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Europawahl: Nicht erlaubt, aber immer noch möglich – die Doppelwahl

Europawahl

Nicht erlaubt, aber immer noch möglich – die Doppelwahl

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    Es ist nicht zulässig, mehr als eine Stimme zur Europawahl abzugeben.
    Es ist nicht zulässig, mehr als eine Stimme zur Europawahl abzugeben. Foto: Sebastian Gollnow, dpa

    Am Wochenende wählen Bürgerinnen und Bürger der 27 EU-Mitgliedstaaten das neue Europaparlament. Darunter auch Menschen mit mehreren Staatsbürgerschaften. Oder solche, die in einem anderen Staat leben, als in dem, dessen Pass sie haben. Beim Thema Wahl und doppelte Staatsbürgerschaft fällt wohl vielen der Wirbel um den Journalisten Giovanni di Lorenzo ein: Im Jahr 2014 sagte der Zeit-Chefredakteur in einer Talkshow öffentlich und scheinbar unbedarft, dass er gleich zwei Stimmen bei der damaligen Europawahl abgegeben hat. Möglich war dies, weil er sowohl deutscher als auch italienischer Staatsbürger ist. Dabei dürfen auch Wahlberechtigte mit doppelter Staatsangehörigkeit natürlich nur einmal wählen.

    Das Wahlrecht ist an die Staatsangehörigkeit geknüpft. Erlangt eine Person die deutsche Staatsangehörigkeit, werde sie ohne eigenes Zutun in das deutsche Wählerverzeichnis aufgenommen, teilt eine Sprecherin der Bundeswahlleiterin mit. Das Problem: Zwischen Deutschland und anderen Mitgliedsstaaten gibt es im Fall der Europawahl keinen Austausch – hierfür wurde "bisher keine Rechtsgrundlage geschaffen", sagt die Sprecherin. Nach Kenntnis der Bundeswahlleiterin seien dazu auch keine Rechtsänderungen geplant.

    Südtirolerin in Schwaben erhält doppelt Wahlunterlagen

    Ein etwas anderer Fall, der laut Aussage der Sprecherin so eigentlich nicht vorkommen dürfte: Luise Gutmann ist gebürtige Italienerin. Seit mehr als fünf Jahrzehnten lebt sie schon in Deutschland, davon seit zehn Jahren in Biberbach (Landkreis Augsburg) und darf deswegen auch – sofern beantragt – in der Bundesrepublik wählen. Die Südtirolerin besitzt aber lediglich einen italienischen Ausweis – hat also eben keine doppelte Staatsbürgerschaft wie di Lorenzo. Dennoch erhielt die 65-Jährige zur Europawahl im Jahr 2019 Wahlunterlagen ihrer Gemeinde Biberbach sowie aus ihrer Heimat Bozen. An beide Stellen hat Gutmann bereits damals gemeldet, dass es sich dabei wohl um einen Fehler handeln müsse.

    Selbst wenn sie die Eintragung ins deutsche Wählerverzeichnis beantragt hätte, würden sich laut Informationen der Pressesprecherin die jeweiligen Staaten – hier also Deutschland und Italien – darüber austauschen. Eine Doppelwahl sei also ausgeschlossen. 

    Zur aktuellen Europawahl musste Gutmann feststellen: "Es hat sich nichts geändert." Wieder bekam die Biberbacherin Unterlagen beider Staaten – ohne diese jemals angefordert zu haben. Sie ist der Meinung: "Niemand kümmert sich darum."

    Lücke im EU-Recht noch immer nicht behoben

    Bereits 2014 war die beschriebene Lücke im EU-Recht seit Jahren bekannt. Heute, zehn Jahre später, hat sich dennoch nichts getan. Die Lücke bleibt: Doppelstaater und Menschen wie Luise Gutmann haben theoretisch die Möglichkeit, zweimal zu wählen. Die Staatsanwaltschaft stellte damals das Verfahren gegen di Lorenzo wegen Wahlfälschung gegen eine finanzielle Auflage ein. Wer in Deutschland gegen das Verbot der mehrfachen Stimmabgabe verstößt, macht sich strafbar, betont die Sprecherin. Eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe sei dann fällig. 

    Hinweis auf Verbot der Doppelwahl an Eingang der Wahlräume

    Di Lorenzo gab damals an, nicht gewusst zu haben, dass er nicht in zwei Ländern wählen darf. Luise Gutmann ist klar, dass eine Doppelwahl verboten ist und wählt nur einmal. Zum scheinbar fehlerhaften System, das hinter den doppelten Unterlagen steckt, sagt sie: "Dass das nach so vielen Jahren in unserer digitalen Zeit immer noch nicht möglich ist, macht mich zornig." 

    Die Bundeswahlleiterin versucht laut Sprecherin, die Betroffenen in Deutschland explizit darauf hinzuweisen, dass sie nur eine Stimme abgeben dürfen: So stehe in der Wahlbenachrichtigung ein Hinweis auf das Verbot. Ebenso am Eingang jedes Wahlraums. Dass das Wahlergebnis durch Mehrfachwahlen verfälscht werden könnte, dazu liegen der Bundeswahlleitung im Übrigen keine Anhaltspunkte vor.

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