Das Fazit von Olaf Scholz klang so optimistisch, dass mancher Beobachter sich fragte, ob der Bundeskanzler auf einem anderen Gipfel war. Es seien 24 Stunden „harte Arbeit“ gewesen, schlussfolgerte Scholz nach dem zweitägigen Treffen in Brüssel, aber: „Europa steht zusammen.“
Zum Abschluss sprach er von „gelebter europäischer Solidarität“, von „Geschlossenheit“ und auf Nachfrage, wie er die Kritik aus anderen Mitgliedstaaten empfunden habe, betonte Scholz, er habe „keine Brise“ gegen ihn gespürt. Dabei prasseln seit Wochen die Vorwürfe nur so auf ihn ein. Da schimpften Partner, insbesondere aus Süd- und Osteuropa, über nationale Alleingänge Deutschlands, über wahlweise Egoismus oder Überheblichkeit und beklagten mangelnde europäische Solidarität. „Es ist weder für Deutschland noch für Europa gut, wenn Deutschland sich isoliert“, legte dann Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vor dem Start des Gipfels nach.
War dies ein Zeichen der Entfremdung zwischen den beiden größten EU-Mitgliedstaaten? Oder handelte es sich um taktische Spielchen, mit denen Macron versuchte, die Deutschen so unter Druck zu setzen, dass Berlin am Ende den Wünschen aus Paris nachgeben würde? Ein gutes Omen für die nächsten Wochen sind diese verbalen Spitzen in keinem Fall. Zu wichtig ist die deutsch-französische Achse für den Erfolg Europas in dieser Großkrisenzeit.
Scholz und Macron liegen in wichtigen Fragen über Kreuz
Und so mangelte es nach diesem Gipfel auch deshalb an weitreichenden Ergebnissen, weil Deutschland und Frankreich in Schlüsselfragen über Kreuz liegen, insbesondere beim umstrittenen Gaspreisdeckel. Scholz jedenfalls zeigte sich unbeeindruckt von der Forderung nach einer Obergrenze, die von der Mehrheit der EU-Länder unterstützt wird. Wie diese genau gestaltet sein soll, verraten sie zwar nicht. Aber das Lager trommelt lautstark für das Instrument – und trieb die Bundesregierung auf offener Bühne so in die Ecke, dass Scholz am Ende einlenken musste. Zumindest ein bisschen.
Zusammenfassend könnte man das Drama um einen Gaspreisdeckel so zusammenfassen: Es läuft weiter, ohne dass es weitergeht. Man hat den Ball ins Feld der Energieminister gespielt, die sich am Dienstag treffen. Die 27 Staats- und Regierungschefs rangen sich nach zehnstündigen Beratungen lediglich dazu durch, dass die EU weiter an einem Mechanismus gegen extreme Preissteigerungen arbeiten soll, wozu auch ein zeitlich begrenzter Höchstpreis gehören soll. Ein Fahrplan ohne Details, wenn man so will. Für die Bürger dürfte das wenig befriedigend sein. Auf absehbare Zeit jedenfalls wird es keine tief greifenden Markteingriffe zur Absenkung der hohen Energiepreise geben.
Beim Thema Ukraine wurden sich die Regierungschefs schneller einig
Auf nationaler Ebene ist Deutschland seit Freitag einen Schritt weiter – zumindest was Entlastungen betrifft. Der Bundestag machte den Weg für die Finanzierung der geplanten Energiepreisbremsen und Unternehmenshilfen frei. Ein Sondertopf außerhalb des Bundeshaushalts darf nun Schulden von bis zu 200 Milliarden Euro aufnehmen.
Schneller einig wurden sich die Staats- und Regierungschefs in Brüssel beim Thema Ukraine. Die EU will dem kriegsgeplagten Land im kommenden Jahr monatlich 1,5 Milliarden Euro überweisen, damit es vor allem seinen Staatshaushalt stabilisieren kann. Insgesamt brauche die Ukraine vier bis fünf Milliarden Euro pro Monat, um das Nötigste zu bezahlen, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.