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Europäische Union: Als sei nichts gewesen: So steht es um EU-Skandalpolitikerin Eva Kaili

Europäische Union

Als sei nichts gewesen: So steht es um EU-Skandalpolitikerin Eva Kaili

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    Eva Kaili war Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, bis eine Korruptionsaffäre öffentlich wurde.
    Eva Kaili war Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, bis eine Korruptionsaffäre öffentlich wurde. Foto: Eric Vidal, dpa

    Als an jenem Mittwoch im September die Abgeordneten im Rund des Straßburger EU-Parlaments beschließen, Korruption im eigenen Haus zu erschweren, sitzt ganz hinten in der letzten Reihe auch eine Frau, die sich enthalten wird. Eva Kaili nimmt an der Abstimmung teil, als handelte es sich um die natürlichste Sache der Welt. Strengere Regeln für die Annahme von Geschenken? Was ging das Eva Kaili an. Dabei ist allen voran die griechische Politikerin dafür verantwortlich, dass es überhaupt zu einer Verschärfung der Transparenzregeln kam. 

    Kaili ist das Gesicht des größten EU-Skandals der jüngeren Vergangenheit, der vor einem Jahr die Glaubwürdigkeit des Abgeordnetenhauses erschüttert hat – und bis heute Brüssel beschäftigt. Das griffige Schlagwort lautet „Katargate“. Gier, Macht und Einfluss – die Details klangen damals wie aus einem Krimi. Polizisten beschlagnahmten Tüten und Koffer voller Geldscheine, im Fokus stehen aktuelle und ehemalige Politiker. So wirft die belgische Justiz Kaili vor, Teil eines kriminellen Netzwerks gewesen zu sein, das Ländern wie Katar und Marokko gegen Bezahlung politischen Einfluss in der EU verschafft haben soll. Kaili hatte die Vorwürfe stets bestritten. 

    Eva Kaili will in der Politik bleiben

    Die 45-Jährige verbrachte vier Monate in Untersuchungshaft, getrennt von ihrer zum Zeitpunkt der Verhaftung zwei Jahre alten Tochter, und kündigte nach ihrer Freilassung Mitte April an: „Der Kampf geht weiter.“ Der besteht für sie im Moment vor allem darin, ihren Namen reinzuwaschen, wie sie sagt. Kaili hält an ihrer Version der Geschichte fest, laut der sie Opfer einer Verschwörung wurde: Weil sie im Ausschuss saß, der sich mit dem staatlichen Missbrauch der Spionagesoftware Pegasus beschäftigte, sei sie von Geheimdiensten überwacht und zur Zielscheibe auserkoren worden.

    Zwischenzeitlich versuchten die EU-Abgeordneten nach dem ersten Schock, aus der Korruptionsaffäre Lehren zu ziehen und mit einem Maßnahmenpaket Schlupflöcher zu schließen, wie die SPD-Parlamentarierin Gaby Bischoff sagt. „Das Parlament kann keine Verantwortung für die Abgeordneten übernehmen, aber es kann Verantwortung für seine Verfahren übernehmen.“ Die Enthüllungen damals hätten laut Bischoff wie ein „Boost“ gewirkt, um mehr Transparenz zu schaffen – sowohl im Parlament als auch in der sozialdemokratischen S&D-Fraktion. Der EU-Politiker Daniel Freund hätte sich noch schärfere Regeln gewünscht. „Ich bin unsicher, ob es reicht, um der Öffentlichkeit das Signal zu geben: Wir haben verstanden“, sagt der Grüne. Dass einige geplante Maßnahmen abgeschwächt wurden, schiebt er auf die Konservativen. „Es ist frustrierend, wie groß die Beharrungskräfte sind.“ 

    Abgeordnete befürchten Schaden für das ganze EU-Parlament

    Im Juli hatte die Ausgestoßene Kaili tatsächlich ihr Polit-Comeback – unwillkommen zwar, verbannt aus der Fraktion sowie entledigt des Titels der Vizepräsidentin, doch als Mitglied des Parlaments weiter mit allen Rechten ausgestattet, die mit der Funktion verbunden sind, inklusive Gehalt aus dem EU-Haushalt und der Möglichkeit abzustimmen. Viele Kollegen schütteln jedoch nur den Kopf, wenn sie dieser Tage Kaili auf dem Flur antreffen. „Natürlich stehen die finalen Entscheidungen der Justiz noch aus, aber jemand, der einen solchen Schaden angerichtet hat, läuft hier rum wie zu besten Zeiten“, kritisierte der CDU-Europaparlamentarier Dennis Radtke.

    Hinter den Kulissen heißt es, Kaili würde gerne abermals antreten bei der Europawahl im Juni 2024, doch das ist nicht nur unmöglich, weil es keine Partei gibt, die die Ex-Sozialdemokratin aufnehmen will. Ob bis dahin auch die Ermittlungen beendet sind und eine Entscheidung getroffen ist, darf ebenfalls bezweifelt werden. Derzeit nämlich liegt alles auf Eis. Kailis Anwälte hatten im September vor der zuständigen Anklagekammer Beschwerde eingelegt, weil sie der Ansicht sind, dass im Rahmen der Ermittlungen die parlamentarische Immunität der Griechin missachtet worden sei. 

    Nun haben die Beteiligten bis zum 14. Mai Zeit, die Ordnungsmäßigkeit der Untersuchungen zu überprüfen. Danach könnte der Prozess anlaufen – ausgerechnet kurz vor den EU-Wahlen. „Das wäre für alle Feinde Europas ein gefundenes Fressen“, sagt Freund. Noch schlimmer wäre seiner Meinung nach nur, falls der Rechtsfall an Verfahrensfehlern scheitert. „Es wäre ein Desaster für das Parlament und für die EU.“ 

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