Wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der CDU-Zentrale in Berlin Anweisung haben, sich auf der mehrstöckigen Galerie rund ums Foyer zu versammeln, dann steht Größeres bevor. Am Montag war es eine Pressekonferenz, eine Art Krönungszeremonie, die für lauten Applaus der Claqueure auf den Rängen im Konrad-Adenauer-Haus sorgte. Die CDU Deutschlands nominierte einstimmig eine der ihren als Spitzenkandidatin für die Europawahl im Juni: Ursula von der Leyen geht ins Rennen und soll möglichst fünf weitere Jahre als Kommissionspräsidentin die Geschicke der Europäischen Union prägen. Die 65-Jährige muss in zweieinhalb Wochen noch von der Europäischen Volkspartei (EVP) gewählt werden, doch das gilt als Formsache. Einerseits ist die CDU die größte nationale Partei in dem Verbund. Zweitens ist da noch CDU-Chef Friedrich Merz.
Für Merz war dieser Montag ein Tag ganz nach seinem Geschmack. Staatsmännisch steht er da, lächelt freundlich den vielen ausländischen Medienleuten zu. Wenn von der Leyen spricht, blickt er wohlwollend von der Seite auf sie herunter. Der Sauerländer ist mindestens einen Kopf größer, Erinnerungen werden wach an ein anderes CDU-Paar, an Kanzler Helmut Kohl und seine spätere Nachfolgerin Angela Merkel, die der Pfälzer „mein Mädchen“ zu nennen pflegte. Bis Merkel ihn abservierte und später Kohls direktem Nachfolger Gerhard Schröder (SPD) schon mal zeigte, wie das geht mit den Machtspielchen. Die CDU-Politikerin setzte 2004 José Manuel Barroso als EU-Kommissionspräsidenten durch. Merkel telefonierte mit Frankreichs Staatspräsident Jaques Chirac, der zuvor Schröder und dessen Favoriten, den liberalen belgischen Ministerpräsidenten Guy Verhofstadt, unterstützt hatte. Am Ende wurde es Barroso.
Merz kennt das Spiel
Bei von der Leyens Spitzenkandidatur sind solche Spielchen nicht nötig, die in Brüssel geborene und später in Niedersachsen aufgewachsene CDU-Politikerin galt schon früh als gesetzt. Merz betont gleichwohl, er werde sich „persönlich dafür einsetzen“, dass es in Bukarest bei der EVP ebenfalls ein einstimmiges Votum für die Kandidatin gibt. Zwei Mal weist er während der Pressekonferenz darauf hin, dass er selbst schon im EU-Parlament saß. 1989 war das, nach fünf Jahren als Europaabgeordneter zog er in den Bundestag ein.
Wenn die EVP bei der Europawahl Anfang Juni genügend Stimmen auf sich vereinen kann und mit von der Leyen gewinnt, dann kann sich Merz weiter als Königinnenmacher fühlen. Andererseits ist seine Unterstützung im weiteren Verlauf mit einem gewissen Risiko behaftet, wie nicht nur das Beispiel Verhofstadt/Barroso zeigt.
Auch der CSU-Mann Manfred Weber wollte mal EU-Kommissionspräsident werden, er scheiterte überraschend unter anderem am Widerstand des Franzosen Emmanuel Macron und musste den Posten von der Leyen überlassen. Die Nachfolgerin von Jean-Claude Juncker schaffte es wiederum nur mit knapper Mehrheit ins neue Amt. Im Europaparlament erhielt sie lediglich neun Stimmen mehr als nötig. Über die Besetzung der Kommissionsleitung entscheiden zunächst die Staats- und Regierungschefs, ihr Vorschlag muss danach im EU-Parlament bestätigt werden.
Es geht auch um den Kanzlerkandidaten Merz
In Berlin zeigt sich von der Leyen siegesgewiss. Als ein Brüssel-Korrespondent sie an die knappe Abstimmung erinnert, umspielt ein feines Lächeln ihre Mundwinkel. Damals war alles eilig, damals habe sie „sofort intuitiv Ja gesagt“. Nun aber werde der gesamte Prozess besser vorbereitet, sagt sie und man ahnt, dass die Kommissionspräsidentin schon viele Gespräche geführt hat. Ob es in Straßburg reicht, wird sich zeigen. Sie sei sich, sagt von der Leyen, auch „der Unterstützung der CSU gewiss“. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber allerdings hatte am Wochenende ihre Wahl 2019 als strategischen Fehler bezeichnet und sie für einen Anstieg der Bürokratie in der EU verantwortlich gemacht.
Für von der Leyen werden es schwierige Wahlkampf-Wochen. Es gebe eine „ganz klare Trennung“ zwischen der Kandidatin und der Präsidentin von der Leyen, betont sie. Merz will sie dabei nach Kräften unterstützen. Es sei keineswegs so, dass für ihn die Bundestagswahl Priorität vor der Europawahl habe, sagt der Sauerländer und ergänzt, er werde aus der Parteizentrale heraus „einen Wahlkampf führen für Europa“.
Merz sagt, es gehe um die „Zukunft der Europäischen Union“. Er dürfte aber auch seine eigene Zukunft im Blick haben. Läuft es gut bei der Europawahl für die CDU, die EVP und Ursula von der Leyen, dann läuft es auch gut für den möglichen Unions-Kanzlerkandidaten.