Die umstrittene Gasumlage soll weg – die Parteien der Ampel-Koalition aber wissen noch nicht, wie sie das Projekt gesichtswahrend beenden können. Das liegt auch daran, dass sie noch keine Alternative gefunden hat. Viel Zeit bleibt Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen dabei nicht mehr. Die Umlage für Gaskunden in Höhe von 2,419 Cent pro Kilowattstunde soll eigentlich am 1. Oktober in Kraft treten, außerdem wird am 9. Oktober in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt, und die SPD fürchtet, die Umlage könnte sie Stimmen kosten.
Gasumlage: Mehrkosten für Gas sollen anders finanziert werden
„Aus unserer Sicht sollte niemand in Deutschland diese Umlage, auch nicht übergangsweise, zahlen müssen“, stellte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert am Montag klar. Die Gasumlage war zunächst als notwendig erachtet worden, um einen Zusammenbruch der Energieversorgung abzuwenden, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erklärte. Die Mehrkosten für die Ersatzbeschaffung russischen Gases sollten mit ihr auf möglichst viele Schultern verteilt werden. Nach der staatlichen Übernahme von Uniper ist die zu verteilende Last nach Auffassung der Ampel nicht mehr so groß – der Konzern verschlingt rund 100 Millionen Euro Steuergeld pro Tag, um Gas einzukaufen.
Ersatzlos streichen aber lässt sich die Umlage nicht. Denn die Übernahme von Uniper muss finanziert werden, und die Kosten sind gewaltig. Unserer Redaktion liegt eine interne Stellungnahme des Bundesrechnungshofes vor, nach der der Bund für Unternehmen der Energiewirtschaft in den letzten Monaten mindestens 53,9 Milliarden Euro an Gewährleistungen übernommen hat, rund 32 Milliarden Euro allein für Uniper. „Für den Eintritt des Gewährleistungsfalls bei einem oder mehreren dieser Unternehmen könnte sich schnell ein sehr großer Schaden ergeben, der aus dem Bundeshaushalt beglichen werden müsste“, warnt der Bundesrechnungshof, der die Haushaltspolitik der Ampel „mit großer Sorge“ beobachtet.
Lindner beharrt auf Schuldenbremse
Klaus Müller, der Chef der Bundesnetzagentur, plädiert dafür, die Umlage beizubehalten. Es gelte, einen Kollaps von Stadtwerken und Unternehmen zu verhindern. „Das darf nicht in den Hintergrund treten, wenn jetzt alle über handwerkliche Herausforderungen und Ähnliches diskutieren“, sagte Müller im Gespräch mit unserer Redaktion. In der Koalition allerdings ist das Ende der Umlage offenbar nur noch eine Frage der Zeit.
Wenn es aber keine Umlage mehr gibt, was kommt dann? Die Ampel-Parteien schweigen sich dazu aus. „Das Geld kann gefunden werden, das Geld wird gefunden werden“, sagte Kühnert lediglich und verwies in einem Halbsatz auf „haushalterische Spielräume“. Das deutet auf Pläne hin, die Umlage durch Steuern zu finanzieren. Habeck und SPD-Chefin Saskia Esken schlagen als Ersatz ein spezielles Kreditprogramm analog zum 100-Milliarden-Euro-Paket für die Bundeswehr vor. Außerdem könnte die Regierung eine Notlage erklären und die Schuldenbremse lockern. Die FDP lehnt das jedoch weiterhin strikt ab. Ihr Chef Christian Lindner verlangte am Montag von der Koalition ein „ausdrückliches Bekenntnis zur Schuldenbremse im Bundeshaushalt“. Der Finanzminister mahnte: „Die Schulden, die wir jetzt machen, das werden schon morgen die Belastungen für die Steuerzahler sein.“
Grünen-Chef Omid Nouripour deutet den Ausweg an. Die Umlage werde am 1. Oktober in Kraft treten, sagte er, und dann wieder gekippt werden.