Innenministerin Nancy Faeser hat jetzt einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten – in eigener Sache. Agiert die SPD-Politikerin weiter so unglücklich, wird sie zur Belastung für die gesamte Bundesregierung und Kanzler Olaf Scholz. Warum etwa ließ sie sich am Dienstag, als der Innenausschuss des Bundestags sie zur Causa Schönbohm befragen wollte, aus medizinischen Gründen entschuldigen, gab aber etwa zeitgleich in Wiesbaden ein Interview? Faeser tritt bei den hessischen Landtagswahlen als Spitzenkandidatin an, läuft dabei einem deutlichen Umfrage-Rückstand auf den amtierenden Ministerpräsidenten von der CDU hinterher. Da sollte sie doch eigentlich schleunigst den Verdacht ausräumen, sie gehe Fragen zu einer brisanten Affäre aus dem Weg.
Die offizielle Auskunft ihres Ministeriums, es sei um einen wichtigen Arzttermin nach überstandener Corona-Infektion gegangen, den sie in ihrem Heimatort wahrgenommen habe, überzeugt nicht vollständig. Zwar ist es absolut Faesers Privatsache, welche Mediziner sie aus welchen Gründen und wo aufsucht. Doch man würde einer Bundesministerin, die die meiste Zeit in der Hauptstadt verbringt, zumindest wünschen, dass sie auch dort eine Praxis findet, der sie vertraut. Dass der Opposition der Verdacht kommen könnte, sie habe einerseits einen brisanten Termin geschwänzt, um andererseits in Hessen die Wahlkampftrommel zu rühren, hätte sie als Vollblut-Politikerin ahnen können.
Innenministerin Nancy Faeser wegen Schönbohm-Affäre unter Druck
Faesers eigentliches Problem dreht sich um den im vergangenen Oktober von ihr als Chef des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik geschassten Arne Schönbohm. Dem war zuvor in einer ZDF-Sendung des Satirikers Jan Böhmermann unterstellt worden, einem Verein nahezustehen, der Kontakte zum russischen Geheimdienst unterhalte. Die Vorwürfe erhärteten sich jedoch nie. Faeser, so legen nun neue Informationen nahe, soll im Nachhinein sogar den Verfassungsschutz auf Schönbohm oder dessen Umfeld angesetzt haben. Ihre Kritiker haben Zweifel an der Rechtmäßigkeit.
Im Grundsatz ist es im Falle eines gravierenden Verdachts gegen einen hochrangigen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden ja völlig richtig, den Geheimdienst einzusetzen. Dazu ist er da. Doch es muss umgekehrt laufen. Zuerst die Überprüfung, und dann, wenn sich wirklich belastende Fakten ergeben, die Entlassung. Im Fall Schönbohm aber folgte auf mediale Vorwürfe schnell die Entfernung von seinem Posten. Erst danach begann die offenbar geradezu verzweifelte Suche nach Gründen, die freilich ergebnislos blieb.
Die Innenministerin gibt kein gutes Bild ab in der vermeintlichen Affäre Schönbohm, die genau deshalb jetzt zur tatsächlichen Affäre Faeser zu werden droht. Doch sie verdient, was auch der voreilig geschasste BSI-Chef verdient gehabt hätte: die Chance, das Bild geradezurücken. Die hatte sie im Innenausschuss des Bundestags, ließ sie aber verstreichen. Die Hessin kann noch nicht einmal behaupten, dass da jetzt die Opposition eine Kampagne anzettelt, die ihre Bewerbung als Landesmutter torpedieren soll. Denn sie selbst war es, die mit ihrem offenbar unbegründeten Rauswurf Schönbohms den Stein ins Rollen gebracht hatte. Der könnte nun eine Lawine auslösen, die Faesers Karriereaussichten in Berlin wie in Wiesbaden unter sich begräbt.