Der Ukraine-Krieg kennt nicht nur Verlierer. Die Rüstungsindustrie beispielsweise freut sich über volle Auftragsbücher und kräftige Umsatzsteigerungen. Energiekonzerne gehören teilweise ebenfalls zu den Krisengewinnern und profitieren von steigenden Strom- oder Gaspreisen.
Die Ampel-Regierung will sogenannte Übergewinne zwar abschöpfen, doch ob dabei am Ende mehr als Balsam für das Gerechtigkeitsempfinden herauskommt, bleibt abzuwarten. Denn die Koalition schafft Ausnahmen von der Regel. Die einen werden bevorzugt, die anderen gucken in die Röhre. Zu Letzteren zählen möglicherweise bald Landwirte und andere Betreiber von Biogasanlagen. Nachdem die Ampel-Koalition den Deckel für die Energieerzeugung aus Biomasse nach langer Debatte aufgehoben hat, führt sie ihn bei der Abschöpfung von Strommarkterlösen offenbar indirekt wieder ein.
Zu den bevorzugten Unternehmen zählen beispielsweise die Betreiber der drei noch ans Netz angeschlossenen Atomkraftwerke, die mindestens bis zum 15. April nächsten Jahres weiter Strom produzieren dürfen. Wenn sie ihre Energie mit Gewinn vermarkten, wovon auszugehen ist, dürfen sie das Geld behalten – obwohl der Staat schon rund 45 Milliarden Euro unter anderem an Entschädigungszahlungen in den Atomausstieg gepumpt hat. "Eine spezifische Abschöpfung von Übergewinnen bei den Betreibern von Atomkraftwerken findet nicht statt", heißt es dazu in den Eckpunkten des von Robert Habeck (Grüne) geleiteten Bundeswirtschaftsministeriums.
Steinkohle- und Atomkraftwerke dürfen Strommarkterlöse behalten
Nach Informationen des "Hauptstadtbüros Bioenergie" – es wird vom Bundesverband Bioenergie, dem Deutschen Bauernverband, dem Fachverband Biogas sowie dem Fachverband Holzenergie getragen – sehen erste Überlegungen des Wirtschaftsministeriums außerdem vor, dass Steinkohlekraftwerke bei der Abschöpfung von Strommarkterlösen künftig ausgenommen sind. Die Strompreisgewinne von Bioenergieanlagen hingegen sollen ab einer bestimmten Grenze einkassiert werden, wie Büroleiterin Sandra Rostek erklärte.
Demnach will die Regierung, vereinfacht dargestellt, für Übergewinne eine Kappungsgrenze einführen. Sie liegt bei der durchschnittlichen EEG-Vergütung von aktuell 20 Cent, die der Betreiber für seinen Biomassestrom bekommen würde (der sogenannte anzulegende Wert), plus einem Aufschlag von 3 Cent pro Kilowattstunde. Alle darüberliegenden Erlöse gehen demnach zu 90 Prozent an den Staat. Eine Modellrechnung verdeutlicht das Dilemma: Würde der Betreiber für seine Bioenergie am Markt 33 Cent pro Kilowattstunde bekommen, blieben davon am Ende nur 24 Cent übrig. Denn von den zehn Cent Erlös oberhalb der Kappungsgrenze von insgesamt 23 Cent ginge nur ein Cent an die Betreiberin. Strompreiserlöse aus Steinkohle oder Kernkraft hingegen können in voller Höhe einkassiert werden.
Union sieht "Bioenergie-Deckel durch die Hintertür"
Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist das ein "neuer Bioenergie-Deckel durch die Hintertür", wie ihr energie- und umweltpolitischer Sprecher Andreas Jung erklärte. "Über Monate sind wir als Union gegen die Deckelung nachhaltiger Bioenergie angerannt", sagte Jung, der auch CDU-Vizevorsitzender ist, unserer Redaktion. Nun werde die Bioenergie erneut ausgebremst und die klimaschädliche Kohle bevorzugt. "Den Grünen ist der klimapolitische Kompass völlig verloren gegangen", kritisierte der Abgeordnete.
Jungs Parteikollege Albert Stegemann beurteilt die Lage ähnlich. "Klimaminister Habeck gewährt der Steinkohle einen Freifahrtschein und will stattdessen die Bioenergie bei der Abschöpfung von Strommarkterlösen maximal zur Kasse bitten", sagte der agrarpolitische Sprecher der Unionsfraktion unserer Redaktion. Statt kurzfristig alle verfügbaren Biogas-Kapazitäten zu heben, um einigermaßen sicher durch den Winter zu kommen, werde die geplante Erlösabschöpfung das Energieangebot eher senken. Denn auch im Bereich der Bioenergie seien die Produktionskosten zuletzt gestiegen, erklärte der Landwirtschaftsmeister. Die von der Regierung als "Sicherheitspuffer" eingepreisten 3 Cent dürften für viele Erzeuger nicht ausreichen, um wirtschaftlich Strom zu erzeugen.
Mindestens fünf Prozent der Vorkriegs-Liefermengen an russischem Gas könnten nach Angaben des Fachverbandes Biogas durch die Verstromung von Mais, Gülle und anderem Material ersetzt werden. Die Union kann nicht nachvollziehen, warum Habeck darauf möglicherweise verzichten will. "Millionen Haushalte können mit Strom, Wärme und Biomethan versorgt werden. Dieses Potenzial darf nicht vergeben werden", sagte Jung.