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Europäische Union: Finale Runde im Streit um EU-Gelder für Ungarn

Europäische Union

Finale Runde im Streit um EU-Gelder für Ungarn

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    Das Verhältnis zwischen dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist von ständigen Spannungen geprägt.
    Das Verhältnis zwischen dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist von ständigen Spannungen geprägt. Foto: Etienne Ansotte, dpa

    Es dürfte das meistgehörte Wort aus dem Mund von Viktor Orban sein, wenn es um Europa geht: „Nem.“ Nein zu einer globalen Mindeststeuer für Unternehmen. Nein zu weitreichenden Sanktionen gegen Russland. Nein zum milliardenschweren Hilfskreditpaket für die Ukraine. Die Veto-Politik des ungarischen Regierungschefs nimmt zu – und der Widerstand in Brüssel offenbar ab. Denn Budapest könnte schon bald die blockierten 5,8 Milliarden Euro aus dem Corona-Wiederaufbaufonds erhalten. Und auch vom Vorhaben, 7,5 Milliarden Euro an Fördermitteln zu streichen, scheint die EU-Kommission abzurücken und verweist auf 17 Reformen, auf die sich die beiden Seiten für einen besseren Kampf gegen die systemische Korruption geeinigt hatten.

    EU-Kommission will Einschätzung abgeben, ob Ungarn Versprechen umsetzt

    Seit Jahren beklagen Beobachter den Missbrauch von Geldern in dem osteuropäischen Land, den Abbau der Medienfreiheit und massive Verstöße gegen Prinzipien des Rechtsstaats. Deshalb hatte die Kommission im April den Rechtsstaatsmechanismus gegen den Dauersünder ausgelöst. Das im EU-Haushalt verankerte Instrument erlaubt es ihr als Hüterin der europäischen Verträge, einem Land Fördermittel zu kürzen oder zu streichen, wenn die Gefahr besteht, das Geld könnte missbräuchlich verwendet werden.

    Die 17 Maßnahmen umfassen etwa die Einrichtung einer unabhängigen Aufsichtsbehörde, die Korruptionsfälle untersuchen soll, oder die Pflicht, dass sich bei öffentlichen Ausschreibungen mehr als ein Anbieter bewirbt. Spätestens bis Mitte nächster Woche will die Kommission ihre Einschätzung abgeben, ob die Versprechen, im EU-Jargon „Meilensteine“ genannt, umgesetzt sind. Während man in der Arbeitsgruppe die deutlichen Fortschritte lobt, herrscht im Europaparlament jetzt schon Ärger – und zwar fraktionsübergreifend.

    Für viele Abgeordnete reichen die eingeleiteten Schritte keineswegs aus. Mehr noch: Sie sehen nur drei der Maßnahmen als erfüllt an, wie der Grünen-Parlamentarier Daniel Freund kritisierte. Hinzu komme, dass lediglich zwei der Reformen überhaupt geeignet seien zu verhindern, dass EU-Gelder weiterhin in die Taschen von Orbans Kumpels wanderten. „Und nicht eine einzige beschäftigt sich mit der Unabhängigkeit des Rechtsstaats.“

    Die EU könnte die Entscheidung bei den EU-Mitgliedsstaaten lassen

    Das Parlament mag diese Woche zwar mit breiter Mehrheit eine Resolution verabschieden, mit der es ein politisches Signal an die Kommission sendet. Ansonsten aber ist es in der Frage machtlos: Die Entscheidung liegt bei der Kommission und den Mitgliedstaaten. „Es sieht danach aus, als würde das Verfahren im Sand verlaufen, aber keiner will schuld sein“, kritisierte Freund. Tatsächlich rechnen Brüsseler Beamte mit einer „unscharfen“ Lösung, wie es ein EU-Diplomat nannte. So wird befürchtet, dass die Behörde die Schlussentscheidung den Mitgliedsstaaten überlassen und damit „den Schwarzen Peter“ den übrigen 26 Regierungen zuschieben wird.

    Am 6. Dezember wollen die Finanzminister bei ihrem Treffen über das Paket abstimmen – also einerseits über die mögliche Entziehung von Fördermitteln nach dem Rechtsstaatsmechanismus, andererseits über die Freigabe der Corona-Gelder. Um diese weiterhin zurückzuhalten, bräuchte es eine qualifizierte Mehrheit, das heißt, mindestens 15 Mitgliedsstaaten, die zusammen 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, müssten sich gegen die Auszahlung aussprechen.

    Mehrheit bei Maßnahmen gegen Ungarn scheint wegen Krisen unerreichbar

    Ein Ziel, das derzeit unerreichbar scheint. Angesichts der vielen Krisen wächst der Druck innerhalb der Gemeinschaft, bei wichtigen Angelegenheiten voranzukommen. Nur ist man zur Umsetzung auf die Stimme aus Budapest angewiesen.

    Der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner aber will das Argument nicht gelten lassen. „Wenn man das immer so weitertreibt, ist die EU komplett erpressbar.“ Außerdem: Andere Länder könnten sich ein Beispiel nehmen. „An irgendeiner Stelle muss die EU Abwehrkräfte entwickeln.“ Körner warnte: "Wenn von der Leyen Orban jetzt vom Haken lässt, ist sie persönlich dafür verantwortlich, dass der neue Rechtsstaatsmechanismus de facto tot ist.“ Auch Freund sah zunächst die Behörde in der Verantwortung. „Orban hat die EU zwölf Jahre an der Nase herumgeführt.“ Dass man jetzt ein Verfahren einstellen wolle auf Basis seiner Versprechen, sei „komplett unglaublich“.

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