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Energiewende: Der steinige Weg der Grünen zu mehr Ökostrom

Energiewende

Der steinige Weg der Grünen zu mehr Ökostrom

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    Deutschland braucht viel mehr davon: Windparks liefern sauberen Strom für die Energiewende.
    Deutschland braucht viel mehr davon: Windparks liefern sauberen Strom für die Energiewende. Foto: Christian Charisius, dpa

    Egal, was die Grünen herausschlagen können, es wird aus Sicht ihrer lautesten Unterstützer nicht genug sein. Vor diesem Dilemma stehen die Grünen bei den am Donnerstag beginnenden Koalitionsverhandlungen. Sie müssen nichts weniger tun, als das Weltklima retten. "Wir sprechen nicht von der Begrünung der Regierungsarbeit“, drängt zum Beispiel die bekannte Klimaaktivistin Luisa Neubauer und fordert einen Systemwechsel. "Die Zeit der Ausreden ist vorbei.“

    Schon in einer idealen Welt wäre dies eine Aufgabe für Giganten, aber in der harten Wirklichkeit eines Industrielandes mit hohem CO2-Ausstoß ist es ungleich schwerer. Die wahrscheinlichen Koalitionspartner haben es da leichter: Die SPD muss den Mindestlohn erhöhen und einen souveränen Kanzler stellen, die FDP die Finanzen im Lot halten und höhere Steuern verhindern.

    Deutschland braucht einen Grünstrom-Rausch

    Die Baustelle der Grünen ist viel größer. Der Zubau von Windparks und Solaranlagen muss verdreifacht werden und zwar nicht irgendwann, sondern ab nächstem Jahr. Nur so können, wie es die Grünen wollen, die Kohlekraftwerke bis 2030 abgeschaltet werden. Für den neuen Grünstrom-Rausch wird viel Geld nötig sein und viel Überzeugungsarbeit in den Städten und Dörfern.

    Bekommt von Umweltschützern und Klimaaktivisten Druck: Grünen-Chef Robert Habeck muss in den Koalitionsverhandlungen viel für den Klimaschutz herausholen.
    Bekommt von Umweltschützern und Klimaaktivisten Druck: Grünen-Chef Robert Habeck muss in den Koalitionsverhandlungen viel für den Klimaschutz herausholen. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    "Es wird nicht am Geld scheitern, um Deutschland klimaneutral zu machen“, sagt Robert Habeck auf dem Stuhl bei Talkmaster Markus Lanz. Und so kurios es klingt, Habeck hat recht mit seiner Aussage. Die großen Energieversorger stehen bereit, Milliarden zu investieren. Gedrängt von der Börse, streben jetzt sogar Öl-Multis wie Shell und BP in das saubere Geschäft mit Ökostrom, um die eigene dreckige CO2-Bilanz aufzuhellen.

    Der Chef des Energiekonzerns RWE, Markus Krebber, betont in seinen Reden, dass er ja gerne in Deutschland viel Geld in Wind- und Sonnenkraft investieren würde, aber ihm fehlen Flächen und bis die Genehmigung kommt, vergehen Jahre. Deutschland, der einstige Pionier der Energiewende, steht sich selbst im Weg.

    "Es ist kein Geld-Thema. Es ist ein Thema der Flächenkulisse. Und es ist ein Thema der Genehmigungsverfahren“, sagt der Energieökonom Andreas Löschel von der Ruhr-Uni Bochum. Er hält es dennoch für möglich, dass in gut zehn Jahren die letzten Kohlekraftwerke vom Netz gehen können, oder zumindest fast.

    Ein Leitfaden für die Verhandler der Grünen

    Deutschland muss dafür den Hebel umlegen, um die wegfallende Stromerzeugung ersetzen zu können. In ihrem ersten Aufschlag – dem Sondierungspapier – haben sich die drei Ampelparteien dazu verpflichtet. "Dazu werden wir Planungs- und Genehmigungsverfahren erheblich beschleunigen“, steht da geschrieben. Wie es geht, steht da noch nicht.

    Ex-Grünen-Chefin Simone Peter lobbyiert heute für die Erneuerbaren Energien. Sie hat ihrer Partei einen Leitfaden zum Zubau von Windparks und Solaranlagen geliefert.
    Ex-Grünen-Chefin Simone Peter lobbyiert heute für die Erneuerbaren Energien. Sie hat ihrer Partei einen Leitfaden zum Zubau von Windparks und Solaranlagen geliefert. Foto: Bernd von Jutrczenka , dpa

    Die Grünen stehen aber nicht nackt da, sondern haben Verbündete, die ihnen Arbeit abnehmen. Zu ihnen gehört Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands der Erneuerbaren Energien (BEE). Es ist kein Nachteil, dass die Saarländerin fünf Jahre an der Spitze der Grünen stand. "Diese Legislatur wird zum Lackmustest, ob es uns gelingt, den Herausforderungen unserer Zeit angemessen zu begegnen“, sagt sie. Peter und ihre Leute haben vorgearbeitet und den Verhandlern einen Leitfaden geschrieben, der ihnen sehr nützlich sein kann.

    Einige Beispiele: Damit die Behörden genügend Standorte für Windparks ausweisen, soll die Bundesregierung den Ländern im Bundes-Raumordnungsgesetz vorschreiben, mindestens zwei Prozent der Landesfläche dafür zu reservieren. Damit die Beamten Genehmigungen schneller erteilen und Klagen von Windkraftgegnern weniger Chance auf Erfolg haben, soll die Versorgung mit sauberem Strom als im öffentlichen Interesse liegend definiert werden. Weil in den kommenden Jahren über deutlich mehr Anträge entschieden werden muss, wenn der Zubau hochgefahren wird, muss das Personal der Ämter aufgestockt werden.

    Baumfreund Söder muss die Windbremse lösen

    Um Bayern zum Land der Windräder zu machen, soll die Staatsregierung um den baumumarmenden Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) die rigide Abstandsregelung streichen. Gleiches gilt für Nordrhein-Westfalen. Damit sich mehr Hausbesitzer eine Photovoltaik-Anlage auf das Dach schrauben lassen, schlägt der Verband vor, die Einspeisevergütung einmalig anzuheben.

    Ersatz dringend gesucht: Damit Deutschland seine Klimaziele erreichen kann, müssen Kohlekraftwerke vom Netz. Allerdings muss ihre Kapazität ersetzt werden, was in Deutschland lange dauert.
    Ersatz dringend gesucht: Damit Deutschland seine Klimaziele erreichen kann, müssen Kohlekraftwerke vom Netz. Allerdings muss ihre Kapazität ersetzt werden, was in Deutschland lange dauert. Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Nicht lösen kann Simone Peter allerdings das Problem, dass Länder und Kommunen mitmachen müssen, denn der Bund kann ihnen vieles nicht von oben befehlen. Und die deutsche Staatsmaschine ist eher nicht für Sprints bekannt. Helfen kann da, dass die Grünen an zehn Landesregierungen beteiligt sind. Und paradoxerweise kann ihnen auch helfen, dass die hohen Preise für Öl und Gas nicht nur Verbrauchern und Unternehmen zu schaffen machen, sondern auch zeigen, wie abhängig Deutschland von den Lieferanten ist.

    Energieökonom Löschel geht davon aus, dass der steigende Preis für CO2-Verschmutzungsrechte den Kohlekraftwerken den K. o. verpassen wird. Ob Deutschland durch einen neuen Boom bei Windkraft und Solarenergie klimafreundlichen Ersatzstrom produzieren kann, hängt vom Verhandlungsgeschick der Grünen ab. Gelingt das nicht, wird die Bundesnetzagentur anordnen, dass die Kohlekraftwerke weiterlaufen und die Klimaziele in weite Ferne rücken.

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