Mit scharfen Sanktionen wollen die Europäische Union und die USA den russischen Präsidenten Wladimir Putin von weiteren Angriffen auf die Souveränität der Ukraine abhalten. Nach der Anerkennung der abtrünnigen Provinzen Luhansk und Donezk in der Ostukraine und der Entsendung von russischen Truppen in die Region haben vor allem die EU-Länder empfindliche Gegenmaßnahmen beschlossen. Auch die umstrittene Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland liegt nach einer Entscheidung der Bundesregierung jetzt vorerst auf Eis. Sie hat das Genehmigungsverfahren am Dienstag gestoppt.
Ein erster Sanktionsplan der EU-Kommission, den die Außenminister der Mitgliedsstaaten am Dienstagabend abgesegnet haben, beschränkt sich nicht nur auf die üblichen Einreiseverbote und Vermögenssperren. Er sieht auch vor, den Handel mit russischen Staatsanleihen zu verbieten. Für die Regierung wird es damit deutlich schwieriger, sich von Banken und Investoren Geld zu leihen. Allerdings verfügt das Land noch über Devisenreserven von 600 Milliarden US-Dollar.
Putin selbst steht nicht auf der Liste der unerwünschten Personen
Außerdem sollen mehrere Hundert Personen und Unternehmen auf eine Sanktionsliste kommen, darunter 351 Abgeordnete des russischen Parlaments, die für die Anerkennung der beiden Republiken gestimmt haben, aber auch Banken, die in der Ostukraine Geschäfte machen. Die Freihandelsregelungen der EU mit der Ukraine sollen nicht mehr für die beiden prorussischen Gebiete in der Ostukraine gelten. Von den russischen Banken sollen die bestraft werden, die an der Finanzierung russischer Militäroperationen und anderer Projekte in den Separatistengebieten beteiligt sind. Nur ein Name fehlte in der langen Liste: der von Wladimir Putin.
Die Sanktionen sollen noch in dieser Woche in Kraft treten. Es sei wichtig, jetzt „sofort und zügig“ zu reagieren, betonte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Von Personen, Organisationen und Unternehmen, die auf der Sanktionsliste stehen, werden alle in der EU vorhandenen Vermögenswerte eingefroren. Zudem dürfen darauf gelistete Personen nicht mehr in die EU einreisen und mit den Betroffenen dürfen keine Geschäfte mehr gemacht werden.
Für den Fall, dass Russland tatsächlich die ganze Ukraine angreift, hat die EU-Kommission bereits weitere, noch schärfere Sanktionen durchgespielt. Zu ihnen gehören unter anderem Ausfuhrverbote für Hightech-Technologie nach Russland. Als weitere Gegenmaßnahme hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Putin die Abkopplung des russischen Finanzsektors vom internationalen Zahlungssystem Swift angedroht. Das Instrument ist äußerst scharf. Als der Iran damit belegt wurde, schickte das seine Wirtschaft in den Abschwung.
US-Präsident Biden: Für Putins Vorgehen gibt es keine Rechtfertigung
Auch die USA haben bereits Sanktionen auf den Weg gebracht. So ist es Amerikanern verboten, in Donezk und Luhansk Geld zu investieren oder dort Handel zu treiben. Außerdem kündigte US-Präsident Joe Biden am Abend Strafmaßnahmen gegen zwei russische Banken und mehrere Unterstützer Putins an. Und wie EU-Europa will auch die Regierung in Washington Russland möglichst weitgehend vom Zugang zu den internationalen Finanzmärkten abschneiden. „Für Putins Vorgehen gibt es keine Rechtfertigung“, betonte Biden. Er sehe in Putins Politik „den Beginn einer Invasion in der Ukraine.“
Ähnlich wie die USA hat auch Großbritannien fünf russische Banken sowie drei wohlhabende russische Staatsbürger mit Sanktionen belegt. Deren Vermögen werde eingefroren und Reisen nach Großbritannien unterbunden, sagte Premierminister Boris Johnson. Weitere Sanktionen könnten folgen.
Um Russland zu bremsen, hat Scholz sogar ein politisches Symbol geopfert und das umstrittene Pipeline-Projekt gestoppt. „Wir müssen jetzt die dramatisch veränderte Lage neu bewerten. Das gilt auch für Nord Stream 2“, erklärte er. Den Preis dafür zahlen Verbraucher und Unternehmen in Deutschland. Die Preise für Gas, Öl und Kohle gingen bereits am Dienstag steil nach oben. Russland ist ein entscheidender Lieferant der Brennstoffe. Bei Gas deckt es über die Hälfte des deutschen Bedarfs. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) rechnet deshalb damit, dass die Energierechnungen in Deutschland künftig noch höher ausfallen werden.
Russland ist selbst Abhängig vom Verkauf seiner Bodenschätze
Dass Russland den Export seiner Bodenschätze einstellt, ist allerdings nicht zu erwarten. Das Land benötigt die Einnahmen aus dem Verkauf. Fast die Hälfte des Staatshaushaltes hängen am Export von Öl, Gas und Kohle. Putin hat bereits angekündigt, dass die Belieferung weitergehe. Die Europäische Union hat auf der anderen Seite kurzfristig wenig Spielraum, im Winter den eigenen Energieverbrauch zu drosseln.
Putin selbst wies den Vorwurf zurück, er strebe eine Wiedererrichtung eines Imperiums nach sowjetischem Vorbild an. „Das entspricht absolut nicht der Wirklichkeit“, sagte er. Bei einer Fernsehansprache hatte er am Montag erklärt, dass die Ukraine ihre Existenz dem russischen und dem kommunistischen Imperium zu verdanken habe. Er stellte auch die Staatlichkeit der früheren Sowjetrepublik infrage. Im Westen gibt es seit langem Vorwürfe, Putin wolle aus einem Phantomschmerz der verlorenen Großmacht heraus ein neues Imperium schaffen. Das Oberhaus des Parlaments hat einem Truppeneinsatz in der Ostukraine bereits zugestimmt.