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Europäische Union : Klar und deutlich: Von der Leyen bleibt Kommissionspräsidentin

Europäische Union

Klar und deutlich: Von der Leyen bleibt Kommissionspräsidentin

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    Ursula von der Leyen (CDU) freut sich nach der Auszählung der Stimmen im Plenarsaal des Europäischen Parlaments auf die Wiederwahl zur EU-Kommissionspräsidentin.
    Ursula von der Leyen (CDU) freut sich nach der Auszählung der Stimmen im Plenarsaal des Europäischen Parlaments auf die Wiederwahl zur EU-Kommissionspräsidentin. Foto: Philipp von Ditfurth, dpa

    Es war 9.23 Uhr am Donnerstagmorgen und Ursula von der Leyen noch nicht einmal bei der Hälfte ihrer Rede angelangt, als sich eine bemerkenswerte Szene im Plenarsaal des Straßburger EU-Parlaments zutrug. Gerade hatte die amtierende Kommissionspräsidentin den Ungarn Viktor Orbán scharf für seine jüngste Reise nach Moskau angegriffen und unter Anspielung auf die britische Beschwichtigungspolitik gegenüber Adolf Hitler im Zweiten Weltkrieg gemeint, dass „diese sogenannte Friedensmission“ nichts anderes gewesen sei als „eine Appeasement-Mission“. Da klatschten einige EU-Abgeordnete in den hinteren Reihen dazwischen. „Bravo Orbán“, riefen die Rechtspopulisten provokativ. Von der Leyen wollte weitersprechen, die Unterstützung der Ukraine bekräftigen, da brandete als Antwort auf die Störer wie zum Trotz plötzlich tosender Beifall auf – von den Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen.

    Hier zeigte sie sich für alle sicht- und hörbar: Ursula von der Leyens Mehrheit. Es war die politische Mitte Europas, die geeint die Brandmauer gegen Rechtsaußen und ein Zeichen für die Verteidigung der Freiheit setzte. Wenig später wurde die deutsche Politikerin in einer geheimen Abstimmung als Brüsseler Behördenchefin wiederwählte. 401 Europaabgeordnete votierten für, 284 gegen sie, 15 enthielten sich. Da es aktuell nur 719 Volksvertreter gibt, hatte die Deutsche mindestens 360 Stimmen für eine absolute Mehrheit gebraucht. Die CDU-Frau behält damit für weitere fünf Jahre den mächtigsten Posten in der EU. Nach der Verkündung des Ergebnisses bildete sich vor der strahlenden Siegerin eine lange Schlange von Gratulanten. Hier Küsschen, dort ein Selfie – bei den meisten herrschte Erleichterung, dass sich die Union ohne Krise in die Sommerpause verabschieden kann.

    Ursula von der Leyen geizt in ihrer Rede nicht mit Pathos

    Dass von der Leyen nicht nur geschickte Machtpolitikerin, sondern Meisterin der Inszenierung ist, ist kein Geheimnis. Sie kann Pathos und natürlich geizte sie damit auch bei ihrer Bewerbungsrede nicht. Sie werde sich „immer an die bewegenden Momente erinnern, die wir gemeinsam in diesem Saal erlebt haben“, sagte sie zum Auftakt und verwies auf die Auftritte des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, „als selbst die Übersetzer ihre Tränen nicht zurückhalten konnten.“

    Kein Zufall war, dass von der Leyen Europas wütenden Landwirten viel Platz einräumte und die Hand der Versöhnung ausstreckte. Sie werde sich für ein faires Einkommen der Bauern einsetzen. „Niemand sollte gezwungen sein, gute Lebensmittel unter Produktionskosten zu verkaufen“, sagte sie auf Deutsch. Mehr noch: Die Landwirte prägten das Gesicht Europas, seien „Teil unserer Kultur“ – „und wir sind stolz auf sie.“ Dicker hätte man kaum auftragen können. Die Worte klangen wie von Manfred Weber (CSU), dem Vorsitzenden der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP), in die Ansprache diktiert. Dessen Plan zur Machtsicherung ging vollends auf, nicht nur mit der EVP-Spitzenkandidatin, sondern auch inhaltlich.

    Die neue und alte Kommissionschefin fordert eine „europäische Verteidigungsarmee“

    So legte von der Leyen den Fokus unter anderem auf Sicherheit und Verteidigung. Es sei „an der Zeit, dass wir eine echte europäische Verteidigungsarmee aufbauen.“ Außerdem solle die Verteidigungsindustrie mit einem eigenen Kommissar und mehr Geld gestärkt werden. Für die FDP reichte das nicht. Obwohl die Kommissionspräsidentin nach dem Streit um das Verbrenner-Aus einen Vorstoß für Ausnahmen für sogenannte E-Fuels versprach, stimmten die fünf Liberalen aus Deutschland geschlossen gegen von der Leyen. Als Gründe gaben sie an, dass von der Leyen europäische Gemeinschaftsschulden nicht ausgeschlossen und die Schaffung des Amts eines EU-Wohnungsbaukommissars angekündigt hatte, was wiederum eine der Kernforderungen der sozialdemokratischen S&D-Fraktion darstellte. Die hatte außerdem als Bedingung für die Unterstützung von der Leyens formuliert, dass die rechtskonservative Fraktion EKR, zu der auch die Fratelli d’Italia von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gehören, nicht öffentlich für von der Leyen stimmt.

