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Energiekrise: Scholz: Drei Atomkraftwerke sollen länger laufen können

Energiekrise

Scholz: Drei Atomkraftwerke sollen länger laufen können

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    Das Kernkraftwerk Neckarwestheim in Baden-Württemberg.
    Das Kernkraftwerk Neckarwestheim in Baden-Württemberg. Foto: Bernd Weißbrod, dpa

    Die verbleibenden drei deutschen Atomkraftwerke sollen bis maximal Mitte April kommenden Jahres weiterlaufen können. Das hat Kanzler Olaf Scholz entschieden, wie am Montag aus einem vom Bundespresseamt veröffentlichten Schreiben des SPD-Politikers an die zuständigen Minister hervorging. Scholz weist die Minister darin an, dem Kabinett Gesetzesvorschläge vorzulegen, damit die Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 sowie Emsland über das Jahresende hinaus bis längstens zum 15. April 2023 weiterlaufen können.

    Die FDP begrüßte die Entscheidung umgehend, die Grünen reagierten zurückhaltend. Tagelang hatten vor allem diese beiden Ampel-Partner darum gestritten, ob und wie lange die drei noch laufenden Atomkraftwerke weiter betrieben werden sollen.

    Grüne tragen Streckbetrieb mit

    Die Grünen hatten am Wochenende auf einem Parteitag beschlossen, nötigenfalls einen sogenannten Streckbetrieb für die Meiler Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg bis Mitte April 2023 mitzutragen. Der einst vereinbarte Atomausstieg sieht eigentlich ein Betriebsende für alle deutschen AKW zum Jahreswechsel vor. Die FDP wollte auch das dritte Atomkraftwerk Emsland in Niedersachsen am Netz halten und alle drei bis ins Jahr 2024 hinein laufen lassen. Gegebenenfalls sollten bereits stillgelegte AKW reaktiviert werden.

    Scholz schrieb, zudem solle ein ehrgeiziges Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz vorgelegt werden. Auch solle die Verständigung der Wirtschaftsministerien im Bund und Nordrhein-Westfalen mit dem Energiekonzern RWE zum Kohleausstieg im Rheinischen Revier "gesetzgeberisch umgesetzt" werden.

    Die Vereinbarung dazu sieht unter anderem vor, zwei Braunkohlekraftwerke bis 2024 laufen zu lassen, aber den Kohleausstieg im Rheinischen Revier auf 2030 vorzuziehen. Die Bundesregierung wolle zudem die Voraussetzung für den Zubau neuer "wasserstofffähiger Gaskraftwerke" schaffen, also von Kraftwerken, die später mit klimafreundlichem Wasserstoff betrieben werden können.

    Scholz hat Richtlinienkompetenz

    Mit dem Schritt machte Scholz von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch, die in Artikel 65 des Grundgesetzes verankert ist. Demnach bestimmt der Kanzler "die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung". Weiter heißt es dort: "Über Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bundesministern entscheidet die Bundesregierung." Mit seiner Entscheidung schafft Scholz nun einen Ausweg für Grüne und FDP, die sich mit unvereinbaren Positionen verhakt hatten.

    Von der Richtlinienkompetenz machen amtierende Bundeskanzler nur in besonderen Fällen Gebrauch. So hatte beispielsweise die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Jahr 2016 in der Frage, ob eine strafrechtliche Ermittlung gegen den Satiriker Jan Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Staatspräsidenten zugelassen werde, per Richtlinienkompetenz entschieden. Auf Basis dieser Entscheidung waren Ermittlungen gegen den deutschen Satiriker möglich.

    Lindner begrüßte die Entscheidung des Kanzlers. "Es ist im vitalen Interesse unseres Landes und seiner Wirtschaft, dass wir in diesem Winter alle Kapazitäten der Energieerzeugung erhalten. Der Bundeskanzler hat nun Klarheit geschaffen." FDP-Fraktionschef Christian Dürr schrieb auf Twitter: "Gute Nachrichten vor dem Hintergrund der Energiekrise."

    Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, lobte den Beschluss als "eine angemessene, pragmatische Lösung für Atomkraft". Sie schrieb auf Twitter: "Jetzt alle Kraft in den Ausbau der Erneuerbaren und Schnelligkeit bei Gas- und Strompreisbremse!"

    Habeck: Vorschlag "mit dem ich arbeiten kann"

    Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warb dafür, der Entscheidung des Kanzlers im Atomstreit zu folgen. Dass Scholz nun in der Frage der Laufzeiten der verbleibenden drei Atomkraftwerke seine "maximale Autorität" eingesetzt habe, sei eine "unübliche Lösung einer verfahrenen Situation", sagte Habeck in den ARD-"Tagesthemen". "Er ist voll ins Risiko gegangen, und ich werbe dann dafür, dass wir jetzt diesen Weg auch gehen, weil alles andere staatspolitisch nicht verantwortlich wäre."

    Die Grünen-Spitze hatte zurückhaltend auf die Entscheidung von Scholz reagiert, dass die drei AKW noch bis Mitte April 2023 laufen sollen. Die Fraktionsführung will über die Entscheidung beraten.

    Habeck dagegen bezeichnete den Vorschlag von Scholz als einen, "mit dem ich arbeiten kann, mit dem ich leben kann". "Wir mussten da irgendwie rauskommen", fügte er mit Blick auf den tagelangen Streit insbesondere zwischen Grünen und FDP hinzu.

    Kritik von der Opposition

    Der Unionsfraktionschef und CDU-Vorsitzende Friedrich Merz sagte der "Welt", Scholz' Entscheidung greife zu kurz. "Die deutschen Atomkraftwerke müssen - wie es die FDP gefordert hat - bis 2024 mit neuen Brennstäben weiterlaufen." Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder zeigte sich enttäuscht. "Das ist zwar eine Lösung im Ampelstreit, aber nicht für das Stromproblem in Deutschland", schrieb er auf Twitter.

    AfD-Fraktionsvize Leif-Erik Holm sprach von einem faulen Kompromiss. "Laufzeiten nur bis zum nächsten Frühjahr sind zu kurz und reichen nicht aus, denn der kritische Winter folgt im nächsten Jahr."

    Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, schrieb auf Twitter: "Kluger Kompromiss zur Versorgungssicherheit." Empört reagierte die Umweltschutzorganisation Greenpeace. "Die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke setzt uns alle einem nicht zu verantwortenden Risiko aus", erklärte der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser. Die AKW dürften keinen Tag länger am Netz bleiben, um mögliche Folgen im Falle eines Anschlags deutlich zu begrenzen. "In Zeiten hybrider Kriegsführung ist der Betrieb von Atomkraftwerken nicht zu verantworten."

    (dpa)

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