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Europäische Union: Deutschland ist im Asylstreit isoliert

Europäische Union

Deutschland ist im Asylstreit isoliert

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    Die Innenminister der EU-Staaten wollen sich am Donnerstag zu zentralen Punkten der Asylreform austauschen. Deutschland steht weitgehend alleine da.
    Die Innenminister der EU-Staaten wollen sich am Donnerstag zu zentralen Punkten der Asylreform austauschen. Deutschland steht weitgehend alleine da. Foto: Jens Kalaene, dpa

    Wenn es dieser Tage in EU-Kreisen um das Thema Asylpolitik geht, wird stets ein Wort bemüht: Momentum. Brüsseler Diplomaten wollen es erkennen und die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach kürzlich gar von einem "historischen Momentum". Ob es jedoch genügt und auch "effizient" ist, wie ein EU-Beamter sagte, ist keinesfalls ausgemacht. Denn historisch im negativen Sinne ist auch der jahrelange Streit im Kreis der Staatengemeinschaft um die Reform des gemeinsamen Asylsystems. Am heutigen Donnerstag treffen sich die 27 EU-Innenminister in Luxemburg. Gelingt ihnen endlich der Durchbruch? Ob es zu einer qualifizierten Mehrheit kommt, ob also 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, zustimmen, dürfte am Ende an Deutschland und Italien liegen. 

    Im Mittelpunkt steht der Plan, dass es für Migranten an den EU-Außengrenzen Vorprüfungen für Asylverfahren geben soll, sogenannte verpflichtende Grenzverfahren. Diese sollen in allen Mitgliedstaaten harmonisiert ablaufen, sodass sich künftig keine Schlupflöcher mehr auftun können. 

    Knickt Berlin im EU-Asylstreit ein, droht Streit in der Ampelkoalition

    Auch wenn die Deutschen das Vorhaben im Grundsatz mittlerweile unterstützen: Sie pochen auf Ausnahmen mit Verweis auf Einhaltung von humanitären Standards. Nur laufen die Diskussionen auf Bundesebene völlig gegensätzlich zu jenen auf europäischem Level. Zur Wahrheit gehört, dass die Bundesregierung mit ihren Wünschen in Sachen Migration ziemlich isoliert dasteht, wenn man mal von Luxemburg als zuverlässigem Partner absieht. Knickt Berlin aber in zentralen Punkten ein und stimmt einem schwächeren Ergebnis zu, droht Streit in der Ampelkoalition. Eine Forderung scheint bereits abgeräumt. Berlin wollte eigentlich durchsetzen, dass Familien mit Kindern solche Grenzverfahren erspart bleiben. Mittelgut stehen die Chancen, unbegleitete Minderjährige auszunehmen. Die Franzosen und Niederländer beschreiben eben jene Personengruppe als Hauptproblem.

    Asylpolitik der EU: Gleichgewicht zwischen Solidarität und Verantwortung finden

    Die Auseinandersetzung dreht sich vor allem darum, ein Gleichgewicht zwischen Solidarität und Verantwortung zu finden. Die Mittelmeerstaaten Italien, Zypern, Griechenland, Malta und Spanien fordern mehr Solidarität bei der Aufnahme von Asylsuchenden. Sie klagen, dass ihnen zu viel Verantwortung aufgebürdet wird, während Länder in Ost-, aber auch Nordeuropa kritisieren, dass die Solidarität bereits zu sehr im Vordergrund steht. Als möglicher Kompromiss wird verhandelt, dass sich Länder wie Ungarn, Polen oder Österreich in klassischer EU-Manier aus der Verpflichtung, Flüchtlinge aufzunehmen, freikaufen können. Die Rede ist von rund 20.000 Euro pro Asylbewerber. 

    Die Geldfrage ist brisant, aber nicht entscheidend, betonen derweil Diplomaten. Als wichtig gilt Deutschland oder Frankreich vor allem, dass jene Länder an den Außengrenzen mehr Verantwortung übernehmen, indem sie nicht wie derzeit üblich Asylbewerber einfach weiterschicken, sondern Zentren betreiben und dort alle irregulär ankommenden Menschen erfassen. Von Haft will niemand sprechen, Kritiker aber befürchten schon jetzt haftähnliche Zustände. In diesen Einrichtungen würden die Verfahren laut Plan bis zu einer Zahl von 30.000 durchgeführt. 

    Mehrere Staaten wollen Grenzverfahren außerhalb der EU verlagern

    Doch nicht nur das. So würden zahlreiche Staaten gerne noch weiter gehen und die Möglichkeit erhalten, Grenzverfahren in ein Nicht-EU-Land auszulagern. Der Plan könnte mit Ruanda-Szenario oder Niger-Modell überschrieben werden, das Ziel lautet dasselbe: Jene Menschen, die in der EU kaum Aussicht auf Asyl haben, etwa wenn sie aus Indien oder Marokko stammen, sollen in einem Drittstaat wie Ruanda überprüft werden und während des Verfahrens, das bis zu 14 Wochen dauern kann, auf ihre Abschiebung warten. 

    Deutschland aber wehrt sich, fordert ein sogenanntes Verbindungselement. So will die Bundesregierung festlegen, dass es einen Link gibt zwischen dem Antragsteller und dem Drittstaat, wo die Person in der Einrichtung ausharrt. Etwa 16 Staaten, darunter auch Österreich, lehnen die Idee des Verbindungselements jedoch ab. Sie hoffen mit dem neuen System auf einen „abschreckenden Effekt“, der mit einem derartigen Link abgeschwächt würde. Am Ende könnte eine Einigung an diesem Punkt scheitern. Einen Plan B gibt es laut Insidern nicht. Allein, man könnte in zwei Wochen ein weiteres Sondertreffen anberaumen.

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