Zwei Sorgen haben Verbraucher und Unternehmen beim Gas zuletzt umgetrieben: Dass sich viele die exorbitant hohen Gaspreise nicht mehr leisten können und dass Gas im Herbst und Winter knapp werden könnte. Das erste Problem soll der Gaspreisdeckel regeln. Das zweite ist noch nicht gelöst. Zwar sind die Gasspeicher gut gefüllt, aber der Verbrauch der Deutschen ist angesichts des nassen und kalten Wetters bereits jetzt sehr hoch. So hoch, dass Experten und Politiker Alarm schlagen.
Chef der Bundesnetzagentur warnt vor Gasmangel im Winter
So ruft der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, eindringlich zum Energiesparen auf: "Wenn wir es nicht schaffen, in den privaten Haushalten mindestens 20 Prozent Einsparungen zu erzielen, dann werden wir in einem durchschnittlichen Winter nicht ohne Kürzungen bei der Industrie zurechtkommen", sagte Müller in einem Podcast des baden-württembergischen Finanzministers Danyal Bayaz (Grüne).
Zuletzt lag der Verbrauch von Haushalten und Gewerbe nach Angaben der Bundesnetzagentur 14,5 Prozent über dem Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2021. Müller rechnet zudem damit, dass der geplante Gaspreisdeckel fast zwei Jahre lang gelten muss. "Mindestens bis Sommer 2024 werden wir in irgendeiner Art von angespannter Situation sein", sagte er.
Die Internationale Energieagentur (IEA) rät auf europäischer Ebene ebenfalls zu Einsparungen beim Gasverbrauch, um leere Speicher und das Risiko von Versorgungsunterbrechungen in diesem Winter zu verhindern.
Auch der Deutsche Städtetag mahnte zu größeren Anstrengungen beim Energiesparen. „Wir alle müssen uns noch mehr einschränken“, sagte Städtetagspräsident Markus Lewe (CDU) der Funke Mediengruppe. Ihm mache Sorgen, wie stark bei den privaten Haushalten der Gasverbrauch angestiegen ist. Lewe mahnte Bund und Länder zur Geschlossenheit. Die Gaspreisbremse müsse jetzt „sehr schnell klug konzipiert werden“. Wenn private Haushalte einen Grundbedarf von 80 Prozent des Gasverbrauchs vergünstigt bekämen, bleibe der Sparanreiz bestehen.
Schwieriger Spagat zwischen Sparanreiz und Entlastung
Die Ampelkoalition hatte am Donnerstag einen neuen "Abwehrschirm" von bis zu 200 Milliarden Euro und einen Gaspreisdeckel angekündigt, um Verbraucher und Unternehmen wegen der steigenden Energiepreise zu stützen. Was das genau bedeutet, ist aber noch offen. Eine Kommission soll bis Mitte Oktober Vorschläge machen. Nun gibt es im Vorfeld der Bund-Länder-Beratungen am Dienstag Befürchtungen, dass der Anreiz zum Sparen wegfällt, wenn der Staat einspringt. Auch Bundesnetzagentur-Chef Müller pocht auf Sparanreize. Ansonsten seien „wir schneller, als uns allen lieb ist, eben in einer Mangelsituation“. Seine Behörde geht wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) davon aus, dass zur Vermeidung einer Gasmangellage ein Rückgang des Verbrauchs um mindestens 20 Prozent erforderlich ist.
Der Chef des großen regionalen Energieversorgers Erdgas Schwaben, Markus Last, hält dieses Ziel für zu hoch angesetzt. „Die von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck geforderte Gaseinsparung von 20 Prozent halte ich für ehrgeizig“, sagte Last unserer Redaktion. Rund 15 Prozent seien realistisch. Der Erdgas-Schwaben-Chef teilt aber die Ansicht, dass im Privaten Gas gespart werden muss. „Ja, auch die Haushalte werden ihren Beitrag erbringen müssen“, erklärte Last.
Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger: Armes Deutschland
Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) kritisiert angesichts der Sparaufrufe die Ampelkoalition scharf: „Es grenzt mittlerweile an eine politische Unverschämtheit, den Menschen immer mehr schlechtes Gewissen wegen einer warmen Wohnung einzureden, während die Bundesregierung nicht alles tut, um den Energieengpass zu beseitigen“, sagte Aiwanger unserer Redaktion. Längst müssten die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke inklusive neuer Brennstäbe für den nächsten Winter beschlossen oder alle Beschränkungen für Biogasanlagen aufgehoben sein. „Aber die grüne Ideologie will hohe Energiepreise, selbst wenn Menschen frieren und die Wirtschaft einbricht“, schimpft Aiwanger. Während die Deutschen sparen sollten und noch Wochen oder Monate auf den Energiepreisdeckel warteten, hätten unsere europäischen Nachbarn einen Preisdeckel und bekämen Gasstrom von uns geliefert. „Dafür führen wir noch die Zusatzdebatte, ob wir den eigenen Holzofen noch benutzen dürfen oder ob Frieren politisch korrekter wäre. Armes Deutschland“, sagte Aiwanger.
Viele Mieter in Deutschland fürchten angesichts der hohen Gas- und Strompreise stark steigende Nebenkostenabrechnungen. Manche sparen auch schon gezielt für den Fall hoher Nachforderungen, zeigt eine repräsentative Umfrage des Energiedienstleisters Ista. Rund 80 Prozent der Mieter machten sich im September Sorgen, dass sie 2023 eine hohe Nebenkostenabrechnung erwartet.