In der Hauptstadt gehen die Lichter aus, zahlreiche Sehenswürdigkeiten sollen bald nicht mehr angestrahlt werden, um Strom zu sparen. In anderen Städten und Gemeinden wird ebenfalls Energie eingespart, um die Folgen des Ukraine-Krieges und die zunehmend geringer werdenden Gaslieferungen aus Russland zu kompensieren. Ungleich folgenreicher sind die Pläne, die die Bundesregierung bei der Gasversorgung umsetzen will: Die Mehrkosten für die sogenannte Ersatzbeschaffung russischen Gases können von den Unternehmen ab 1. Oktober zu 90 Prozent auf die Kundinnen und Kunden abgewälzt werden. Mehrere hundert Euro kommen da auf die Haushalte zu. Im schlimmsten Fall kann die Gasrechnung bei einem Vier-Personen-Haushalt allein wegen der Umlage um 1000 Euro steigen. „Das ist ein schwieriger Schritt. Ein Schritt, der eine hohe Belastung mit sich bringt“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Habeck äußerte sich in Bad Lauchstädt bei Halle am Rande einer Reise, die ihn durch Sachsen-Anhalt, Bayern und Thüringen führt. „Wirtschaften und Arbeiten in Krisenzeiten“ ist das Thema des zweitägigen Trips, gemeint ist natürlich allein die Energiekrise, und in der Tat werden die Sorgenfalten des Grünen-Politikers immer tiefer, je weniger Gas aus Russland nach Deutschland gelangt. Aktuell ist es etwa noch ein Drittel der gewohnten Menge und in Habecks Ministerium wird nicht ausgeschlossen, dass der russische Präsident Wladimir Putin aus reiner Willkür den Gashahn weiter zudreht.
Preisspanne zwischen 1,5 bis 5 Cent
Die staatliche Rettung des Energiekonzerns Uniper war eine erste Konsequenz. Das Unternehmen ist sehr stark von Gas aus Russland abhängig und hätte ohne Milliarden an Steuergeldern nicht überleben können. Andere Energieunternehmen haben ähnliche Probleme wie Uniper: Sie müssen sich an den Weltmärkten Ersatz für das russische Gas besorgen. Die hohe Nachfrage treibt derweil die Preise in die Höhe und bringt die Gasversorger eigenen Angaben zufolge in finanzielle Schwierigkeiten und gar in die Nähe einer Insolvenz. Damit der Staat nicht auch hier mit Finanzspritzen helfen muss, werden die Mehrkosten nun an die Privathaushalte weitergegeben.
Wie hoch diese Kosten ausfallen, wird erst in etwa drei Wochen feststehen. Habeck nannte eine Preisspanne zwischen 1,5 bis 5 Cent pro Kilowattstunde Gas. Für einen Musterhaushalt mit vier Personen werden 20.000 Kilowattstunden Gasverbrauch pro Jahr zugrunde gelegt. Damit ergeben sich im schlimmsten Fall 1000 Euro Mehrkosten. Im mittleren Szenario wird nach Angaben aus Regierungskreisen von einer Umlage zwischen zwei und drei Cent ausgegangen. Das wäre dann in der Tendenz eher mehr als die zwei Cent beziehungsweise 300 Euro, die Kanzler Olaf Scholz kürzlich nannte.
Wo ist Olaf Scholz?
Habeck hielt sich bei seinem Statement in Bad Lauchstädt zwar zurück, die Kritik an Scholz war jedoch nicht zu überhören. Denn der SPD-Politiker hatte im Zuge der ersten Gedankenspiele über eine Gas-Umlage gleichzeitig Entlastungen angekündigt. Über die schwieg sich das Kanzleramt jedoch zunächst aus. Habeck betonte indes, wie wichtig es sei, dass der Entlastungsschritt neben der Erhebung der Umlage mitgegangen werde. Die Arbeit daran laufe mit Hochdruck, sagte der Minister und ergänzte mit Blick aufs Kanzleramt: „Die Verantwortung dafür liegt nicht nur allein in meinem Ressort.“
Die Zeit allerdings drängt. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Erhebung der Gas-Umlage sollen noch in diesem Monat stehen. Die Mehrkosten könnten bereits im Herbst und Winter auf der Gasrechnung beziehungsweise der Abschlagsrechnung auftauchen.
Noch unklar ist, wie die Regierung die Energiekonzerne und die von ihnen in Zukunft genannten Gas-Einkaufspreise kontrollieren will. „Wir werden verhindern, dass da irgendein Schmu passiert“, versprach Habeck. Doch die Behörden werden wohl vor allem darauf angewiesen sein, dass die Konzerne ehrlich ihre Gas-Einkaufspreise nennen, damit auf dieser Grundlage eine faire Umlage berechnet werden kann. Was auch angesichts der Laufdauer der Umlage wichtig wäre: Sie soll bis Ende September 2024 erhoben werden.