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Foto: Julian Stratenschulte, dpa
Foto: Julian Stratenschulte, dpa

Wenn nur noch die akkubetriebenen Lampen einer Baustelle für Licht im Viertel sorgen: Ganz auszuschließen sind Stromausfälle nie, passieren jedoch in Deutschland bislang nur vereinzelt.

Energiekrise
05.08.2022

Angst vor dem Blackout: So groß ist die Gefahr eines Stromausfalls

Von Michael Stifter

Gehen in Deutschland bald die Lichter aus? Diese Sorge prägt die Debatte um die Atomkraft. Warum das Risiko gestiegen ist und dennoch kein Grund zur Panik besteht.

Gehen bei uns im Winter die Lichter aus? Die Sorge vor einem großflächigen Stromausfall ist jedenfalls eines der Hauptargumente derer, die eine Laufzeitverlängerung der Kernkraft fordern. Experten sind sich einig, dass die Stromversorgung anfälliger geworden ist. Das hat mit der Energiewende zu tun, mit Versäumnissen beim Netzausbau – und mit Putin. Doch wie realistisch ist das Blackout-Szenario tatsächlich?

Die gesicherte Leistung bei Photovoltaik ist null

Matthias Luther leitet den Lehrstuhl für Elektrische Energiesysteme an der Uni Erlangen-Nürnberg. Für ihn steht fest: „Wir haben in Deutschland ein Defizit an gesicherter Leistung, also Strom, den wir jederzeit fest einplanen können.“ Das hängt vor allem mit dem Umbau auf erneuerbare Energien zusammen.

„Bei Photovoltaik beträgt die gesicherte Leistung null, weil nachts keine Sonne scheint. Bei allen Windkraftanlagen zusammen ist die gesicherte Leistung gerade einmal so hoch wie bei einem großen konventionellen Kraftwerk. Wenn nun die Kernkraftwerke auch noch wegfallen, sinkt die gesicherte Leistung im Netz weiter“, warnt Luther und zieht ein ernüchterndes Fazit: „Die Wahrscheinlichkeit für einen Blackout wird größer. Wir sind schon in der Vergangenheit immer wieder mal knapp an einer größeren Störung vorbeigeschrammt.“

Netzbetreiber müssen immer öfter eingreifen, um Lage zu stabilisieren

Weil Wind und Sonne schwer zu kalkulieren sind, müssen die Übertragungsnetzbetreiber immer öfter eingreifen. Kommt zu viel Strom an, regulieren sie die Erzeugung vorübergehend nach unten, um eine Überlastung zu verhindern. Steht zu wenig Energie zur Verfügung, werden zusätzlich Kraftwerke hochgefahren.

Die Firma Amprion, die sich auch in unserer Region um das Netz kümmert, setzt vermehrt auf Künstliche Intelligenz für die Auswertung von Wetterdaten, dennoch lässt sich die Leistung von Photovoltaikanlagen oder Windrädern nicht so punktgenau einplanen wie die eines Kohle-, Gas- oder Kernkraftwerks. Hinzu kommt, dass die Netze den neuen Herausforderungen nicht immer gewachsen sind. „Durch den Transport von Ökostrom über weite Strecken, beispielsweise von der Nordsee in die Industriezentren in West- oder Süddeutschland, treten seit einigen Jahren vermehrt Engpässe auf“, bestätigt Amprion auf Nachfrage unserer Redaktion.

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Der Ausfall russischer Gaslieferungen bringt das System ins Wanken

Zur Minimierung des Blackout-Risikos wird jeweils am Vortag ermittelt, wie viel Energie die großen Erzeuger einspeisen und was aus dem Netz entnommen wird. Um Engpässe in der „Dunkelflaute“ (wenig Wind, keine Sonne) auszugleichen, sollen Gaskraftwerke eigentlich eine noch wichtigere Rolle spielen, da Deutschland ja den Ausstieg aus Kohle und Atomkraft beschlossen hat. Angesichts der Reduzierung von Gaslieferungen aus Russland droht dieses Konzept nun aber ins Wanken zu geraten. Denn: Man will derzeit so wenig Gas wie möglich für die Stromerzeugung „verschwenden“, muss das aber tun, um verlässlich Energie zu produzieren.

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„In der Energiewirtschaft gibt es drei Eckpunkte: so sicher wie möglich, so wirtschaftlich wie möglich, so umweltverträglich wie möglich. Wenn wir auf den Sicherheitsaspekt sehen, kann ich nur raten, die drei Kernkraftwerke laufen zu lassen“, sagt Hochschulprofessor Luther. Droht ohne Atomkraft also tatsächlich der Ernstfall? „Versorgungssicherheit in Deutschland würde auch ohne Kernenergie funktionieren“, sagt der Experte, betont aber zugleich: „Wir müssten – den geplanten Kohleausstieg unterstellt – den Strom dann halt aus anderen Ländern importieren. Energiewirtschaftlich mag das vielleicht Sinn machen, aus Sicht der Netzstabilität ist es aber höchst riskant.“

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