Es hatte schon länger geruckelt zwischen der deutschen AfD und dem französischen Rassemblement National (RN), die bis jetzt derselben Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID) im EU-Parlament angehörten. Nun kam es nach der Verharmlosung der SS durch den AfD-Listenführer Maximilian Krah zum einseitigen Bruch. „In der nächsten Legislaturperiode werden wir nicht mehr mit der AfD zusammensitzen", kündigte Alexandre Loubet, Kampagnenleiter des RN-Spitzenkandidaten Jordan Bardella, am Dienstag förmlich an. Begründet wurde dies durch Krahs jüngste Aussagen in einem Interview mit den Zeitungen La Repubblica und Financial Times, zur Zeit des Nazis-Regimes sei nicht jeder, der eine SS-Uniform trug, kriminell gewesen. In der SS seien auch viele Landwirte gewesen. „Es gab zwar sicherlich einen hohen Anteil von Kriminellen, aber nicht nur."
Die Entscheidung des französischen Partners hatte offenbar direkte Konsequenzen für Krah. Am Mittwoch zog er sich aus dem Bundesvorstand zurück. Zweieinhalb Wochen vor der Europawahl erlegte ihm seine Partei ein Auftrittsverbot.
Le Pen geht auf Abstand zur AfD
Für den RN war die AfD schon seit längerem zu einem unbequemen Partner geworden „Eine Bewegung, die dem Einfluss ihres radikalsten Randbereichs ausgesetzt ist, scheint mir kein vertrauenswürdiger und geeigneter Partner mehr zu sein", zitierte die Zeitung Le Monde eine Aussage der RN-Frontfrau Marine Le Pen von Mitte Mai. Bardella, dessen EU-Wahlliste in Frankreich laut Umfragen mit mehr als 30 Prozent weit vor allen anderen Parteien liegt, gab sich bei Fragen nach dem deutschen Verbündeten stets schmallippig. Es handle sich um eine große Partei, auch wenn man nicht alle Positionen teile und er, Bardella, schließlich nicht „der Anwalt anderer europäischer Parteien" sei.
Sich international als gut vernetzt darzustellen, gehört mit zur Strategie der französischen Rechtsextremen. Allerdings sei die Allianz mit der AfD pragmatisch motiviert, sagt der Spezialist für politische Radikalität, Jean-Yves Camus. Es gehe um einen „gemeinsamen Auftritt der nationalen Rechten auf europäischer Ebene“. Beide Parteien seien eine Protest-Bewegung gegen die Eliten, stünden für selbstzentrierten Nationalismus und ein autoritäres Sicherheitskonzept.
Le Pens Taktik und die radikale AfD: Ein unvereinbarer Widerspruch
Allerdings hat der RN einen Kurs der „Entdämonisierung" eingeschlagen, der sich seit Jahren in immer besser werdenden Umfragewerten und Wahlergebnissen niederschlägt. Seit Le Pen die Partei 2011 von ihrem Vater, dem Parteigründer Jean-Marie Le Pen, übernommen hat, verbot sie antisemitische oder rassistische Parolen und Symbole, schloss sogar Le Pen senior aus, während das Programm inhaltlich scharf blieb wie eh und je. Sie versicherte, sie habe „kein Problem“ mit dem Islam, wenn er friedlich praktiziert werde und nahm zu Jahresbeginn mit Bardella an einem großen Marsch gegen Antisemitismus teil. Der 28-Jährige, der Parteichef ist, während sie der 89 Mitglieder zählenden Fraktion in der
Nationalversammlung vorsteht, tritt auf wie ein „idealer Schwiegersohn“: höflich, elegant gekleidet, immer bereit für ein Selfie mit Fans. Die Radikalität der AfD, die Spionagevorwürfe und Provokationen eines Björn Höcke oder Maximilian Krah, standen im Widerspruch zu Le Pens Taktik.
Le Pen und Jordan Bardella forderten Weidel auf, sich von "Remigration"-Plänen zu distanzieren
Angespannt war die Beziehung zwischen beiden Parteien bereits, seit bekannt wurde, dass im November 2023 unter anderem Politiker der AfD und einschlägige Rechtsextreme bei einem Treffen in Potsdam unter dem Stichwort „Remigration“ die Massenvertreibung von Menschen mit Einwanderungshintergrund besprachen. Nach einem Mittagessen in Paris von Weidel, Le Pen und Jordan Bardella forderten letztere von Weidel, sich schriftlich von den Plänen zu distanzieren, mit denen sie selbst „überhaupt nicht übereinstimmten“. Doch das tat die AfD-Chefin nicht, die ihre Partei in einem Brief lediglich als Opfer von Medienhetze darstellte.
Der Bruch kommt daher nicht völlig überraschend und könnte nach der EU-Wahl zu neuen Bündnissen führen. Le Pen, deren Partei bislang mit der italienischen Lega zusammenarbeit, bemüht sich um eine Annäherung an die Partei der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Auch um die Gunst des ungarischen Premierministers Viktor Orbàn ringt sie. Allianzen mit europäischen Regierungsparteien zu schließen, wäre für Frankreichs Rechtsextreme ein weiterer Schritt, um ihre eigene Glaubwürdigkeit und Regierungsfähigkeit zu beweisen. Denn fest im Blick haben sie vor allem die Präsidentschaftswahlen 2027.