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Energie: Habecks Atom-Formel sorgt für Zoff in der Ampel – und bei den Grünen

Energie

Habecks Atom-Formel sorgt für Zoff in der Ampel – und bei den Grünen

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    Der Wirtschaftsminister sorgt mit seiner Reserve-Idee für Atomkraftwerke für Kontroverse.
    Der Wirtschaftsminister sorgt mit seiner Reserve-Idee für Atomkraftwerke für Kontroverse. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim in Baden-Württemberg: Diese zwei der drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke will Energieminister Robert Habeck (Grüne) notfalls als Reserve noch bis Mitte April nutzen können. Doch Habecks mühsames Zugeständnis an die Energiekrise bringt der Koalition keine Ruhe.

    FDP kritisiert Kompromiss bei der Atomkraft

    Bei der FDP stößt der Nuklear-Kompromiss auf heftige Kritik. Bundestagsfraktionsvize Lukas Köhler sagte: "Es wäre ein Treppenwitz, wenn zwei Kernkraftwerke zwar mit allen damit verbundenen Kosten weiterlaufen, aber inmitten einer schweren Energiekrise keinen Strom produzieren dürften." Seine Fraktion fordere stattdessen einen "Weiterbetrieb der drei Kernkraftwerke bis 2024". Köhler sprach aber auch von einem "Schritt in die richtige Richtung", der freilich nicht weit genug gehe.

    So bleibt die Atomfrage zwar umstritten, doch die ganz große Gefahr für das regierende Ampel-Bündnis bildet sie im Moment wohl nicht. Was auch daran liegt, dass die Kanzlerpartei SPD im Streit der beiden Juniorpartner eher eine Beobachterrolle spielt. Ihre offizielle Position ist zwar ein klares Bekenntnis zum Atomausstieg, wie es auch im Koalitionsvertrag steht. Doch für viele hochrangige Genossinnen und Genossen gibt es wichtigere Themen. Etwa die Frage, wie die ärmeren Teile der Bevölkerung ihre Energierechnungen überhaupt bezahlen sollen. Den Atomstreit mussten also Grüne und FDP weitgehend untereinander klären.

    Wackelige Brücke zur eigenen Basis

    Zuvor hatte Habeck dem eigenen Lager eine Brücke bauen wollen, was sich mindestens ebenso haarig gestaltete wie der Zoff mit den Liberalen. Denn der Kampf gegen geplante Atomanlagen wie Wyhl, Gorleben, Brokdorf oder Wackersdorf ab den 1970er-Jahren zählt zu den wichtigsten Gründungsmythen der Grünen. Der endgültige Atomausstieg, der Ende 2022 vollzogen sein soll, gilt folglich als ihr größter politischer Erfolg. Dem traditionell wirtschaftsfreundlichen Koalitionspartner FDP in Sachen Kernkraft-Ende auch nur ein winziges Schrittchen entgegenkommen?

    Das wäre der Basis als Tabubruch, als Verrat an einem urgrünen Projekt vorgekommen, den sich nicht einmal Parteiikone Habeck leisten könnte. So schien es zumindest zunächst. Lange lautete das Credo des Energieministers, dass durch den Ukraine-Krieg im kommenden Winter ja ein Gas- oder Wärmeproblem drohe – aber eben kein Stromproblem. Ein Weiterbetrieb nutze also praktisch nichts und sei zudem gefährlich.

    Doch die Brandmauer begann zu bröckeln, je klarer wurde, wie heftig die Auswirkungen des Ukraine-Krieges für den deutschen Energiemarkt noch werden könnten. In der Bevölkerung und selbst in der eigenen Wählerschaft stieg die Zustimmung zu einem Weiterbetrieb der drei Kernkraftwerke stetig. Das strikte Anti-Atom-Glaubensbekenntnis aus der Vergangenheit wurde zunehmend zum politischen Risiko für die Grünen und die Kanzler-Ambitionen von Habeck. Ein Winter mit teurem und knappem Gas, in dem auch noch der Strom unerschwinglich wird oder gar ausfällt, während eine vorhandene Quelle der grünen Sturheit wegen ungenutzt bleibt – das würde die Bevölkerung wohl lange nicht verzeihen.

    Eigentlich ist 2022 Schluss mit deutschen Atomkraftwerken. Jetzt sollen zwei aber noch als Notreserve die Stromversorgung im Winter sichern.
    Eigentlich ist 2022 Schluss mit deutschen Atomkraftwerken. Jetzt sollen zwei aber noch als Notreserve die Stromversorgung im Winter sichern. Foto: Friso Gentsch, dpa (Symbolbild)

    So zimmerte Habeck einen Kompromiss: Das Atomkraftwerk Emsland geht wie geplant Ende des Jahres vom Netz. Manche Beobachter glauben, dass das auch damit zu tun hat, dass in Niedersachsen bald der Landtag gewählt wird und die Grünen die Kernkraftgegner unter den Wählern nicht verprellen möchten. Die beiden anderen Meiler im Süden dagegen bilden eine "Kaltreserve", liefern also zunächst gar keinen Strom, was für die grüne Basis so ausgelegt werden kann, dass sie ja gar nicht weiterbetrieben werden. Sie können aber innerhalb weniger Tage hochgefahren werden, wenn der Strom im Land knapp wird – womit wiederum die FDP immerhin einen Teilerfolg erzielt hat.

    Fürs Erste scheint es Habeck gelungen zu sein, Druck aus dem Kessel zu nehmen. Doch spätestens mit neuen Rekordpreisen an der Energiebörse steigt der Druck wieder an. CDU und CSU werden nichts unversucht lassen, den Wirtschaftsminister als Hasardeur dastehen zu lassen, dem die eigene Ideologie wichtiger ist als das Wohlergehen des Landes. Dass die Liberalen sich der Debatte entziehen werden, ist unwahrscheinlich.

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