Für die Bundesregierung ist das farblose Gas nichts weniger als der „Energieträger der Zukunft“. Wasserstoff soll beides können: den Klimaschutz vorantreiben und die Energieversorgung sichern. Damit das funktioniert, braucht es für die aufwendige Herstellung erstens genügend Strom aus erneuerbaren Energien. Zweitens muss der Wasserstoff (H2) sicher und gleichmäßig im Land verteilt werden. Ersteres könnte klappen. Streit gibt es über die Frage, ob der Energieträger tatsächlich flächendeckend verfügbar sein wird.
Die Regierung arbeitet an einem Wasserstoff-Kernnetz, rund 9700 Kilometer Leitungslänge sind geplant. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat das Netz bereits mit den Bundesautobahnen verglichen. Während der Süden über das Autobahnnetz aber gut angebunden ist, sieht es beim Wasserstoff derzeit anders aus. Ein Blick auf die H2-Karte zeigt im Norden Deutschlands eine Vielzahl von Leitungen. Zum Süden hin nimmt die Dichte ab. Der CDU/CSU-Klimaexperte Andreas Jung aus Baden-Württemberg fordert deshalb: „Die Autobahnen der Zukunft – wie Robert Habeck es ausdrückte – dürfen an uns nicht vorbeigehen.“ Die Wasserstoff-Leitungen seien die zukünftigen Lebensadern der Wirtschaft. „Wo sie nicht ankommen, droht wirtschaftlicher Rückschritt“, erklärt der stellvertretende CDU-Vorsitzende.
Wasserstoff: SPD weist Kritik der Union zurück
Gerade erst wurde im Bundestag eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) gebilligt. Das Ziel ist die Schaffung eines Rechtsrahmens zur Entwicklung einer nationalen Wasserstoffinfrastruktur. „Das ist – wie der Name schon sagt – kein Netz, was alles abdecken soll, was zukünftig noch an Wasserstoffnetz-Bedarfen bestehen soll“, erklärt die klimaschutz- und energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Nina Scheer. Zunächst einmal wolle man „staatlicherseits garantieren“, dass auf jeden Fall ein Kernnetz entsteht.
Das Wasserstoffnetz baut zum Teil auf bestehenden Gasnetzen auf. Experten gehen aber davon aus, dass noch einmal bis zu 50 Prozent der ursprünglichen Kosten für die jeweilige Gasleitung investiert werden müssen, damit Wasserstoff hindurchgeleitet werden kann. Außerdem müssten neue Leitungen gebaut werden. Es geht also wie so oft ums Geld.
Energieversorgung mit erneuerbaren Energien: Es geht wie so oft ums Geld
Bei einer öffentlichen Anhörung zum EnWG äußerten Sachverständige massive Kritik an der Finanzierungsfrage. Die Bereitschaft, ein angemessenes Risiko hinsichtlich der Finanzierung des Kernnetzes zu tragen, sei da. Aber die Risiken für die Netzbetreiber seien „erheblich". Dabei kommt die Ampel der Industrie nach eigener Einschätzung beim Geld weit entgegen. „Mit der Einführung eines sogenannten Amortisationskontos werden die ökonomischen Lasten des Wasserstoffkernnetzes gestreckt und damit dessen Finanzierbarkeit gestützt“, erklärt die Abgeordnete Scheer. Vereinfacht ausgedrückt heißt das: Finanzierungslücken werden vom Staat für eine bestimmte Zeit finanziell ausgeglichen. Scheers Parteifreund Andreas Rimkus, Wasserstoffbeauftragter der SPD-Fraktion, ergänzt, durch die Flexibilisierung des Finanzierungsmechanismus könnten Leitungsbauprojekte bis zu fünf Jahre länger unter dem Schirm der staatlichen Absicherung verbleiben. „Zudem sorgen wir dafür, dass sich ein Insolvenzfall bei einem der zukünftigen Kernnetzbetreiber nicht negativ auf die übrigen Netzbetreiber auswirkt.“
Die Zweifel der Union kann das nicht ausräumen. "Das Gesetz muss sich konkret an der Frage beweisen, ob es Fernnetzbetreiber und ihre Kapitalgeber tatsächlich überzeugt“, sagt der CDU-Abgeordnete Jung. Statt Euphorie mache sich dort Skepsis breit.