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Energiekrise: Die einen zahlen, andere kassieren: Wie gerecht ist die Gasumlage?

Energiekrise

Die einen zahlen, andere kassieren: Wie gerecht ist die Gasumlage?

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    Die Gasumlage der Ampel-Koalition ist und bleibt heftig umstritten.
    Die Gasumlage der Ampel-Koalition ist und bleibt heftig umstritten. Foto: Hauke-Christian Dittrich, dpa

    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ließ keinen Zweifel, als er jüngst eine jener Maßnahmen verkündete, die besonders schmerzhaft für viele Menschen im Land werden: „Diese Umlage ist die gerechtmöglichste Form, die zusätzlich aufgelaufenen Kosten in der Bevölkerung zu verteilen und zu tragen“, sagte er über die Gasumlage. „Die Alternative ist nicht keine Umlage. Die Alternative wäre der Zusammenbruch des deutschen Energiemarktes gewesen.“

    Zum 1. Oktober soll sie erstmals erhoben werden. Mindestens 34 Milliarden Euro sollen so bis zum 1. April zusammenkommen. Doch je näher der Termin rückt, umso massiver wird die Kritik. Denn inzwischen ist bekannt, dass nicht nur jene Energieversorger die Prämie erhalten, die in massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind – so wie etwa Uniper. Sondern auch Konzerne, die die Krise bislang gut meistern.

    Insgesamt haben zwölf Unternehmen Ansprüche aus der Gasumlage geltend gemacht. Es sind: AXPO Solutions AG, DXT Commodities S.A., EWE Trading GmbH, ENET Energy SA, Gunvor Group Ltd., RWE Supply & Trading GmbH, OMV Gas Marketing & Trading GmbH, SEFE Marketing & Trading Ltd, Uniper SE, Vitol SA, VNG Handel & Vertrieb GmbH, WIEH GmbH.

    Viele Konzerne konnten in der Krise ihre Gewinne steigern

    Hinter den Abkürzungen und Buchstabenkolonnen stehen unter anderem auch Ölkonzerne und Kraftwerksbetreiber, die gerade durch die aktuelle Krise gut verdient haben, weil die hohen Preise für Strom oder Sprit Millionen in ihre Kassen spülen.

    Andere gehören zu Mutterkonzernen, die etwaige Verluste gut auffangen können. Unter anderem die OMV konnte im ersten Halbjahr einen Gewinn von 3,4 Milliarden Euro verbuchen – doppelt so viel wie im gleichen Zeitraum des Jahres 2021.

    Die OMV mit Hauptsitz in Österreich betreibt unter anderem Tankstellen und fördert Gas. Gar als größter unabhängiger Ölhändler der Welt gilt Vitol, auch dort kann man eigentlich über Rekordgewinne jubeln. Die RWE, der größte Stromerzeuger des Landes, gibt immerhin an, die Ansprüche zwar angemeldet zu haben, sie aber wohl nicht abrufen zu wollen. VNG ist eine Tochter des baden-württembergischen Unternehmens EnBW, das seit Jahresbeginn einen um ein Drittel gestiegenen Aktienkurs verzeichnen kann. Der Schweizer Energiehändler Axpo hat laut Handelsblatt den Umsatz im ersten Halbjahr um 100 Prozent gesteigert.

    CSU-Generalsekretär Martin Huber greift die Regierung wegen der Gasumlage an.
    CSU-Generalsekretär Martin Huber greift die Regierung wegen der Gasumlage an. Foto: CSU

    Für die Union ist die Gasumlage damit in ihrer jetzigen Form politischer Murks. „Die Gasumlage von Robert Habeck hat einen grundlegenden Konstruktionsfehler“, sagt Martin Huber, Generalsekretär der CSU. „Sie belastet pauschal Millionen Menschen zusätzlich, die ohnehin gestiegene Energiekosten zu tragen haben. Und sie entlastet zum Teil Konzerne, die Milliardengewinne einfahren.“ Obendrein würden Rentner und Studenten bei Entlastungen schlicht vergessen. Sein Vorwurf: „Das ist nicht nur ungerecht, sondern Politik der sozialen Kälte.“

    Auch die Regierung ist sich bei der Gasumlage keineswegs einig

    Angesprochen auf die Kritik, dass von der Umlage auch Firmen profitieren könnten, denen es finanziell gut geht, erklärt ein Regierungssprecher, dies sei ein geringer Teil der Unternehmen, die Ansprüche geltend gemacht hätten. Es sei um schnelle Maßnahmen gegangen, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Einige Firmen hätten erklärt, die Umlage nicht in Anspruch zu nehmen. Es wäre ein feiner Zug, wenn das auch andere Firmen machten. Die Regierung sei von der Rechtmäßigkeit der Umlage überzeugt.

