Wunsch und Wirklichkeit in der deutschen Klimapolitik liegen meilenweit auseinander. Der Weltklimarat etwa ist der Überzeugung, dass der Kampf gegen die Erderwärmung nur gelingen kann, wenn Treibhausgase unterirdisch gespeichert werden. Norwegen zum Beispiel ist hier Vorreiter. Ab nächstem Jahr soll verflüssigtes Kohlendioxid unter dem Meeresboden vor der Küste eingebracht werden, damit es nicht in die Erdatmosphäre gelangt und den Klimawandel beschleunigt.
CCS ist die international gebräuchliche Abkürzung – Carbon-Capture und Storage. Zu Deutsch: CO2-Abscheidung und Speicherung. Was in Norwegen bald Wirklichkeit wird, ist in Deutschland verboten. Eine Ausnahme gilt nur für Versuchsanlagen. Nun könnte Deutschland den Weg gehen, den es oft gegangen ist. Das, was man bei sich nicht will, anderen Ländern zu überlassen, zum Beispiel Plastikmüll oder Atomstrom. Doch bei Kohlendioxid ist dieser Weg verschlossen. Denn auch der Export ist nicht erlaubt.
CO2-Abscheidung und Speicherung: Technologie der Zukunft?
CDU und CSU wollen das ändern und haben einen eigenen Antrag geschrieben. Am Donnerstag soll er im Bundestag beraten werden. Weil er von der Opposition kommt, hat er keine Chance auf eine Mehrheit. Unter Druck gesetzt werden soll damit Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck von den Grünen. „Bundeswirtschaftsminister Habeck kündigt viel an, voran geht aber nur wenig. Daher greifen wir ihm mit unserem Gesetzentwurf unter die Arme“, sagte die umweltpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Anja Weisgerber, unserer Redaktion. „Wir müssen dringend die Voraussetzungen schaffen, um in einem ersten Schritt CO2 zum Beispiel nach Norwegen oder Dänemark exportieren zu können.“
Später soll das Verpressen auch in Deutschland erlaubt werden, zum Beispiel in Hohlräumen unter der Erde, in denen früher Erdgas lagerte, das gefördert wurde. Vor allem in Norddeutschland finden sich diese Kavernen. Der Antrag von CDU und CSU ruft die Bundesregierung auf, „unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen“. Das Dokument liegt unserer Redaktion vor. Mit dem Gesetz soll dann das Verbot zur Ausfuhr von CO2 aufgehoben werden.
Umweltschützer und die Grünen hatten im Verbund mit den Bauern CCS massiv bekämpft und waren vor etwas mehr als zehn Jahren erfolgreich damit. Sie wollten verhindern, dass die Energiekonzerne das Kohlendioxid ihrer Braunkohlekraftwerke einfangen und verpressen. Und sie fürchteten, dass das Gas in hohen Konzentrationen wieder austreten könnte. Dagegen war seinerzeit auch der heutige Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne). Doch Habeck hat seine Meinung mittlerweile geändert. „Lieber das CO2 in die Erde als in die Atmosphäre", sagt er heute.
Umweltverbände warnen davor „Klimamüll“ in den Boden zu leiten
Ohne die Technologie wird Deutschland nicht schon 2045 seinen CO2-Ausstoß auf nahe null herunterfahren können. Im November hatte der Wirtschaftsminister angekündigt, im Jahr 2023 einen Gesetzentwurf vorzulegen, um CCS zu erlauben. Nun ist das Jahr noch relativ jung, aber die Union ergreift die Gelegenheit, um gegen den Grünen-Politiker zu stänkern. Für die Öko-Partei ist die Speicherung von Kohlendioxid dennoch kein Gewinnerthema. Die Umweltverbände warnen davor, „Klimamüll“ in den Boden zu leiten oder die Meere zur CO2-Halde zu machen.
Das Abscheiden und Speichern von Treibhausgasen könnte Klimaschutz und Industrie versöhnen. Denn bei der Herstellung von Zement, Stahl und Glas ist der Ausstoß von CO2 selbst bei Einsatz von grünem Wasserstoff nicht oder kaum zu verhindern. In Norddeutschland gibt es deshalb Pläne für den Bau einer Röhre, die das Gas nach Wilhelmshafen transportiert, von wo es verflüssigt mit Tankern zu den Lagerstätten unter dem Meeresboden gebracht werden könnte. Die zweite Pipeline soll Deutschland direkt mit Norwegen verbinden. Wintershall Dea und der norwegische Energiekonzern Equinor stehen hinter dem Projekt. Deutschland und Norwegen hatten Anfang dieses Jahres eine Energiepartnerschaft geschlossen.