    Tierpartei-Abgeordneter scheitert an NPD-Vergangenheit

    Im Praxistest blieben auch den Kleinstparteien Skandale oder negative Schlagzeilen nicht erspart: So schaffte es die Tierschutzpartei mit 1,4 Prozent ins Parlament, Spitzenkandidat Martin Buschmann schloss sich der Linke-Fraktion an. Doch als rauskam, dass Buschmann Anfang der Neunziger in der rechtsextremen NPD als Kreisvorsitzender aktiv war, kam er mit dem Austritt aus Partei und Fraktion seinem Rauswurf zuvor. Sein Mandat behielt der Hamburger dennoch. Die Tierschutzpartei war wie schon 2014 trotz Wahlerfolg nicht lange im Parlament vertreten: Damals trat Spitzenkandidat Stefan Eck eine halbes Jahr nach der Wahl im Streit aus der Tierschutzpartei aus und blieb als Parteiloser im Parlament.

    Fragwürdigen Familiensinn bewies jüngst die Familienpartei: Parteichef Helmut Geuking schied aus dem Parlament aus, um seinem Sohn Platz zu machen. Doch am Sonntag tritt der 60-Jährige wieder als Spitzenkandidat an – mit einer durch das üppige Übergangsgeld frisch aufgefüllten Wahlkampfkasse.

    Satiretruppe "Die Partei" spaltet sich im EU-Parlament

    Zum Riesen unter den Zwergen wurde bei der Europawahl 2019 die Satiretruppe des ehemaligen Titanic-Chefredakteurs Martin Sonneborn . Mit 2,4 Prozent überholte „Die Partei“ sogar knapp die Freien Wähler und verdreifachte ihr Ergebnis. Neben Sonneborn, der bereits 2014 zu seiner eigenen Überraschung ins EU-Parlament gewählt wurde, verstärkte nun auch der Satiriker Nico Semsrott dort zunächst die Spaßpartei: Doch nach zwei Jahren kam es zur Spaltung. Semsrott warf Sonneborn Kritikunfähigkeit und Rassismus wegen eines Chinesen-Witzes vor und verließ „Die Partei“.

    Semsrott zog in seinem Buch „Brüssel sehen und sterben“ eine verbitterte Bilanz über seine Arbeit im Parlament und beklagte eine Machtlosigkeit der EU-Abgeordneten, die sich jedoch anders als die eigentlich Brüsseler Mächtigen direkt gegenüber den Wählerinnen und Wählern verantworten müssten. Zuvor war der 38-Jährige in die Europaparlamentsfraktion der Grünen gewechselt, die ihn in den Haushaltskontrollausschuss entsandte. Die Europaparlamentsfraktion „Die Grünen/Europäische Freie Allianz“ profitierte nicht nur durch den Satiriker an Zuwachs. Auch die ÖDP-Abgeordnete Manuela Ripa, deren Partei vor fünf Jahren auf ein Prozent kam, schloss sich der Grünen-Fraktion an, ebenso die beiden mit jeweils 0,7 Prozent der Stimmen gewählten Abgeordneten der Piraten- und Volt-Partei. Die beiden Freie-Wähler-Abgeordneten fanden in der liberalen Renew-Fraktion Aufnahme. 

    Mit Spannung wird in Brüssel verfolgt, wo sich das neue Bündnis Sahra Wagenknecht im Europaparlament ansiedeln will, das bei der Wahl große Chancen hat, mehrere Abgeordnete nach Straßburg zu schicken. Die Fraktionen unterschiedlicher Parteien garantieren Redezeiten und Einfluss in den Parlamentsausschüssen. Parteichefin Wagenknecht hat bislang offengelassen, ob sich das von der deutschen Linkspartei abgespaltene BSW im EU-Parlament der bisherigen europaweiten Linke-Fraktion anschließen wird.

    Bei der Europawahl 2029 gibt es in Deutschland wieder eine Prozenthürde

    In fünf Jahren soll es generell weniger Parteien im Europaparlament geben. Die Mehrheit des Europaparlaments hat sich bereits vor zwei Jahren für eine generelle 3,5-Prozent-Klausel ausgesprochen, doch in den Mitgliedstaaten stößt der Vorstoß bislang nicht auf ausreichende Zustimmung.

    Unter anderem in Frankreich, Polen, Tschechien und Ungarn gilt eine Fünfprozenthürde. In Italien, Spanien und Österreich liegt sie bei vier Prozent. In Deutschland hob das Bundesverfassungsgericht 2011 die bis dahin ebenfalls geltende Fünfprozenthürde auf, der Versuch einer Dreiprozenthürde im Jahr 2014 scheiterte ebenfalls an den Karlsruher Richtern. Seitdem gilt gar keine Grenze. Allerdings beschlossen die EU-Mitgliedstaaten vor sechs Jahren, dass es in jedem größeren Land eine Sperrklausel geben müsse.

    Der Bundestag hat vergangenen Juli mit einer Zweidrittelmehrheit grundsätzlich ebenfalls die Einführung einer Sperrklausel von mindestens zwei Prozent beschlossen, ohne jedoch die genaue Höhe festzulegen. Dies soll ein Gesetz vor der nächsten Europawahl im Jahr 2029 regeln. Das Verfassungsgericht gab dem Plan im Februar seinen Segen und wies eine Klage von Sonneborns Partei ab.

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