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Europawahl 2024: Warum die Grünen abgestürzt sind - Kommentar

Kommentar

Die Europawahl zeigt: Die Grüne Welle ist verebbt

Peter Müller
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    Gedrückte Stimmung bei den Grünen: Emily Büning (von links), Bundesvorsitzende Ricarda Lang, Spitzenkandidatin Terry Reintke, Bundesvorsitzender Omid Nouripour und Spitzenkandidat Sergey Lagodinsky bei der Wahlparty in der Columbiahalle in Berlin.
    Gedrückte Stimmung bei den Grünen: Emily Büning (von links), Bundesvorsitzende Ricarda Lang, Spitzenkandidatin Terry Reintke, Bundesvorsitzender Omid Nouripour und Spitzenkandidat Sergey Lagodinsky bei der Wahlparty in der Columbiahalle in Berlin. Foto: Christoph Soeder, dpa

    Diese Europawahl ist mit der vor fünf Jahren nicht zu vergleichen. Damals, im Mai 2019, war der Klimaschutz das alles beherrschende Thema und Greta Thunberg noch ein freundliches schwedisches Mädchen, das freitags nicht zur Schule ging. Von Corona hatte noch nie jemand was gehört und bis zu Putins (erneutem) Überfall auf die Ukraine waren es noch drei Jahre. Vor allem in Deutschland schickten sich die Grünen an, zur Volkspartei zu werden. Die Öko-Partei holte 20,5 Prozent, soviel wie noch nie bei einer bundesweiten Abstimmung. Im Europaparlament hatten die Grünen mit einem Mal beinahe so viele Sitze wie die CDU – ein Ergebnis, das die Frage nach einem Kanzlerkandidaten bei der Bundestagswahl nur logisch erscheinen ließ. 

    Europawahl 2024: Grüne verlieren massiv

    Fünf Jahre später ist diese sogenannte Grüne Welle verebbt. „Vom Hegemon zur Hassfigur“, so beschreibt die Zeit diesen Umschwung völlig treffend. Sicher, außer bei den ganz jungen Anhängern stürzte der grüne Balken bei den ersten Hochrechnungen nicht völlig ins Bodenlose. Die Grünen können sich auf Stammwählerinnen und – wähler verlassen, die ihnen auch in schweren Zeiten die Treue halten. Nach dem Chaos um das sogenannte Heizungsgesetz und dem überstürzten Aus bei der E-Autoprämie, vor allem aber angesichts des miserablen Bildes, das die Ampelregierung insgesamt abgibt, weiß man seit diesem Wahlabend ziemlich genau, wie belastbar dieses Fundament ist: Es liegt bei etwa zwölf Prozent, vielleicht auch ein bisschen höher, wenn man in Rechnung stellt, dass manche Grüne dieses Mal wohl zur pro-europäischen Volt-Partei ausgewichen sind. So oder so: Ihren Traum vom Kanzleramt können Annalena Baerbock und Robert Habeck auf absehbare Zeit vergessen. 

    Die größten Zuwächse hat die AfD zu verzeichnen. All die Vorwürfe der Bestechlichkeit, die unappetitliche Nähe zu Russland, der Spionagefall um einen Mitarbeiter des irrlichternden Spitzenkandidaten, all diese Skandale haben den Aufstieg der AfD wohl abgebremst, ihr aber eben nicht nachhaltig geschadet. Vielen Wählerinnen und Wähler scheint das Schmuddelimage der Partei genauso egal zu sein, wie die Tatsache, dass inzwischen weite Teil vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft werden. Anders als Giorgia Melonis und Marine Le Pens Rechts-Parteien in Italien und Frankreich, muss die AfD noch nicht mal so tun, als wäre sie regierungsfähig, um an der Kanzlerpartei SPD vorbeizuziehen. 

    Grüne polarisieren fast so sehr wie die AfD

    Die Grünen, das hat man bereits bei den Landtagswahlen in Bayern gesehen, polarisieren heute fast so sehr wie die AfD. Das Spitzenpersonal der Partei muss sich fragen lassen, wie es dazu kommen konnte. Ein Blick auf die Themen Klimaschutz und Migration liefert Erklärungsansätze. Die meisten Bürgerinnen und Bürger, das zeigen Umfragen, wollen Klimaschutz – aber eben mit Augenmaß. Und sie wollen politisch Verfolgten Zuflucht gewähren, aber eben nicht jeden aufnehmen, der es – oft illegal – nach Deutschland schafft. Die Grünen hatten zuletzt oft das genaue Gegenteil im Angebot: Klimaschutz, der für die Wähler teuer zu werden drohte (Heizungsgesetz…) und immer neue, auch moralische Hürden gegen jedwede Begrenzung der Zuwanderung. 

    Um nicht falsch verstanden zu werden: Für beides mag es, je nach Betrachter, gute Gründe geben. Man darf sich dann eben nur nicht wundern, wenn die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger dabei nicht mehr mitmacht. 

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