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Europawahl 2024: Warum das Desinteresse von Politik und Wählern so gefährlich ist

Kommentar

Ein bisschen Wahlkampf, bitte!

Peter Müller
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    ARCHIV - 08.05.2024, Hessen, Frankfurt/Main: Ein Radfahrer fährt im Stadtteil Sachsenhausen an Großplakaten von FDP (l-r), CDU, SPD und Freien Wählern zur Europawahl vorbei (Aufnahme mit längerer Verschlusszeit). Nur noch einen Monat bis zur Europawahl: Am 9. Juni können in Hessen laut Statistischem Landesamt etwa 4,85 Millionen Wahlberechtigte ihr Kreuzchen machen. (zu dpa: «FDP attackiert im Wahlkampfendspurt von der Leyen») Foto: Arne Dedert/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
    ARCHIV - 08.05.2024, Hessen, Frankfurt/Main: Ein Radfahrer fährt im Stadtteil Sachsenhausen an Großplakaten von FDP (l-r), CDU, SPD und Freien Wählern zur Europawahl vorbei (Aufnahme mit längerer Verschlusszeit). Nur noch einen Monat bis zur Europawahl: Am 9. Juni können in Hessen laut Statistischem Landesamt etwa 4,85 Millionen Wahlberechtigte ihr Kreuzchen machen. (zu dpa: «FDP attackiert im Wahlkampfendspurt von der Leyen») Foto: Arne Dedert/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Arne Dedert

    Schließt sich Europa den Strafzöllen der USA gegen chinesische Elektroautos an oder nicht? Wer hat das beste Rezept, um zu verhindern, dass die Wirtschaft in der EU von Wettbewerbern wie den USA noch weiter abgehängt wird? Und, wie lässt sich der Rechtsruck, der weite Teile der EU erfasst hat, in Deutschland vermeiden, vor allem bei den 16- bis 18-Jährigen, die erstmals an einer Europawahl teilnehmen dürfen?

    Das sind nur einige der Fragen, die sich mit Blick auf die Wahl stellen, zu der die Bürgerinnen und Bürger in weniger als zwei Wochen aufgerufen sind. Doch wer nach Diskussionen oder Debatten sucht, nach Wahlkampf also, der sieht sich in diesen Tagen zumeist vergeblich um. Sicher, das Interesse an Europawahlen war (zu Unrecht) noch nie besonders hoch. Und auch die Tatsache, dass der Kandidat für den Posten des Kommissionschefs, Manfred Weber, vor fünf Jahren trotz seines Wahlsieges von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schnöde zur Seite geschoben wurde, hat wenig zur Begeisterung für die europäische Demokratie beigetragen, zumal in Bayern

    Europawahl 2024: Das Desinteresse ist gefährlich

    Doch das Desinteresse kommt zu einem gefährlichen Zeitpunkt. Denn die Segnungen und Erfolge des europäischen Projekts – Frieden, ein wirtschaftsstarker Binnenmarkt, grenzenloses Reisen – sind heute längst nicht mehr selbstverständlich. Im Gegenteil: Krieg ist nach Europa zurückgekehrt, und so, wie es derzeit aussieht, droht Russland gegen die Ukraine die Oberhand zu gewinnen. In der Weltwirtschaft wächst der Protektionismus – Gift insbesondere für Deutschlands Unternehmen, die auf offene Märkte angewiesen sind. Und auch das Europa ohne Binnengrenzen gerät unter Druck, wenn die Flüchtlingszahlen im Sommer wieder steigen sollten. 

    Es steht also viel auf dem Spiel, und für die Politik wäre die Gelegenheit günstig (auch weil es bis zur nächsten Bundestagswahl noch fast eineinhalb Jahre sind), heute mit den Wählerinnen und Wählern die großen Themen zu besprechen – und Alternativen klar zu benennen. Doch davon kann leider keine Rede sein. 

    Ein gutes Beispiel dafür ist die Frage, wie CDU und CSU und ihre Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen nun eigentlich zum Klimaschutz stehen. Der sogenannte Grüne Deal, das Versprechen, in Europa spätestens ab 2050 CO₂-neutral zu leben und zu wirtschaften, ist das Vorzeigeprojekt der deutschen Kommissionschefin, ein Vorhaben, dessen Tragweite sie gern mit der der Mondlandung vergleicht. Dumm nur, dass CDU und CSU wild entschlossen sind, einen Kernpunkt eben jenes Projekts abzuräumen, nämlich das Verbot, ab 2035 neue Autos mit Verbrenner-Motor in Europa zu verkaufen. Was gilt nun? Das, was die Kandidatin sagt, oder das, was CDU und CSU plakatieren?

    Welche Ideen haben die Parteien für Europa?

    Ähnlich sieht es in Wirtschafts- und Finanzpolitik aus. Auch in Europa gibt es eine Debatte, die sich mit der um die deutsche Schuldenbremse vergleichen lässt. Von der Leyen kann sich (ähnlich wie Macron, der, nebenbei bemerkt, für ihre Wiederwahl weit entscheidender ist als CDU-Chef Friedrich Merz) gut vorstellen, mehr europäische Schulden nach Vorbild des gigantischen EU-Corona-Aufbauprogramms aufzunehmen, etwa, um in die Energiewende zu investieren oder die Ukraine zu unterstützen. CDU und CSU hingegen lehnen neue europäische Schulden ab. Auch hier stellt sich die Frage: Was bekommt man denn nun, wenn man der Union seine Stimme gibt?

    Die politische Willensbildung in Europa ist schon zu normalen Zeiten kaum zu durchschauen, Verantwortung schwer zu verorten. Brüssel steht nicht umsonst im Ruf, kompliziert und bürgerfern zu sein. Auch deshalb wäre jetzt eine gute Gelegenheit für Parteien und Kandidaten, klarzumachen, welche Ideen sie für Europas Zukunft haben und, viel grundsätzlicher, was auf dem Spiel steht – für Europa und für uns alle. Ein bisschen Wahlkampf, bitte! 

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