    Hinter den Kulissen wurde das Vorgehen der Sozialisten als „bizarr“ bezeichnet. Doch die EKR spielte das Spielchen mit – und sprach offiziell keine Wahlempfehlung aus, obwohl sich viele hinter von der Leyen gestellt haben dürften. Immerhin erfüllte die Deutsche auch die Wünsche in Sachen Migration. Die EU müsse ihre Außengrenzen besser schützen. Die Grünen wurden derweil bedient, indem von der Leyen versprach, das Ziel der EU-Kommission, die Treibhausgasemissionen bis 2040 um mindestens 90 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken, gesetzlich zu verankern.  

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    6 Kommentare
    Wolfgang Leonhard

    Eine gute Nachricht für die EU und Deutschland. Gleichzeitig zeichnet sich eine neue starke Achse zwischen Deutschland und Großbritannien ab, da Scholz und der neue Premier Starmer eng zusammenarbeiten wollen - insbesondere auch in der Ukraine-Politik.

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    Helmut Eimiller

    Herr Leonhard, Sie wissen schon, Großbritannien ist nicht mehr EU-Mitglied. Aber zwei verschiedene Fahrzeuge mit einer gemeinsamen Achse wäre wirklich mal was Neues.

    Helmut Eimiller

    Man kann froh sein, dass das nochmal gutgegangen ist. Aber nach allem was ich bisher gelesen habe, viel Konkretes oder gar Neues hatte die Rede von Frau von der Leyen nicht enthalten. Doch ja, neu ist ein eigener Kommissar für die Verteidigungsindustrie. Ansonsten werde sie z. B. einen Plan für erschwingliches Wohnen entwickeln. Auch sei es „an der Zeit, dass wir eine echte europäische Verteidigungsarmee aufbauen.“ Was hierbei die Zeit angeht, schrieb die Zeit bereits 2018: „Nun. Schon 1991 wollte Helmut Kohl eine länderübergreifende europäische Armee. 1996 forderte der französische Premier Alain Juppé sie und bekam Zuspruch aus Deutschland. 2005 warb auch Wolfgang Schäuble dafür. … Manche Debatten wiederholen sich. Interessanter ist, was sich wirklich getan hat in all den Jahren. Um das einzuordnen, hilft eine Präzisierung. Was ist mit dem Begriff europäische Armee oder EU-Armee eigentlich gemeint?“

    Jochen Hoeflein

    Es wird also in gewohnter Weise weiter gewurschtelt. Obwohl bei der Europawahl abgestraft werden die Grünen weiterhin am Brüssler Kuchen beteiligt, weil es Frau v.d. L so will- keine klare Linie in Sachen Klimapolitik. Und natürlich die UA unterstützen ohne zeitliche Begrenzung zu Lasten der Mitgliedsländer.

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    Helmut Eimiller

    Heilsbringer laufen eben Gefahr, jämmerlich unterzugehen. Nach Markus Lanz (gestern) wird mittlerweile in Ostdeutschland „der Westen“ insgesamt so gesehen. Der Soziologe Mau erklärte das mit dem Gefühl der Leute, sie hätten „nicht mehr ganz so viel zu sagen, wie in dieser kleinen selbst-organisierten DDR“. Bei Errichtung eines europäischen Bundesstaats hätte man sicherlich viel erklären müssen, um solche Gefühle erst gar nicht aufkommen zu lassen. Man hat aber in der EU den bequemeren Weg gewählt und einfach dieses Ziel aufgegeben. Wie soll aber in einer EU eine gemeinsame Politik gestaltet werden, wo doch für die Nationalstaaten so gravierend unterschiedliche Bedingungen gelten. So ist u. a. zu beachten, dass einige Länder zur Neutralität verpflichtet sind, andere ihre nationale Währung beibehalten haben und auch im Bereich Justiz und Inneres gibt es „Opt-outs“. (Dänemark z. B. ist nicht an EU-Rechtsakte gebunden, die im Bereich Asyl und Einwanderung verabschiedet werden.)

    Jochen Hoeflein

    Ergänzung: Nach Presseberichten haben die Abgeordneten der Meloni Partei als Reaktion auf die Kungelei um die Wiederwahl von v.d.L gegen sie gestimmt.

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