Wieder Schattenjahre, wieder soll ein Christian die abgestürzte FDP retten. Wie sich die Dinge gleichen. Damals, 2013, war es Christian Lindner, der als Retter auftrat. 2025 ist es Christian Dürr. Lindner hat vor einigen Jahren ein Buch geschrieben über die schwere Zeit in der außerparlamentarischen Opposition, als sich kein Mensch mehr für die Liberalen interessierte. „Schattenjahre“ heißt es. Die ersten Zeilen lauten: „Es war doch immer gut gegangen. Vielleicht hatte uns das zu arrogant gemacht“.
Auch diese Analyse von damals trifft verblüffend genau auf die heutige FDP zu, die hinter den Kulissen im sogenannten „F-Kabinett“ strategisch die Zerstörung der Ampel-Koalition mit FDP und Grünen plante. Von offener Feldschlacht war intern die Rede und vom D-Day, während der Vorsitzende in der Öffentlichkeit von staatspolitischer Verantwortung für die Regierung sprach. Als Zeitungen den Hinterhalt aufdecken, zerstört das (beinahe) die Partei selbst. Staatsschauspieler war noch eine der netteren Umschreibungen für den Anschlag auf die Ampel.
War es das mit der FDP?
Der beschädigte Ruf ließ sich nicht mehr reparieren. Nur 4,3 Prozent der Wähler machten ihr Kreuz bei den Freien Demokraten. Es ist das Ende der politischen Karriere von Christian Lindner, der die Partei rettete, dominierte und wieder in den Abgrund zog.
Vor wenigen Tagen nahm sein designierter Nachfolger ein Video auf. „Manche sagen: War es das mit der FDP?“, fragt Christian Dürr in die Kamera. Und antwortet direkt: „Ich sage: nein.“ Die Antwort gibt er natürlich auch sich selbst. Das Video hat Dürr in seiner norddeutschen Heimat in Ganderkesee aufgenommen. Das Städtchen liegt in der Nähe von Bremen. Dort lebt der 47-Jährige mit seiner Frau, das Paar hat zwei Kinder. Mit der Hansestadt verbindet Dürr seine Liebe zum Fußballklub Werder Bremen.
Ganderkesee ist das Gegenteil von Glanz und Glamour und das unterscheidet den Noch-FDP-Chef von dem wahrscheinlich nächsten. Lindner mag den großen Auftritt, steht gern in der Öffentlichkeit und Rote Teppiche sind ihm kein Graus. Als er seine Frau Franca Lehfeldt auf Sylt heiratet, wurde das zum Society-Event. Friedrich Merz kommt mit seiner kleinen Privatmaschine angedüst. Als Dürr 2012 seine Frau heiratet, wollten sie kein großes Ding daraus machen. Doch die bevorstehende Trauung wurde auf einem FDP-Parteitag ausgeplaudert, worauf das Paar die Tafel erweitern musste.
Auch Dürr steht für den wirtschaftsliberalen Kurs der Liberalen
Was unterscheidet beide Männer, wird auch Dürr neulich auf einer Pressekonferenz gefragt. „Der Nachname“, antwortete er im Scherz. Unserer Redaktion verrät er immerhin, warum er sich das antut. „Es braucht eine liberale Partei der Mitte daher dringender denn je. Die Union kann die Lücke nicht füllen, die die FDP im Bundestag hinterlässt, das hat Herr Merz gerade eindrucksvoll bewiesen.” In der Tat hat sich in den zurückliegenden Tagen gezeigt, dass sich außer der AfD keine der anderen Parteien dem enormen Schuldenprogramm entgegenstellt. Programmatisch steht auch Christian Dürr für den wirtschaftsliberalen Kurs Lindners, den der studierte Ökonom immer unterstützt hat. Weniger Auflagen für Unternehmen und ein sparsamer Staat sind eine Quintessenz dieses Weltbildes. Unterstützt hat er auch die Attacke auf die Ampel.
Schaffen will er die Rettung der Partei pendelnd zwischen seiner niedersächsischen Heimat und Berlin. Dürr selbst spricht von „herausfordernden Jahren“, die vor ihm liegen. Seit 30 Jahren ist er dabei, trat als Jugendlicher bei der FDP-Jugend ein. Das wirft man nicht einfach so weg. „Für den politischen Liberalismus in Deutschland sind Nahtoderfahrungen nichts Ungewöhnliches“, lautet der dritte Satz in Lindners „Schattenjahre“. Er könnte auch von seinem Nachfolger stammen.
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