Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Personal in der EU: Wie geht es nach der Europawahl weiter?

Europawahl 2024

Nach der Europawahl beginnt der Machtpoker in Brüssel

    • |
    Will Kommissionschefin bleiben: Ursula von der Leyen bei der Stimmabgabe in Burgdorf bei Hannover.
    Will Kommissionschefin bleiben: Ursula von der Leyen bei der Stimmabgabe in Burgdorf bei Hannover. Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Nach der Wahl schlägt in der Europäischen Union traditionell die Stunde des Hinterzimmers. Dorthin ziehen sich die Verhandler der EU-Mitgliedstaaten und der Fraktionen nun zurück. Für die Anwärter auf die wichtigsten europäischen Ämter beginnt damit erst der eigentliche Wahlkampf. Den mächtigsten Posten strebt die amtierende EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) an. Um der Brüsseler Behörde weitere fünf Jahre vorzustehen, trat sie für die christdemokratische Europäische Volkspartei (EVP) als Spitzenkandidatin an. 

    Hat sie als Gesicht der künftig weiterhin stärksten Kraft im EU-Parlament also die Position sicher? So einfach ist es nicht. Auf EU-Ebene werden die Ämter nicht einzeln verteilt. Vielmehr schnüren die Staats- und Regierungschefs ein sorgsam austariertes Personalpaket. Neben der Führung der Brüsseler Behörde müssen unter anderen die Spitzenämter des Ratspräsidenten, des EU-Außenbeauftragten, also des Chefdiplomaten der EU, und des Parlamentspräsidenten besetzt werden. Es geht zu wie auf einem Basar, wenn man so will.

    Amt des Kommissionspräsidenten: Die Zocker könnten das Verfahren in die Länge ziehen

    Der Vertrag von Lissabon regelt, dass der Europäische Rat mit qualifizierter Mehrheit einen Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten benennt. Das bedeutet, dass sich 55 Prozent der Mitgliedstaaten (also mindestens 15 Länder), die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Union ausmachen, hinter von der Leyen stellen müssten, falls sie denn vom deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nominiert wird. 

    Das könnte bereits am 17. Juni bei einem informellen Dinner in Brüssel passieren. Wahrscheinlicher ist, dass man sich beim EU-Gipfel Ende des Monats einigen wird. Oder erst im Juli oder gar September. „Zu wissen, in welche Richtung es geht, würde Ruhe und Stabilität in den Juni hineinbringen“, sagte ein hochrangiger EVP-Politiker. Er hofft auf zügige Entscheidungen, doch ausgemacht ist das keinesfalls. Werden sich die Zocker durchsetzen und das Prozedere in die Länge ziehen? Unterstützt Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron tatsächlich den Ex-Zentralbankchef Mario Draghi aus Italien als Kommissionspräsident, wie spekuliert wurde? Oder wollte er einfach für Unruhe sorgen, um den anderen Zugeständnisse abzuringen? 

    Tour durch Europa vor der Wahl: Von der Leyens Schattenkampagne

    Von der Leyen tourte in den vergangenen Wochen durch Europa, um Bürgernähe zumindest anzudeuten. In Wahrheit hatten diese Reisen ein weiteres Ziel. Von der Leyen führte eine Art Schattenkampagne. Die Deutsche traf in jedem EU-Land die jeweiligen EVP-Spitzen, vorneweg die Staats- und Regierungschefs. Ganz nebenbei natürlich. Deren Unterstützung braucht sie in den nächsten Wochen, wenn ihre Bewerbung um eine zweite Amtszeit erfolgreich enden soll. 

    Falls sie als Wunschkandidatin der Staats- und Regierungschefs vorgeschlagen wird, muss das EU-Parlament im Anschluss mit absoluter Mehrheit zustimmen. Es ist die letzte Hürde – und eine Herausforderung. 2019 etwa kam von der Leyen gerade einmal auf neun Stimmen mehr als notwendig. Auf der Suche nach mehr Unterstützern flirtet die 65-Jährige deshalb mit den Rechtspopulisten von Giorgia Meloni. Die Vertreter der Fratelli d’Italia könnten am Ende die politische Zukunft der Deutschen bestimmen. Oder verliert von der Leyen durch ihr Angebot einer losen Kooperation mit den Italienern den Rückhalt der Sozialdemokraten? Zum ersten Mal in der neuen Legislaturperiode kommen die Europaabgeordneten am 16. Juli zusammen. Fällt ein Kandidat durch, heißt es – Zurück auf Los. Dann müssen die 27 Staats -und Regierungschefs binnen eines Monats einen neuen Vorschlag präsentieren.

    Wird António Costa Ratspräsident?

    Sollte von der Leyen aus der konservativen Parteienfamilie für den mächtigsten Job gesetzt sein, könnte die Ratspräsidentschaft an einen Mann aus einem der kleineren EU-Länder gehen. Als zweitstärkste Kraft werden die Sozialdemokraten vermutlich Ansprüche anmelden. Der Ratspräsident fördert im besten Falle Kompromisse zwischen den Mitgliedstaaten, sollte also Koordinator und geschickter Verhandler sein. Vonseiten der Staatenlenker gilt als Vorbedingung zudem die eigene Regierungserfahrung. Der Name des ehemaligen Premiers aus Portugal, António Costa, geistert seit Monaten durch Brüssel. Als Nachfolgerin für den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell wird derweil die estnische Regierungschefin Kaja Kallas gehandelt. Damit kämen die Liberalen zum Zug und die Erwartungen der Osteuropäer auf einen prominenten Posten in Brüssel wären ebenfalls erfüllt. Kallas dürfte in den vergangenen Wochen nicht ganz zufällig so häufig in Berlin geweilt haben. 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden