Die Bundesregierung hat sich nach zähen Verhandlungen auf eine Strategie geeinigt, wie sie die Stromversorgung sichern will, wenn nach den Atommeilern auch noch die letzten Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Die zentrale Rolle spielen zusätzliche Kraftwerke, die zunächst mit Erdgas und langfristig ausschließlich mit Wasserstoff betrieben werden sollen.
Außerdem werden im zweiten Schritt Kapazitäten als stille Reserve aufgebaut, die sich jederzeit abrufen lassen, wenn zu wenig erneuerbare Energie zur Verfügung steht. Der Haken: Weil sich Investitionen in Kraftwerke, die nur bei Bedarf zugeschaltet werden, für Privatunternehmen nicht lohnen, muss der Staat Geld zuschießen.
Bis 2030 sollen 80 Prozent des Stroms grün sein
80 Prozent des Stroms sollen bis zum Jahr 2030 grün sein. Derzeit ist es nur gut die Hälfte. Und die Energiewende hat ihren Preis: Die Regierung rechnet damit, dass in den kommenden zwei Jahrzehnten allein 15 bis 20 Milliarden Euro Fördermittel für den Bau und Betrieb der neuen Gaskraftwerke gebraucht werden. Die Kosten für den Aufbau des Puffers, der auch aus Langzeitspeichern gespeist werden kann, kommen obendrauf. Bis dieser „Kapazitätsmarkt“, für den vor allem die FDP gekämpft hatte, in Kraft treten kann, dürften allerdings viele Jahre vergehen. Die Koalition rechnet mit langwierigen EU-Genehmigungsverfahren.
Deshalb soll im ersten Schritt so schnell wie möglich der Bau von modernen Gaskraftwerken mit einer Leistung von bis zu zehn Gigawatt ausgeschrieben und vergeben werden, die schon jetzt nötig sind, um den Bedarf zu decken, wenn Wind und Sonne zu wenig Strom liefern. Die nun beschlossene Strategie soll Investoren Planungssicherheit geben. Die zusätzlichen Anlagen sind an „systemdienlichen“ Orten vorgesehen. Auch Bayern kommt dafür infrage.
Umweltschützer kritisieren Kraftwerkstrategie
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach am Montag von einem „wichtigen Baustein“, Umweltschützern gehen die Pläne nicht weit genug. Sie kritisieren, dass die neuen Kraftwerke mit fossilem Erdgas und später auch mit Wasserstoff betrieben werden können, der beispielsweise aus Atomstrom gewonnen wird.
Die Deutsche Umwelthilfe sprach von einem „Konjunkturprogramm für die Gaslobby“. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass unklar ist, ob und wann überhaupt genügend grüner Wasserstoff zur Verfügung steht, um den Bedarf zu decken.
Neben der Versorgungssicherheit sind die Kosten die größte Herausforderung für die Regierung. Zum Jahreswechsel hatte sie den Zuschuss zu den Netzentgelten, die für den Betrieb der Netze auf den Strompreis aufgeschlagen werden, gestrichen. Einige Grundversorger haben in der Folge angekündigt, die Preise zu erhöhen, unter anderem die Stadtwerke München. In unserer Region bleiben die Tarife aber weitgehend stabil.
Ampel hat Zuschuss zu Netzentgelten gestrichen
Der Wegfall der Förderung sei zwar eine „neue Dimension von Unsicherheit“ für die Stromanbieter, kritisiert das Allgäuer Überlandwerk. Die Verbraucherinnen und Verbraucher werden das aber nicht spüren. „Wir haben keine Netzentgelterhöhungen an Privatkunden in unseren Basisprodukten weitergegeben, wir planen das auch nicht“, sagt Geschäftsführer Michael Lucke.
Die Lechwerke als größter Versorger in Schwaben haben nach eigener Auskunft zum Jahreswechsel ebenfalls keine Erhöhung an Privatkunden weitergereicht. Die Stadtwerke Augsburg haben die Tarife sogar gesenkt.
Als Grund für die vergleichsweise entspannte Situation am Strommarkt nennt das Vergleichsportal Verivox die derzeit recht niedrigen Großhandelspreise. „Die Beschaffungskosten der Unternehmen sind niedriger als vor einem Jahr, wodurch die Mehrkosten bisher aufgefangen werden“, sagt Experte Thorsten Storck.