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Energiekrise: Entlastungspaket: Viele Milliarden Euro, viele offene Fragen

Energiekrise

Entlastungspaket: Viele Milliarden Euro, viele offene Fragen

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    Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Regierung werben für das neue Entlastungspaket.
    Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Regierung werben für das neue Entlastungspaket. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Nachtschichten, so Saskia Esken, habe die Ampel-Koalition eigentlich nicht mehr einlegen wollen. Doch das dritte Entlastungspaket, das die Bundesregierung gegen die Folgen der explodierenden Energiepreise geschnürt hat, habe aufgrund von „Komplexität und Umfang der Maßnahmen“ erfordert, „dass wir wieder einen ganzen Tag und eine ganze Nacht verhandelt haben". Möglicherweise hätten sogar einige Stunden mehr nicht geschadet. Denn nach dem 22-stündigen Verhandlungsmarathon, der zu dem 65-Milliarden-Euro-Hilfsprogramm geführt hat, sind am Tag nach dessen Verkündung noch zahlreiche wichtige Fragen offen.

    Die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken in Berlin.
    Die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken in Berlin. Foto: Christophe Gateau, dpa

    Als die SPD-Chefin am Montag um die Mittagszeit nach der Sitzung des Parteipräsidiums im signalroten Hosenanzug ans farblich passende Rednerpult im Willy-Brandt-Haus tritt, preist sie zunächst ein „Bündel an klug aufeinander abgestimmten Entlastungen“. Mit dem Paket würden die „Nöte der Bürgerinnen und Bürger adressiert“. Die Sorge, wie der Wocheneinkauf, der Strom oder die Heizkosten bezahlt werden sollen, fresse sich bis weit hinein in die Mitte der Gesellschaft, sagt Esken und verspricht: Mit diesen Sorgen werde niemand alleingelassen.

    Offene Fragen zur Finanzierung des neuen Entlastungspakets

    Doch schon bei der Frage, wo denn die 65 Milliarden Euro für das Entlastungspaket überhaupt herkommen sollen, gerät die Co-Parteichefin etwas aus dem Tritt. Sie räumt ein, dass der Staat durch die inflationär steigenden Preise für Energie und viele, viele weitere Güter und Dienstleistungen gerade ja auch riesige Steigerungen seiner Einnahmen verzeichnet – etwa bei der Mehrwertsteuer. Auf eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger durch niedrigere Steuerbelastungen habe das Bündnis aus SPD, Grünen und FDP aber verzichtet und stattdessen lieber auf verschiedene Direktzahlungen gesetzt. So sollen von der Energiepreispauschale künftig auch Rentner und Studenten profitieren.

    Steuerfrei dagegen sollen Sonderzahlungen für Beschäftigte bleiben, über die Details werde die Ampel aber erst beim nächsten Treffen im Herbst beraten. Esken kündigte an, dass die Kriterien für den Bezug von Wohngeld so geändert würden, dass die Zahl der Berechtigten erheblich steige. Konkrete Angaben, etwa welche Einkommensgrenzen dafür gelten sollen, machte sie nicht. Das hänge von vielen Faktoren wie dem Mietpreis, dem Wohnort oder der Haushaltsgröße ab, sagte sie. Auch beim angekündigten Folgeangebot für das Neun-Euro-Ticket besteht noch Klärungsbedarf. Wie viel das Monatsticket künftig kosten wird, ist offen. Deutlich mehr als neun Euro jedenfalls. Laut Esken soll es „immer noch bezahlbar“ sein. In der Einigung ist von 49 bis 69 Euro die Rede. Der Bund werde 1,5 Milliarden Euro zuschießen, sofern die Länder mindestens ebenso viel zahlen. Einige Ministerpräsidenten hätten da allerdings gern schon mal mitgeredet.

    Strompreisbremse könnte in einigen Wochen kommen

    Auch bei der Strompreisbremse, einem entscheidenden Bestandteil des Maßnahmenbündels, gibt es Klärungsbedarf. So hat die Regierung noch nicht entschieden, wo die Grenze für den Grundverbrauch an Elektrizität, bis zu der die Kosten gedeckelt werden, gezogen wird. Grünen-Chef Omid Nouripour rechnet damit, dass für einige Haushalte sogar 100 Prozent ihres Stromverbrauchs gedeckelt würden – etwa bei einer Familie in einer kleinen Wohnung. Die Einführung der Bremse erwarte er „in einigen Wochen“. Finanziert werden soll die Preisbremse, indem übermäßige Gewinne am Strommarkt abgeschöpft werden. Bedenken, dies sei rechtlich schwierig und im nationalen Alleingang unmöglich, wies Lars Klingbeil, neben Esken Parteichef der SPD, zurück. „Wir haben das national geprüft. Und wir machen das jetzt entweder sehr schnell europäisch oder sehr schnell national“, sagte er.

    Der Generalsekretär der CDU, Mario Czaja, kritisiert das Entlastungspaket der Ampel.
    Der Generalsekretär der CDU, Mario Czaja, kritisiert das Entlastungspaket der Ampel. Foto: Wolfgang Kumm, dpa

    Die Union hat bereits hinter sich, was die SPD durchmacht. Bei den Konjunkturpaketen und anderen Entlastungsmaßnahmen der Vergangenheit verkündeten CDU und CSU auch stets zunächst viele und gut klingende Zahlen, kamen im Anschluss dann jedoch zu einer nüchternen Betrachtung. Eine Schonfrist gibt es für die Ampel gleichwohl nicht.

    Debatte im Bundestag wirft Schatten voraus

    Für die Opposition ist die Zeit für Kritik gerade strategisch günstig. Im Bundestag wird in dieser Woche über den Haushalt beraten, am Mittwoch findet anlässlich der Beratung über den Etat des Kanzleramtes die vierstündige Generaldebatte zur Politik der Bundesregierung statt. SPD, Grüne und FDP werden sich da einiges anhören müssen, denn die unfertige Finanzierung ihres Entlastungspakets ist eine Steilvorlage für den politischen Gegner. Genau diese Generaldebatte war aber auch der Grund, warum sich die Regierungskoalition so sehr beeilen musste, dass noch nicht alles fertig ist. Wäre sie nach den Versprechungen der letzten Wochen ohne Entlastungen in diese Sitzungswoche gegangen, hätte ihr das politisch noch mehr geschadet. Aber auch so wird die Ampel zur eigenen Entlastung noch viel erklären müssen.

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