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EU-Korruptionsskandal: Abgesetzte Vizepräsidentin des EU-Parlaments Kaili bleibt in Haft

EU-Korruptionsskandal

Abgesetzte Vizepräsidentin des EU-Parlaments Kaili bleibt in Haft

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    Die Festnahme von Eva Kaili löste den Korruptionsskandal im EU-Parlament aus.
    Die Festnahme von Eva Kaili löste den Korruptionsskandal im EU-Parlament aus. Foto: Eric Vidal, picture alliance/dpa/European Parliament

    Die Trockenwurst von einer italienischen Kollegin darf ohne Zweifel zu den nützlichen Geschenken gezählt werden. Und auch die Deutschen – wen würde es überraschen? – wählten für Roberta Metsola ein praktisches Präsent: Vom Bundestag bekam die Präsidentin des Europäischen Parlaments kabellose Kopfhörer überreicht. Dagegen klingen Gaben wie eine blaue Schaf-Statuette von einer Schule, ein dekorativer Teller vom usbekischen Botschafter oder ein goldener Modellturm von einer marokkanischen Politikerin eher nach Museumsinventar. Behalten hat Metsola die Gegenstände ohnehin nicht. Weil man angesichts des Korruptionsskandals aber versuche, „so transparent wie möglich zu sein“, wie ihr Büro betonte, legte die 44-jährige Maltesin die Liste der rund 140 Geschenke, die ihr seit Anfang vergangenen Jahres übergeben wurden, nun offen.

    In der Vergangenheit war dies unüblich. Doch dieser Tage kämpft das Hohe Haus Europas um seine Glaubwürdigkeit, Metsola leitet die politischen Aufräumarbeiten. Der Korruptionsskandal um die mittlerweile abgesetzte Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, hat die Institution bis ins Mark erschüttert – und noch ist kein Ende von „Katargate“ in Sicht.

    Kaili bleibt nach Korruptionsskandal im EU-Parlament in Haft

    Am Donnerstag wurde die griechische Sozialdemokratin, die gegen Geld die Interessen des Golfstaats vertreten haben soll und der Geldwäsche sowie die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung zur Last gelegt werden, erneut vom Haftrichter angehört. Die Entscheidung folgte am Abend: Kaili bleibt vorerst hinter Gittern. Die Bundesanwaltschaft sei der Ansicht, dass alle Risiken bestünden: „Fluchtgefahr, die Gefahr von Absprachen mit Dritten und die Gefahr der Vernichtung von Beweisen."

    Dutzende Journalisten hatten sich bereits am Morgen in der Eingangshalle des Brüsseler Justizpalasts gedrängelt. Ihre Anwälte wollten erneut die Freilassung ihrer Mandantin erreichen. Gleichwohl beklagten sie die Zustände. 16 Stunden lang sei Kaili Mitte Januar auf Anordnung des Untersuchungsrichters in Einzelhaft in einer Polizeizelle festgehalten worden, behauptete ihr Rechtsbeistand – „in der Kälte“. Eine zweite Decke sei ihr jedoch verwehrt worden. „Das ist Folter wie im Mittelalter“, befand Michalis Dimitrakopoulos aus ihrem Team.

    Deal des mutmaßlichen Drahtziehers mit der Justiz führt zu Unruhe im EU-Parlament

    Im Parlament in Straßburg herrschte diese Woche derweil zusätzliche Unruhe, nachdem bekannt wurde, dass der mutmaßliche Drahtzieher des Skandals, der italienische Ex-Abgeordnete Pier Antonio Panzeri, einen Deal mit der belgischen Justiz ausgehandelt hat. Der „Reuige“, wie belgische Medien Panzeri tauften, will auspacken. Wen will er verpfeifen? Wie weit reicht die Affäre in die Abläufe und Praktiken der EU-Institution hinein? Und sind neben Katar und Marokko noch andere Länder beteiligt? Das große Zittern hat begonnen.

    „Eine lebende Zeitbombe im Dienst von Gerechtigkeit und Wahrheit“, überschrieb die belgische Zeitung Le Soir das Bild des Italieners. Im Gegenzug fürs Ausplaudern soll seine Strafe verringert werden. Berichten zufolge kann er auf fünf Jahre Haft, davon vier auf Bewährung, hoffen. Während seine Vermögenswerte, die auf eine Million Euro geschätzt werden, eingezogen werden sollen, droht ihm zudem eine Geldstrafe. Die Vereinbarung à la Strafmilderung gegen Informationen bezieht sich auf einen Artikel in der belgischen Strafprozessordnung, der für „reuige Verdächtige" gilt.

    Ein EU-Parlamentarier könnte besonders im Fokus stehen

    Offenbar hat Panzeri, der von 2004 bis 2019 als Volksvertreter im EU-Parlament saß, bei seinen Enthüllungen vor allem einen Politiker im Fokus: den belgischen Europaparlamentarier Marc Tarabella. Das Verfahren zur Aufhebung seiner Immunität läuft, die Vorwürfe gegen den 59-jährigen Sozialdemokraten wiegen schwer. So behauptet Panzeri, Tarabella habe von ihm zwischen 120.000 und 140.000 Euro in bar bekommen. Wieder klingen die Details wie aus einem Mafiafilm: So sollen an den belgischen Politiker Papiertüten mit je 20.000 Euro geliefert worden sein. Als die Ermittler im Dezember jedoch auch seine Privaträume durchsuchten, fanden sie nach offiziellen Angaben kein Geld. Tarabella bestreitet die Vorwürfe vehement. 

    Neben Panzeri und Kaili wurden am 9. Dezember auch der Lebensgefährte der Griechin, der Italiener Francesco Giorgi, verhaftet. Der Parlamentsmitarbeiter gilt als rechte Hand von Panzeri. Insgesamt beschlagnahmten die Behörden bei ihren Durchsuchungen bislang 1,2 Millionen Euro. 

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