Wenn es in EU-Kreisen um China geht, fehlt selten der Verweis auf den sorgfältig ausgetüftelten Dreiklang, der die Beziehungen zwischen Brüssel und Peking definiert: "Partner, Wettbewerber und Systemrivale". Seit einiger Zeit rückt für die EU jedoch die Beschreibung Chinas als Konkurrent immer stärker in den Fokus. So wirft die EU-Kommission der Volksrepublik etwa vor, mit Subventionen für Elektroauto-Hersteller den Wettbewerb zu verzerren. Deshalb droht die Brüsseler Behörde nun mit Strafzöllen von bis zu 38,1 Prozent auf E-Autos aus China. Diese würden auf den geltenden allgemeinen Zollsatz von zehn Prozent aufgeschlagen, wie die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel bekannt gab.
Ob die höheren Abgaben kommen, hängt laut Kommission davon ab, ob mit China eine alternative Lösung gefunden werden kann. Verständigt sich die EU darauf, die Zölle langfristig zu verankern, würden diese rückwirkend vom 4. Juli an fällig. Der Plan sieht vor, die Abgaben nach Herstellern zu differenzieren. In Brüssel hieß es, dass etwa BYD mit Zöllen von gut 17 Prozent rechnen müsste. Der Hersteller Geely, der mit Mercedes den Smart produziert, wäre mit Aufschlägen von 20 Prozent betroffen, der VW-Partner Saic gar von 38,1 Prozent.
EU-Kommission droht China mit Strafzöllen: Die deutschen Autobauer lehnen das ab
Noch ist es aber nicht soweit. Nicht nur steht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Schutzzöllen skeptisch gegenüber, was zu Streit im Gremium der 27 Mitgliedstaaten führen dürfte, die die Maßnahme mit qualifizierter Mehrheit beschließen müssen. Ausgerechnet aus der Branche, die man schützen will, kam Kritik, zumindest aus Teilen. Während französische Konzerne solche Zölle vehement fordern, lehnen deutsche Unternehmen sie ab.
Dies sei "ein weiterer Schritt weg von globaler Zusammenarbeit", sagte die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, Hildegard Müller. "Ausgleichszölle für aus China importierte E-Pkw sind nicht geeignet, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie zu stärken", so Müller weiter. Standortattraktivität und Wettbewerbsfähigkeit seien "die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Transformation und für eine führende Position im internationalen Wettbewerb". Ähnlich äußerte sich die Deutsche Industrie- und Handelskammer, die vor stärkeren Handelskonflikten warnte.
Pekings Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Man werde den weiteren Prozess genau verfolgen und entschlossen alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Rechte und Interessen chinesischer Firmen zu schützen, verkündete ein Sprecher. So könnte Peking etwa höhere Zöllen auf die Einfuhr europäischer Automarken einführen.
BMW, Volkswagen, Mercedes und Co. könnten die Leidtragenden sein
"Gegenreaktionen von chinesischer Seite wären unangemessen", sagte Daniel Caspary, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament. Durch die angekündigten Strafzölle hätten europäische Hersteller wieder die Möglichkeit, "im fairen Wettbewerb anzutreten". Der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss bezeichnete Europas Antwort als "sachgerecht und verhältnismäßig", schränkte aber ein, dass sie nicht die Lösung sei, "um die Rückständigkeit der deutschen Automobilindustrie bei der E-Mobilität aufzuholen".
Die Geschichte der noch nicht allzu lange währenden Hassliebe der Europäer zum E-Auto ist nicht frei von Ironie. Die Zölle würden zunächst eher Modelle westlicher Autobauer treffen, die in China gefertigt und nach Europa importiert werden, etwa die E-Version des Mini Cooper von BMW. Zudem wird es schwierig für die EU, ihre CO2-Ziele im Verkehr zu erreichen, wenn nicht mehr Bürger aufs E-Auto umsteigen. Die Stromer sind aber vielen noch zu teuer. Der EU-Kommission zufolge sind Elektroautos aus dem Reich der Mitte in der Regel rund 20 Prozent günstiger als in der Gemeinschaft hergestellte Modelle.