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Energiekrise: Sehnsucht nach der Lichtgestalt: Robert Habeck und die Wirtschaft

Energiekrise

Sehnsucht nach der Lichtgestalt: Robert Habeck und die Wirtschaft

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    Robert Habeck erklärt derzeit landauf, landab seine Politik.
    Robert Habeck erklärt derzeit landauf, landab seine Politik. Foto: Bernd von Jutrczenka, picture alliance/dpa

    Er wird begrüßt wie ein Star, aber es scheint ihn nicht sonderlich zu erfreuen. Dass ihn Wolfram Hatz, der Präsident der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (VBW), als „derzeit beliebtesten Politiker in Deutschland“ vorstellt und ihm vor der versammelten Unternehmerschaft für seine Arbeit mehrfach Respekt zollt, erwidert Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zwar freundlich, aber doch mit dem Hinweis, dass er von dem „stimmungsgetriebenen Gehetze von Umfrage zu Umfrage“ reichlich wenig hält. Erst mal abwarten, bis dieser Winter vorbei ist, sagt Habeck und stellt die Frage in den Raum: „Was sind jetzt wirklich die Debatten, die wir führen müssen?“

    Was vor wenigen Jahren noch undenkbar schien, wird an diesem Abend in der Wappenhalle nahe dem Münchner Messegelände zelebriert. Die bayerische Wirtschaft und ein grüner Minister üben den Schulterschluss. Die Differenzen der Vergangenheit scheinen weitgehend vergessen. Einzig die Streitfragen um eine befristete Verlängerung der Laufzeit der letzten drei deutschen Kernkraftwerke und um das Ende des Verbrennermotors können an diesem Abend nicht beigelegt werden.

    Deutschland ist nicht wehrlos, betont Habeck

    Gemessen an dem Applaus, der seine Rede immer wieder unterbricht, scheint Habeck den richtigen Ton zu treffen. Am Ernst der Lage lässt er keinen Zweifel. Dass Deutschland möglicherweise schon bald ohne russisches Gas auskommen müsse, sei nicht das einzige Szenario, das bedacht werden müsse. Drei weitere Szenarien zeichnen sich seiner Ansicht nach bereits jetzt ab. Der rasante Anstieg der Energiepreise könne zu Kaufkraftverlust, Kreditklemme und Investitionszurückhaltung führen. „Allein aus der Dynamik, die jetzt durch die Spekulation um fossile Energien entsteht, droht schon das Abgleiten in eine Rezession“, sagt Habeck. Die drei möglichen Szenarien könnten die deutsche Wirtschaft empfindlich treffen – „und zwar völlig unabhängig davon, ob Putin den Gashahn komplett abdreht oder nicht.“

    Wehrlos aber ist Deutschland seiner Auffassung nach nicht. „Das Gute daran ist, dass wir auf alle drei Szenarien Antworten geben können“, sagt Habeck und listet auf, was ihn dennoch optimistisch stimme. Die vergangenen Monate hätten gezeigt, dass Deutschland dazu in der Lage sei, „den billigen politischen Vorteil beiseite zu legen und zusammenzustehen.“ Habeck verweist auf ein Umdenken in der Handelspolitik, auf staatliche Rettungsschirme für bedrohte Industriezweige, auf eine Beschleunigung beim Abbau bürokratischer Hemmnisse und auf die Einigkeit über einen deutlich schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien.

    Die Sanktionen gegen Russland wirken

    Im Umgang mit Russland spricht sich der Wirtschaftsminister für weitere Wirtschaftssanktionen aus. Er wolle keinen Hehl daraus machen, dass man sich in seinem Ministerium noch Gedanken über weitere Sanktionen mache. „Wir sind da noch lange nicht am Ende“, sagt Habeck. Bereits die schon verhängten Sanktionen seien, gemessen an den ökonomischen Daten Russlands, „höchst wirksam“ – und zwar umso mehr, je länger sie dauern.

    Als Beispiele nennt der Wirtschaftsminister spezielle Ersatzteile und digitales Know-how. „Wenn man für die Wartung eines Flugzeugs ein Spezialteil braucht, hat man vielleicht ein paar auf Halde liegen. Aber wenn die verbraucht sind, kann man nicht mehr fliegen, oder man muss die Sicherheitsstandards aufheben“, sagt Habeck. Vor dieser Situation stehe Russland bereits jetzt. Und im Bereich der Wartung digitaler Systeme sei noch längst nicht alles gemacht worden, was möglich sei. „Wenn man tatsächlich mal die großen europäischen Software-Versorgungsprogramme nicht mehr wartet, dann würde es noch krasser werden.“ Voraussetzung für solche Sanktionen sei allerdings Einigkeit unter den Partnern in Europa. Er könne sich das durchaus vorstellen. „Von mir aus laden wir da noch mal nach“, sagt Habeck.

    Flüssiggas für Deutschland: Schiffe sind nicht das Problem bei der LNG-Versorgung

    Die Befürchtungen der Unternehmer, mit denen er in der Fragerunde konfrontiert wird, versucht Habeck zu zerstreuen. Die Gefahr, dass es nicht genügend Schiffe gebe könnte, die Flüssiggas nach Deutschland bringen, sieht er nicht. Dafür seien genügend freie Kapazitäten da. Das Gas werde dorthin gebracht, wo die höchsten Preise erlöst würden. Das Problem, das in Deutschland angepackt werden müsse, sei vielmehr die Infrastruktur zur Lagerung und Verteilung des Gases.

    Die Forderung von VBW-Präsident Hartz nach einer befristeten Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke lehnt Habeck ab. Der hauptsächliche Mangel drohe nicht beim Strom. Die 15 Prozent, die Kernkraftwerke noch zur Stromversorgung beitragen, könnten durch Kohlekraftwerke gedeckt werden, auch wenn das „klimapolitisch erbärmlich“ sei. Aber es gehe in der jetzigen Situation nun mal nicht anders. Der größte Mangel aber drohe bei Gas und Wärme für die Industrie. „Da nützen uns die Atomkraftwerke gar nichts, denn sie produzieren keine Wärme, und sie produzieren auch nicht für die industriellen Prozesse jenseits von Strom“, sagt Habeck. Außerdem könnten die Atomkraftwerke nach dem Auslaufen der Betriebsgenehmigungen zum Ende des Jahres nicht ohne Abstriche bei der Sicherheit weiter betrieben werden.

    Der Verbrenner-Motor bleibt ein Streitthema

    Den Vorwurf, er lehne Atomkraft aus grüner Partei-Ideologie ab, weist Habeck zurück. Er räumt allerdings ein, dass es ihm in dieser Frage auch um den „gesellschaftlichen Konsens“ gehe. Sein Fazit: „Meine Abwägung führt mich zu einem Nein.“ Ein großer Teil der versammelten Unternehmer applaudiert – aber längst nicht alle.

    Das zweite Streitthema, der Verbrennermotor, kommt erst ganz zum Schluss noch einmal auf die Tagesordnung. Präsident Hatz, Inhaber einer Fabrik für Dieselmotoren im niederbayerischen Ruhstorf, verabschiedet den Wirtschaftsminister mit zwei Geschenken. Er bekommt einen bayerischen Löwen aus Porzellan überreicht und, so Hatz, er werde ihm auch „ein Notstromaggregat mit Dieselmotor“ übereignen, das er dann gerne an Bedürftige weitergeben dürfe. Hatz: „Es kommt bestimmt gut an, wenn Sie einen Verbrennermotor herschenken.“

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