Robert Habeck wusste, dass dieser Moment kommen würde. Er wusste nur nicht wann. Dass die Stimmung kippen und er Prügel beziehen würde. Das war ihm klar, wenn man vor zwei Monaten mit ihm plauderte, wenn die Kameras ausgeschaltet waren. Jetzt ist es so weit. Am Ende des Sommers verstehen die Leute da draußen, wie hart die Energiekrise das Land im Winter treffen wird. Und dass es danach nicht einfach wieder gut wird, sondern Strom, Gas und Sprit sehr teuer bleiben dürften. Eben noch war er der grüne Super-Star des Kabinetts, der Politik so anders erklärte, jetzt zeigen ihn die Zeitungen in Karikaturen böse verhauen mit blauem Auge und dicker Lippe.
Die Energiekrise ist ihm enteilt. Ihre Folgen sind so heftig, dass der Wirtschaftsminister – genau wie der Bundeskanzler und die anderen Mächtigen der Regierung – nicht nachkommen. Sie hecheln hinterher und machen Fehler. So wie bei Sandra Maischberger, in deren Sendung Habeck ein kommunikatives Desaster baut.
Habecks schlechtes Bäcker-Beispiel bei Maischberger zieht weite Kreise
Er wählt ausgerechnet Bäckereien als Beispiel für Unternehmen, die einfach mal wegen der enormen Kosten für Energie und Mehl für einige Monate zusperren können, um dann wieder loszulegen. „Dann sind die nicht insolvent automatisch, aber sie hören vielleicht auf, zu verkaufen“, stammelte er. Was unter Umständen Industriebetrieben gelingt, die zeitweise einzelne Anlagen stilllegen, ist Bäckern unmöglich. Im Bundestag streute Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) genüsslich Salz in die Wunde.
Für den Grünen-Politiker ist es mehr als ein Ausrutscher. Der Video-Schnipsel verbreitete sich rasend in den sozialen Netzwerken und in WhatsApp-Gruppen auf den Handys. Die Zuschauer sahen einen müden Mann, der die deutsche Wirtschaft durch eine existenzielle Krise führen soll und offenbar basale wirtschaftliche Zusammenhänge nicht verstanden hat. Bereits zuvor hatte die schlecht gemachte Gasumlage an seinem Ruf genagt, von der auch Unternehmen profitiert hätten, die hohe Gewinne machen.
Den Murks perfekt machte einen Tag nach seinem Offenbarungseid bei Maischeberger der Atomkonzern Preussen Elektra, der Habecks wackeligen Kompromiss bei den verbliebenen Kernkraftwerken infrage stellte. Der Minister zeigte sich „verwundert“ über ein Schreiben des Unternehmens, das rein zufällig seinen Weg in die Öffentlichkeit fand. Verwundert ist im politischen Berlin der Ausdruck, wenn einem etwas übel aufstößt.
Habecks Atomplan ist derart gezimmert, dass die Meiler Ende des Jahres wie ursprünglich vorgesehen vom Netz gehen und nur dann weiterlaufen sollen, wenn es gar nicht zu vermeiden ist. Es ist die Furcht vor der Grünen-Basis, die zu dieser riskanten Wette geführt hat.
Die Zustimmung zu Robert Habecks Kurs ist geschrumpft
Gleichzeitig ist es das erste Mal seit dem Amtsantritt, dass Habeck sich für die Ideologie seiner Partei und gegen die Anforderungen der rauen Realität entscheidet. Denn Deutschland wird in der kalten Jahreszeit von Stromimporten aus dem Ausland abhängig sein, wie der Stresstest der Netzbetreiber ergeben hat. Dort finden es die Regierenden und Stromversorger irrwitzig, dass Deutschland mitten in der schwersten Energiekrise seit 50 Jahren drei große Atomkraftwerke abstellen will, um dann Atomstrom aus Frankreich zu importieren.
Diese Mischung aus Aussetzern, Pannen und Festhalten an grüner Weltanschauung hat den Wirtschaftsminister Zustimmung gekostet. Im aktuellen Politbarometer des ZDF verliert der 53-Jährige spürbar, wenngleich er den ersten Rang als beliebtester Politiker halten kann. Bergab geht es in der Umfrage auch mit seiner Partei.
Habecks Hilfsprogramm soll nun gegensteuern
Um nicht noch mehr Kritik und Angriffe auf sich zu ziehen, hat Habeck ein großes Hilfsprogramm für die Wirtschaft angekündigt. Ein Schutzschirm für kleinere Unternehmen und den Mittelstand soll nun das verhindern, was es eigentlich nicht geben sollte – Betriebsausgaben.
Das Rettungsprogramm wird wie die Corona-Hilfen Milliarden und Abermilliarden kosten. Finanzminister Christian Lindner braucht noch ein Stück, um die FDP-Wähler darauf vorzubereiten, dass die Schuldenbremse damit unvereinbar ist. Der Wirtschaftsminister hat damit ohnehin kein Problem. Habeck nutzte eine Rede im Bundestag, um Merz zu kontern, der ihn verspottet hatte. „Wir räumen in wenigen Monaten auf, was sie in 16 Jahren verbockt, verhindert und zerstört haben.“ Die heftige verbale Attacke ist eigentlich nicht sein Stil. Habeck muss sich dazu zwingen. Der Verweis auf die Vergangenheit nutzt sich zudem mit jedem Tag stärker ab, den die Ampel-Koalition regiert.