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Ernährung: Der Krieg in der Ukraine bringt den Hunger zurück

Ernährung

Der Krieg in der Ukraine bringt den Hunger zurück

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    Die Ukraine und Russland sind wichtige Lieferanten von Weizen. Der Krieg im Osten Europas bedroht die Versorgungslage.
    Die Ukraine und Russland sind wichtige Lieferanten von Weizen. Der Krieg im Osten Europas bedroht die Versorgungslage. Foto: Arne Dedert, dpa

    Während die Industrieländer mit Sorge auf die steigenden Energiepreise blicken, haben viele Entwicklungsländer ganz andere Probleme: Der Krieg in der Ukraine lässt das Risiko einer Hungersnot immer größer werden. Das Land ist genauso wie Russland einer der wichtigsten Exporteure von Weizen, aber auch Mais, Raps und Sonnenblumen. Hilfsorganisationen warnen vor Engpässen in der globalen Versorgung. Die Lage in den ohnehin schon von Krisen und Hunger geplagten Ländern Jemen, Syrien und Libanon wird sich nach Angaben der Weltbank nun noch einmal deutlich verschärfen. Aber auch in den belagerten ukrainischen Städten selbst wächst die Not.

    Deshalb werden auch im deutschen Entwicklungsministerium die Sorgenfalten tiefer. „Die Nahrungsmittelpreise waren schon vor dem Krieg hoch, jetzt wird der Preisschock Millionen Menschen weltweit überfordern“, sagt Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) unserer Redaktion. Wenn der Krieg Aussaat oder Ernte verhindert, Exportrouten blockiert und Preise in die Höhe treibt, werde sich das unmittelbar auf viele ärmere Länder der Welt auswirken. „Die Vereinten Nationen schätzen, dass als Folge des Krieges acht bis 13 Millionen Menschen in Afrika, Asien und dem Nahen Osten hungern werden“, sagt die Ministerin. Das ist nicht nur ein humanitäres Problem, sondern auch ein politisches. „Das bedroht auch die politische Stabilität in vielen importabhängigen Ländern“, sagt Schulze.

    Hunger ist Auslöser von sozialem Protest

    Tatsächlich waren steigende Lebensmittelpreise einer der Auslöser des sogenannten Arabischen Frühlings. Schulze will sich deshalb dafür einsetzen, dass Deutschland abgestimmt mit den Partnern die internationalen Unterstützungsprogramme ausweitet. „Wer sich jetzt kein Saatgut mehr leisten kann, braucht schnelle Hilfe, damit sich die Situation nicht noch weiter verschlimmert“, sagt sie. Auch die europäischen Agrarminister sagten nach ihrer Sitzung am Freitag Hilfe zu.

    Denn selbst wer Zugriff auf Produkte hat, muss sie sich erst einmal leisten können. Auch Fleisch könnte teuer werden, weil fast ein Fünftel des Weizens als Futtermittel verwendet wird, bei Ölsaaten und Mais ist es noch mehr. Hinzu kommen die hohen Energiekosten. Weniger betroffen sein werden die europäischen Länder, viele von ihnen sind eher Exporteure von Agrargütern. Hier sind also keine leeren Regale zu erwarten, steigende Preise durch den Druck auf den Weltmarkt aber sehr wohl. Experten warnen die Politik dennoch vor dem Reflex, jetzt mit Exportverboten zu reagieren, um die eigene Bevölkerung zu schützen. „Deutsche geben aber durchschnittlich nur 14 bis 15 Prozent ihres Einkommens für Essen und Trinken aus, sodass die meisten Haushalte damit zurechtkommen können, und die deutsche Regierung kann gezielte Sozialhilfe für Haushalte leisten, die das nicht können“, sagt Stephan von Cramon-Taubadel, Professor für Agrarpolitik in Göttingen. „In einkommensschwachen Ländern ist die Situation ganz anders. Die Inflation der Nahrungsmittelpreise trifft jene Haushalte sehr hart, die jetzt schon 50 Prozent ihres Einkommens oder mehr für Essen ausgeben.“ Die Versorgung der armen Länder müsse jetzt im Mittelpunkt stehen.

    Lebensmittel werden zu Biosprit verarbeitet

    Das fordert auch Sebastian Lakner, Agrarwissenschaftler aus Rostock: „Es ist von zentraler Bedeutung, die internationalen Märkte offenzuhalten und keine Export-Beschränkungen einzuführen, die zwar am nationalen Markt zu Erleichterungen führen, aber die Lage an den Weltagrarmärkten zusätzlich verschärfen.“ Es könnten zudem große Mengen an Getreide und Mais bereitgestellt werden, wenn weniger dieser Lebensmittel für die Produktion von Bioethanol und Biodiesel verwendet werden. Biokraftstoffe seien ohnehin keine Zukunftskraftstoffe mehr, hier müsse die Politik ansetzen. Zudem müssten die reichen Länder ihren Fleischkonsum überdenken. „Wir verwenden im Moment einen großen Teil der Getreideproduktion für Futtermittel, um preisgünstiges Fleisch zu exportieren“, sagt Lakner. „Es ist die Frage, inwieweit wir in den reichen Industriestaaten unseren Fleischkonsum auf dem Niveau aufrechterhalten wollen, während das Getreide am Weltmarkt als Lebensmittel fehlt. Es ist allerdings im Moment schwierig, hier politisch regulierend einzugreifen.“ Auch die Verpflichtung, ab 2023 in der EU vier Prozent des Ackerlandes als Brachfläche bereitzuhalten, könne zumindest verschoben werden. Allerdings müsse darauf geachtet werden, nicht zugleich die Klimakrise aus dem Blick zu verlieren.

    Auch Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) fragt in der Passauer Neuen Presse: „In welchem Umfang können wir uns Flächenstilllegungen leisten?“ Ernährungssouveränität sei „ein fundamentaler Wert, um als Kontinent nicht erpressbar zu sein“. Deshalb müsse man auch auf EU-Ebene „überdenken, ob wir statt zwangsweisen Stilllegungen nicht besser eine Kombination aus Produktion und Umweltmaßnahmen auf den Flächen umsetzen“.

    Alle Informationen zur Eskalation erfahren Sie jederzeit in unserem Live-Blog zum Krieg in der Ukraine.

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