    Doch gerade das ist keineswegs eindeutig. So schiebt Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) den Schwarzen Peter dem Koalitionspartner von den Grünen zu. Er „gehe davon aus, dass der Energieminister sich etwas überlegt, wie er mit diesem potenziellen Problem der Mitnahmeeffekte umgeht“, sagte Buschmann dem Nachrichtenportal The Pioneer. Damit meinte er den Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der auch für Energiefragen zuständig ist.-

    Inzwischen wachsen auch bei Habeck selbst die Zweifel. Es hätten sich ein paar Unternehmen "reingedrängelt", "die nun wirklich viel Geld verdient haben und die Umlage der Bevölkerung nicht brauchen", sagte der Grünen-Politiker am Donnerstagabend vor Unternehmern in Münster. Aus Gründen der Gleichheit vor dem Gesetz hätten diese Unternehmen einen Rechtsanspruch, so Habeck weiter. "Aber es ist sicherlich nicht moralisch richtig, dass Unternehmen, die - lassen Sie mich das mal plattdeutsch sagen - ein Schweinegeld verdient haben, dann auch noch sagen: Ja, und für die paar Einnahmeausfälle, die wir haben, da bitten wir die Bevölkerung um Hilfe, die soll uns nämlich auch noch Geld geben."

    In diesem Zusammenhang kündigte er an: "Wir gucken uns das noch mal ganz genau an, ob wir noch einen juristisch sicheren Weg finden, die nicht richtige Inanspruchnahme von diesen Unternehmen dort zu beenden."

    #Marcel Fratzscher: "Die Gasumlage ist ein Fehler"

    Tatsächlich steht das Projekt auch bei Experten in der Kritik. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, sagte unserer Redaktion auf Anfrage: „Die Gasumlage ist ein Fehler, weil nicht die Bürgerinnen und Bürger für die Verluste von Unternehmen aufkommen sollten. Wenn der Staat Uniper für systemrelevant hält, dann sollte er selbst das Unternehmen retten und nicht die Kosten vor allem auf die einkommensschwächsten und verletzlichsten Menschen umlegen.“ Fratzscher meint zudem: „Wenn die Bundesregierung die Gasumlage umsetzen will, dann muss sie zwingend auch eine Übergewinnsteuer für die Unternehmen in der gleichen Branche anwenden. Denn eine politische Entscheidung, Verluste von Unternehmen zu sozialisieren, aber die Gewinne der gleichen Unternehmen zu privatisieren, steht im krassen Widerspruch zur sozialen Marktwirtschaft.“

    Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hält die Gasumlage für einen Fehler.
    Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hält die Gasumlage für einen Fehler. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Dietmar Bartsch, der Fraktionschef der Linken im Bundestag, weist auf eine weitere vermeintliche Unwucht im Energiesektor hin. Er fordert ein Moratorium auf Stromexporte aus Deutschland ins europäische Ausland. „Es ist den Bürgerinnen und Bürgern kaum zu erklären, warum hierzulande der Sparzwang und explodierende Preise gelten sollen, wenn gleichzeitig in Größenordnungen Strom exportiert wird. Dass dafür auch Gas genutzt wird, ist nicht vermittelbar.“

    Es sei absurd, so sagte Bartsch im Gespräch mit unserer Redaktion, wenn Länder wie Frankreich erst die Energiewende verschleppen, dann die Verbraucherinnen und Verbraucher hierzulande die Zeche zahlen, während gleichzeitig die Strompreise in Deutschland EU-weit die höchsten sind. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass es Deutschland ist, das von seinen europäischen Partnern Solidarität in der Energiekrise verlangt und auf EU-Ebene einen Gasnotfallplan durchgesetzt hat. Die Länder sollen 15 Prozent ihres Gases einsparen.

    Union will die Gasumlage im Bundestag kippen

    Die Energiekrise und ihre teils absurd anmutenden Volten wird die Ampel noch weiter beschäftigen. Egal, ob die Regierung die Kritik an der Gasumlage ernst nimmt – sie ist so oder so spätestens in ein paar Tagen ohnehin wieder auf der Agenda. Denn die Union will in der nächsten Sitzungswoche des Bundestags Anfang September beantragen, die Gebühr wieder abzuschaffen. In CDU und CSU hofft man darauf, dass auch einige bei den Grünen und in der SPD mit dem Projekt hadern und sich damit eine Mehrheit findet, um die Umlage wieder zu kippen.

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