Für Ursula von der Leyen war es nicht weniger als ein historischer Tag. In dieser Woche hat die EU-Kommission, der sie vorsteht, die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine empfohlen. Nach Albanien, Bosnien-Herzegowina, der Republik Moldau, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien und der Türkei ist die ehemallige Sowjetrepublik das neunte Land auf der Warteliste der Europäischen Union. Wie aber wird man eigentlich Mitglied der EU?
Entscheidend für eine Aufnahme sind die sogenannten Kopenhagener Kriterien aus dem Jahr 1993. Sie verlangen stabile staatliche Institutionen von der Arbeitsverwaltung über die Ministerialbürokratie bis zum Verfassungsgericht, eine Marktwirtschaft, die dem Wettbewerbsdruck in der EU standhalten kann, und die Übernahme des kompletten gemeinsamen Rechts, also aller Richtlinien, Verordnungen und internationalen Abkommen, die die EU geschlossen hat. Außerdem muss das Land die Werte der EU achten: Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit.
EU-Beitritt der Ukraine: Wie sieht der Ablauf aus?
Ein Staat, der ihr beitreten möchte, legt dem europäischen Rat der EU zunächst einen Mitgliedsantrag vor. Anschließend überprüft die Kommission, ob der Kandidat die Kopenhagener Kriterien auch erfüllen kann. Sollte der Rat eine Aufnahme befürworten, werden die offenen Fragen in 35 Themenbreichen Kapitel für Kapitel geklärt. Wegen der enormen Menge an Regelungen, die jedes Land in innerstaatliches Recht umsetzen muss, können sich diese Verhandlungen über Jahrzehnte hinziehen. Die Türkei etwa hat ihr Beitrittsgesiuch bereits 1987 eingereicht. Georgien und das Kosovo wollen ebenfalls in die EU, haben aber noch keinen Kandidatenstatus.
Schneller als in drei Jahren hat es noch kein Land in die Union geschafft – und dieses Land war 1995 Finnland, eine in Jahrzehnten gefestigte Demokratie. Im Falle der Ukraine dürften die Verhandlungen deutlich komplizierter werden. Sie befindet sich im Krieg, ihre Wirtschaft liegt am Boden – und auch die versprochenen Fortschritte im Kampf gegen die Korruption lassen noch auf sich warten. Allerdings ermöglicht die EU ihr bereits seit 2014 mit einem so genannten Assoziationsabkommen einen unkomplizierten Handel mit ihren 27 Mitgliedstaaten.
EU-Beitrittsverfahren dauert mindestens drei Jahre
Nach Abschluss der Verhandlungen mit einem Beitrittskandidaten wird ein Beitrittsvertrag mit Übergangsfristen, Schutzklauseln und ähnlichen Details entworfen, dem die EU-Kommission und das Europäische Parlament zustimmen müssen. Mit der Unterzeichnung des Vertrags durch die Mitgliedstaaten erhält das Beitrittsland dann den Status eines „beitretenden Staates“ und gewisse Vorrechte bis zum endgültigen Beitritt. Der nämlich ist erst vollzogen, wenn jeder Mitgliedstaat den Vertrag ratifiziert hat.