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Europa: Abschiedsbesuch in Warschau: Merkel gibt Polen nicht verloren

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Abschiedsbesuch in Warschau: Merkel gibt Polen nicht verloren

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    Merkel verabschiedet sich von Polens Premier Mateusz Morawiecki.
    Merkel verabschiedet sich von Polens Premier Mateusz Morawiecki. Foto: dpa

    Polens Präsident hatte keine Zeit für die deutsche Kanzlerin. Nicht einmal für eine halbe Stunde Plauderei zum Abschied aus dem Amt. Andrzej Duda zog es am Wochenende vor, zu einer Veranstaltung nach Schlesien zu fahren, statt Angela Merkel in Warschau zu empfangen. Ein Missverständnis bei der Terminabsprache, hieß es offiziell. Einige regierungskritische Kommentatoren mutmaßten hingegen, Duda habe sich „eine kleine Rache“ gegönnt. Weil Merkel die in Polen so verhasste deutsch-russische Pipeline Nord Stream II nicht verhindert habe, die ausgerechnet am Vortag ihres Besuchs fertiggestellt wurde. Und weil die Kanzlerin vor drei Monaten, zum 30. Jahrestag des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags, kein Treffen wollte. Auch das hat man sich in Warschau offenbar gemerkt.

    Die Kanzlerin nahm Dudas Absage betont gelassen. Sie habe „volles Verständnis für die terminlichen Probleme“. Dann traf sie sich, wie geplant, mit Premier Mateusz Morawiecki und mahnte einmal mehr zum Dialog. Im Ton maßvoll und eher leise, wie Merkel das seit sechs Jahren tut. Seit dem Herbst 2015, als die rechtsnationale PiS in Polen die Regierungsmacht eroberte und ihre Frontalangriffe auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie startete. Damals begann auch jene Konfrontation mit der EU-Kommission, die nun in einer europäischen Katastrophe zu enden droht. Denn der Konflikt hat sich zuletzt derart zugespitzt, dass hochrangige PiS-Politiker bereits offen mit einem „Polexit“ liebäugeln, einem Austritt Polens aus der EU.

    PiS-Fraktionschef Ryszard Terlecki kokettiert mit dem Polexit

    „Die Briten haben gezeigt, dass ihnen die Diktatur der Brüsseler Bürokratie nicht passt, haben sich abgewandt und sind gegangen“, erklärte PiS-Fraktionschef Ryszard Terlecki kurz vor dem Merkel-Besuch und fügte hinzu: „Wir wollen nicht austreten. Aber wir können uns auch nicht zu etwas zwingen lassen, das unsere Freiheit beschneidet.“ Damit spielte Terlecki, der einer der engsten Vertrauten von PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski ist, auf die jüngste Eskalation zwischen Brüssel und Warschau an. Die EU-Kommission hatte im Streit um die polnischen Justizreformen beim Europäischen Gerichtshof eine Geldstrafe beantragt. Lenkt die PiS-Regierung nicht ein, dürfte das teuer werden. Vor allem, weil Brüssel zugleich die Zahlungen an Polen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds blockiert.

    Merkel jedoch will Polen nicht einfach so verloren geben. „Politik ist doch mehr, als nur vor Gericht zu gehen“, erklärte sie nach ihrem Gespräch mit Morawiecki. Damit durften sich alle angesprochen fühlen, nicht zuletzt der Gastgeber selbst. Denn nicht nur die EU-Kommission klagt. Der polnische Premier hat seinerseits beim eigenen Verfassungstribunal, das mit PiS-nahem Personal besetzt ist, ein Grundsatzurteil beantragt. Das Gericht soll entscheiden, ob in Streitfällen nationales oder europäisches Recht Vorrang hat. Fast alle internationalen Fachleute gehen davon aus, dass ein Urteil gegen den EU-Vorrang einem „Polexit im Bereich des Rechts“ gleichkäme. Merkel will sich auf der Zielgeraden ihrer Kanzlerschaft nun für neue Gespräche zwischen Brüssel und Warschau einsetzen.

    Letzter Staatsbesuch als Kanzlerin: Angela Merkel ist in Polen beliebt

    Viel Zeit dafür bleibt nicht, Merkels Abschied naht. In Polen trauern viele Menschen der Kanzlerin allerdings schon jetzt hinterher. „Sie ist im Land unheimlich populär“, sagt etwa Basil Kerski, der das Europäische Solidarnosc-Zentrum in Danzig leitet. Vor allem Merkels Einsatz für die deutsch-polnische Aussöhnung ist weithin anerkannt. So flog die Kanzlerin am 1. September 2019 in besonderer Mission nach Warschau. Sie wollte am 80. Jahrestag des Überfalls der Wehrmacht auf Polen ein persönliches Zeichen setzen. Damals hielten Duda und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die zentralen Reden. Merkel reiste extra an, nur um zuzuhören.

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