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Emmanuel Macron warnt: EU muss Souveränität ausbauen

Frankreich

Emmanuel Macron: „Unser Europa kann sterben“

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    Der französische Präsident Emmanuel Macron hielt eine Rede über Europa im Amphitheater der Universität Sorbonne.
    Der französische Präsident Emmanuel Macron hielt eine Rede über Europa im Amphitheater der Universität Sorbonne. Foto: Christophe Petit Tesson, dpa

    Emmanuel Macron ist bekannt für seine euphorischen Reden zu europäischen Themen. Doch an diesem Donnerstagvormittag hatte er eine beunruhigende Botschaft in die Sorbonne-Universität mitgebracht: „Wir müssen uns heute darüber im Klaren sein, dass unser Europa sterblich ist, es kann sterben“, warnte der französische Präsident mit schwerer Stimme. „Es kann sterben und das hängt einzig und allein von unseren Entscheidungen ab.“ 

    In gleich dreierlei Hinsicht bestehe eine tödliche Gefahr für den Kontinent: Bedroht sei nicht nur die eigene Sicherheit angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, sondern auch das europäische Wirtschaftsmodell, das durch Großmächte wie die USA und China unter Druck gerate, und nicht zuletzt stünden die europäischen Werte und kulturelle Identität in einem Kreuzfeuer. Im nächsten Jahrzehnt sei das Risiko groß, dass Europa "geschwächt oder sogar deklassiert werde", sagte der Präsident. "Wir stehen an einem Wendepunkt." Deshalb sei es von großer Bedeutung, mutige strategische Entscheidungen zu treffen und die eigene Souveränität auszubauen.

    Macrons Rede folgt knapp sieben Jahre auf seine erste Europa-Rede an der Universität. Im September 2017 hatte der damals frisch ins Amt gewählte Präsident eine ambitionierte Vision für ein souveränes Europa entworfen, die für viel Aufsehen gesorgt hatte. Richtete er sich im September 2017, wenige Monate nach seiner ersten Wahl zum Präsidenten und zwei Tage nach der deutschen Bundestagswahl, noch stark an die europäischen Partner und vor allem an Berlin, so handelte es sich nun vor allem um einen Wahlkampfauftritt. Auch wenn sein Umfeld dies zurückwies und er selbst nur indirekt auf seinen größten innenpolitischen Gegner, den rechtsextremen Rassemblement National (RN), einging. 

    Macrons Partei ist in Umfragen abgeschlagen

    Macrons Partei Renaissance droht laut Umfragen bei der Europawahl Anfang Juni vom sozialistischen Kandidaten Raphaël Glucksmann überholt zu werden, liegt aktuell bei rund 17 Prozent und damit zehn bis 15 Prozentpunkte hinter dem RN. Dessen Spitzenkandidat Jordan Bardella betont unermüdlich, es handle sich durchaus um ein nationales Votum und ruft zur Abstrafung der Regierung auf. In derselben Logik stieg der Präsident nun persönlich in die Kampagne ein – mit einem Feuerwerk an Lösungsansätzen. 

    Nicht alles sei in den vergangenen Jahren gelungen, räumte der 46-Jährige ein. Als Erfolge nannte er eine „strategische Einheit“ der 27 EU-Staaten bei Themen, die bis dahin im nationalen Bereich lagen wie der Gesundheit. Aber das reiche nicht, es sei ein Paradigmenwechsel nötig. Konkret forderte Macron eine europäische Verteidigungsstrategie mit einer gemeinsamen Rüstungsindustrie und einer über Fonds der EU finanzierten beschleunigten Aufrüstung, um der Bedrohung Russlands gewachsen zu sein. 

    Die Handelspolitik müsse angesichts massiver Subventionen von China und den USA in die eigene Industrie überdacht werden. Die Zeit, in der Europa seine Energie und Rohstoffe aus Russland bezogen habe, viele Produkte aus China geliefert wurden und die USA die Sicherheit gewährleistet hätten, sei vorbei. In Schlüsseltechnologien müsse es in der EU eine Bevorzugung europäischer Produkte geben. Auch in der Landwirtschaft und Ernährungsindustrie müssten zum Schutz der Landwirte gleiche Normen und Spielregeln garantiert werden.

    Bundeskanzler Olaf Scholz unterstützt die Vorschläge von Macron

    Angesicht der großen Herausforderungen bei Zukunftsthemen wie der Bewältigung des Klimawandels oder künstlicher Intelligenz pochte Macron auf mehr Forschung und Investitionen. Um mehr Geld zu mobilisieren, müsse die EU gemeinsame Schulden aufnehmen und die angestrebte Kapitalmarktunion beschleunigen, damit mehr privates Kapital innerhalb der EU investiert werde.

    Er stehe auch zu seiner Aussage, Bodentruppen in die Ukraine zu schicken. „Warum sollten wir gegenüber einer Macht, die keine Grenzen mehr kennt, sagen, wo die unseren liegen?“ Angesichts des hybriden Kriegs, den Moskau längst führe, gelte es, die europäischen Kapazitäten für Cybersicherheit und -verteidigung auszubauen. 

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) unterstützt im Grundsatz die vorgeschlagenen Maßnahmen für ein wirtschaftlich starkes, sicheres Europa. Gemeinsames Ziel von Frankreich und Deutschland sei es, "dass Europa stark bleibt", kommentierte Scholz auf der Plattform X. "Deine Rede enthält gute Impulse, wie uns das gelingen kann", fügte er hinzu. (mit dpa)

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