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Foto: Tobias Hase, dpa
Foto: Tobias Hase, dpa

Irsching an der Donau gilt als das modernste Gaskraftwerk in Europa. Deutschland braucht in den nächsten Jahren mehr davon.

Energiekrise
06.12.2022

Deutschlands gefährliche Stromlücke: Was passiert nach Kohle- und Atom-Aus?

Von Christian Grimm

Kohle- und Atomkraftwerke sichern gerade die deutsche Energieversorgung. Doch sie sollen bis 2030 vom Netz gehen. Für die entstehende Lücke gibt es noch keinen Ersatz.

Die Energieversorgung in Deutschland hängt in diesem schweren Winter an Kraftwerken, die eigentlich ausgemustert werden sollten, wie verbrauchte Nationalspieler nach einer Fußball-WM. „Alte Möhrchen“, nannte sie der frühere Chef des Energiekonzerns RWE, Rolf Martin Schmitz, einmal. Es sind bereits eingemottete Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke, die zurück ans Netz geholt werden. Und die Atomkraftwerke bekommen noch einmal einen Aufschub bis zum Frühjahr. 

Nach den Plänen der Ampel-Koalition sollen sie aber wieder abgestellt werden, wenn die akute Lage vorbei ist. Die AKW schneller, die Kohlekraftwerke sukzessive bis 2030. Das Problem: Es wird zu wenig Ersatz gebaut. Zwar gibt es auf dem Papier einen steilen Ausbaupfad von Windparks und Solarfeldern, bei den Turbinen aber, die zuverlässig rund und die Uhr laufen, tut sich eine große Lücke auf. Im Jahr 2030 wird sie 15 Gigawatt groß sein, wie eine neue Studie der Gaswirtschaft ergeben hat. Das entspricht etwa der Leistung von 15 Kernkraftwerken. Es werde zu wenig investiert, sagt der Chef vom Branchenverband Zukunft Gas, Timm Kehler. „Die Unsicherheit ist derzeit zu groß.“

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Die Energiekonzerne zögern, Gaskraftwerke zu bauen

Geschlossen werden müsste die Lücke mit Gaskraftwerken, weil Kohlekraftwerke zu dreckig und Kernmeiler verpönt sind. Doch die Energieversorger zögern, Gaskraftwerke zu bauen. Denn sie wissen nicht, ob sich die Investition lohnt, wenn in Zukunft wie geplant immer mehr Grünstrom durch die Netze jagt. Dann laufen die Turbinen womöglich zu wenige Stunden im Jahr, um die Investition wieder einzuspielen. Bei der Bundesnetzagentur sind derzeit 3,2 Gigawatt an gesicherter Leistung gemeldet, die bis 2025 fertiggestellt werden sollen. 

Aus Sicht der Gasindustrie könnten Prämien für gesicherte Kraftwerksleistung den Versorgern mehr wirtschaftliche Anreize bieten, die Großprojekte anzupacken. In Frankreich, Großbritannien, Belgien, Polen und Schweden gibt es zum Beispiel bereits derartige Kapazitätsprämien. In Deutschland wurden sie in der Vergangenheit intensiv diskutiert, Alt-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) nannte sie einst Hartz-IV für Kraftwerke und lehnte sie ab. 

Wirtschaftsminister Habeck: Gaswerke sollen auch Wasserstoff verbrennen können

Die Aufschläge würden Strom für Haushalte und Unternehmen zunächst teurer machen, weil sie es sind, die sie über die Rechnung bezahlen müssten. Die Studie im Auftrag der Gaswirtschaft kommt aber zu dem Schluss, dass die Zusatzkosten "gegen Null laufen" würden. Denn der Sicherungsmechanismus könnte die Angstspekulation eindämmern, wie es sie in diesem Jahr wegen der Gasknappheit als Folge des Ukrainekrieges gegeben hat. Angesichts der langen Planungs- und Genehmigungsprozesse in Deutschland fordert Timm Kehler die schnelle Einführung des Kapazitätsmarktes im nächsten Jahr. Es brauche „schon die neue Deutschland-Geschwindigkeit“, meinte der Vertreter der Gasindustrie. 

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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist grundsätzlich davon überzeugt, dass die Boni für Kraftwerke nötig sind, damit in Deutschland nicht das Licht ausgeht. Sein Haus kommt in einer Analyse ebenfalls auf eine Lücke von 15 Gigawatt. Habecks Bedingung für die Zuschüsse ist, dass die neuen Gaskraftwerke neben Gas auch umweltfreundlichen Wasserstoff verbrennen können müssen. 

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