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Europäische Union: Die EU will ihre Schuldenregeln reformieren

Europäische Union

Die EU will ihre Schuldenregeln reformieren

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    Wie kann verhindert werden, dass die EU-Mitgliedstaaten zu viele Schulden machen? Jetzt soll das Regelwerk für die Schuldenregeln reformiert werden.
    Wie kann verhindert werden, dass die EU-Mitgliedstaaten zu viele Schulden machen? Jetzt soll das Regelwerk für die Schuldenregeln reformiert werden. Foto: Jens Kalaene, dpa (Symbolbild)

    Es ist eine Debatte, die in Brüssel seit Jahren wie in der Dauerschleife läuft. Wie können die Schuldenregeln für die Eurozone reformiert und vor allem an die Realität angepasst werden? Der Stabilitäts- und Wachstumspakt sei ein Relikt aus dem 20. Jahrhundert, spottete der französische Präsident Emmanuel Macron einmal. Doch nicht nur in Paris wird schon lange mit den Füßen gescharrt.

    Auch in Italien oder Griechenland wurden die Forderungen nach laxeren Regeln immer lauter, um es strauchelnden Ländern einfacher zu machen, die nötigen Investitionen, etwa im Bereich Klimaschutz, zu schultern. Am Mittwoch legte die EU-Kommission nun ihren Vorschlag für eine Reform vor. Im Kern empfiehlt sie neue, individuell verhandelte Schuldenabbaupläne für jeden einzelnen Mitgliedstaat, die dann vom Rest der Partner gebilligt werden müssten. Hoch verschuldete Staaten sollen nach dem Willen der Brüsseler Behörde mehr Zeit erhalten, um ihre Schulden zu senken und das Defizit-Ziel zu erreichen. „Wir streben ein einfacheres System fiskalischer Regeln an, mit mehr Eigenverantwortung der Länder und mehr Spielraum für den Schuldenabbau – aber kombiniert mit einer stärkeren Durchsetzung“, sagte der für Handelsfragen zuständige Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovskis.

    Der französische Präsident Emmanuel Macron gehört zu den vehementesten Kritikern an den EU-Schuldenregeln.
    Der französische Präsident Emmanuel Macron gehört zu den vehementesten Kritikern an den EU-Schuldenregeln. Foto: Mohammed Badra, dpa

    Langfristig sollen Verstöße härter bestraft werden

    Langfristig sollen Verstöße gegen die Regeln demnach härter bestraft werden. Der Lette nannte den Vorschlag einen „echten Fortschritt gegenüber der heutigen Situation“. Der EU-Parlamentarier Joachim Schuster (SPD) sprach derweil von einem „Drahtseilakt“. Zwar sei es mit Blick auf die unterschiedlichen Schuldenstände innerhalb der EU „sinnvoll und notwendig“, mehr Flexibilität zuzulassen. „Doch dafür brauchen wir nachvollziehbare und klare Kriterien, die für alle gleichermaßen gelten.“ Die Grünen-Europaabgeordnete Henrike Hahn begrüßte die „Integration der Haushaltspläne in die nationalen Energie- und Klimapläne“ als „positiven Schritt nach vorn“.

    Die zwei zentralen Richtwerte des „Stabi-Pakts“ bleiben laut Vorschlag unangetastet. Darauf hatten fiskalisch konservative Länder wie Deutschland und Österreich bestanden, klassisch jene Staaten, die auf Haushaltsdisziplin drängen. So erlauben die Vorgaben den EU-Ländern eine jährliche Neuverschuldung von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und eine Gesamtverschuldung von höchstens 60 Prozent. Die Maastricht-Kriterien sollen eigentlich sicherstellen, dass die Schulden in der Eurozone nicht völlig aus dem Ruder laufen. Normalerweise müssen Staaten pro Jahr fünf Prozent der Schulden, die über der 60-Prozent-Marke liegen, zurückzahlen. Normal ist derzeit aber kaum noch etwas. Wegen der Corona-Pandemie liegen seit Frühjahr 2020 die strikten Haushaltsregeln auf Eis, um den damals unter Lockdowns ächzenden Ländern milliardenschwere Wirtschaftshilfen zu ermöglichen.

    Strafmaßnahmen drohen erst nach 2024

    Noch bis 2024 sieht die Brüsseler Behörde von Strafmaßnahmen ab. Insbesondere für das Wachstum in Ländern wie Italien wäre die Durchsetzung der Regeln verheerend. Deshalb soll ein reformierter Pakt greifen, wenn die Vorgaben wieder in Kraft treten. Die Werte wurden nämlich selbst vor 2021 von kaum einem Mitgliedstaat eingehalten, inklusive Deutschland. Brüssel kapituliert also mit dem neuen Vorschlag vor der Realität - und versucht, sich in gewisser Weise anzupassen. Die Frage bleibt, wie die beiden Seiten im Kreis der Gemeinschaft zusammenfinden werden. Im Dezember sollen die 27 Finanzminister das Diskussionspapier besprechen.

    Einige Kritik kam denn auch von deutscher Seite. Hätte die Kommission die Schuldenregeln von Anfang an konsequent durchgesetzt, bräuchte es keine Reform, befand der EU-Parlamentarier Markus Ferber (CSU) und warnte: „Wir steuern mit hohem Tempo auf die nächste Staatsschuldenkrise zu.“ Was Europa nun nicht gebrauchen könne, sei „mehr Flexibilität bei den Schuldenregeln“. Auch Nicola Beer (FDP), Vizepräsidentin des EU-Parlaments, lehnte die Idee ab. Eine bilaterale Aushandelspraxis zwischen der Kommission und einzelnen Mitgliedstaaten würde „in eine stabilitätspolitische Sackgasse führen“. Damit wäre ihr zufolge jeder Hauch von Verlässlichkeit vorbei.

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