Der Druck auf die neue Regierung ist enorm. Die Energiepreise sind nach oben geschossen, wie zuletzt während der Ölkrise Anfang der 70er Jahre. Jetzt reagiert die Ampelkoalition. Am Mittwoch wollen die Spitzen der drei Regierungsparteien Entlastungen beschließen. "Wir wollen noch weiteres mehr tun, um die Menschen, die hart arbeiten, die auf das Auto angewiesen sind, nicht alleine zu lassen ", sagte Finanzminister Christian Lindner derARD.
Doch wie viel Geld Verbraucher und Unternehmen mehr auf dem Konto haben sollen, darüber schweigt Lindner noch. SPD, Grüne und FDP ringen um Milliarden. Die Aufgabe ist dringlich, schließlich drohen Familien allein bei Strom und Gas üppige Aufschläge von bis zu 2000 Euro in diesem Jahr, wie das Internet-Vergleichsportal check24 ermittelt hat.
In diesen Punkten haben sich die Ampel-Parteien geeinigt
Über einige Punkte besteht bei der Ampel schon weitgehend Einigkeit, andere werden noch gewälzt. Zum Konsensbestand zählen der Heizkostenzuschuss für Bedürftige, die Verteilung der CO2-Abgabe auf Mieter und Vermieter sowie die vorzeitige Streichung der EEG-Umlage. Letztere sollte eigentlich erst mit dem Beginn des nächsten Jahres fallen, nun könnte das bereits zum Juli geschehen.
Nach Berechnungen von check24 würde das einer Durchschnittsfamilie mit einem Stromverbrauch von 5000 Kilowattstunden im zweiten Halbjahr rund 110 Euro an Ersparnis bringen. Auf alle Privathaushalte hochgerechnet, bedeutet das demnach Zusatzausgaben für den Finanzminister in Höhe von 3 Milliarden Euro im laufenden Jahr. Die Unternehmen fehlen allerdings noch in dieser Kalkulation. Weil das EEG-Konto der Stromnetzbetreiber derzeit gut gefüllt ist, bekämen SPD, Grüne und FDP die Streichung der Umlage für die letzten sechs Monate 2022 geschenkt.
Dennoch besteht ein Problem: Die Energieversorger könnten das Geld einbehalten und nicht an die Kunden weiterreichen, um damit die eigene Bilanz zu stabilisieren. Im Wirtschaftsministerium wird derzeit nach Wegen gesucht, um die Unternehmen dazu zu bringen, die Entlastung weiterzureichen. Doch staatliche Preiskontrollen sind juristisch wie ordnungspolitisch extrem schwierig, weshalb die Regierung auf die Macht der Öffentlichkeit und die Verbraucherschützer setzt.
Der einmalige Energiekostenzuschuss für Wohngeldempfänger, Studenten und Lehrlinge ist bereits vom Kabinett beschlossen. Bekommen sollen das Geld 2,1 Millionen Haushalte. Alleinlebende werden bis zum Sommer 135 Euro erhalten, Zwei-Personen-Haushalte 175 Euro. Für jedes weitere Familienmitglied sind 35 Euro vorgesehen. Azubis bekommen 115 Euro. In Gänze belastet das den Haushalt mit 190 Millionen Euro.
Entlastungen für Mieter: Vermieter werden an der CO-Steuer beteiligt
Die Lastenteilung bei der CO2-Steuer dürfte am Mittwoch ebenfalls beschlossen werden. Sie findet sich bereits im Koalitionsvertrag. Bisher tragen die Mieter allein den Aufschlag, der Heizen teurer macht. Vorgesehen ist ein Stufen-Modell, das Vermieter belohnt, die in die Sanierung ihrer Immobilie investiert haben. Es gilt der Grundsatz: Je schlechter der Zustand eines Hauses, desto höher ist der Anteil der Vermieter an der CO2-Steuer.
Uneins sind SPD, Grüne und Liberale über weiterreichende Entlastungen. Denkbar ist die Senkung der Mehrwertsteuer auf Strom, Gas und Sprit. Oder die weitgehende Abschaffung der Stromsteuer und die Erhöhung der Pendlerpauschale. Jedes einzelne Vorhaben würde den Finanzminister Milliarden an Einnahmen kosten. Lindner hatte sich kürzlich für eine höhere Kilometerpauschale offen gezeigt. Doch die Grünen sind dagegen. "Die Pendlerpauschale ist schon jetzt eine umweltschädliche Subvention, privilegiert vor allem höhere Einkommen und eine Erhöhung würde sowieso erst in einem Jahr bei der nächsten Steuererklärung wirken", sagte der Grünen-Chefhaushälter Sven-Christian Kindler unserer Redaktion. Er brachte stattdessen eine Einmalzahlung an Hartz-IV-Empfänger und einen Sofortzuschlag für Kinder aus armem Familien ins Spiel.
Unterstützung erhielt er dafür vom finanzpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Schrodi. "Es liegen weitere Möglichkeiten auf dem Tisch. Ich bevorzuge Direktzahlungen, die den Menschen schnell helfen", sagte der Abgeordnete aus Fürstenfeldbruck unserer Redaktion. Nicht mithalten wird die Ampel mit dem von der Union vorgelegten Entlastungspaket, das ein Volumen von über 30 Milliarden hat. "Die sind in der Opposition, die könne alles fordern", kommentierte Schrodi lakonisch. Für die Ampel ist die Operation komplizierter, weil der Finanzminister im Haushalt 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten will.