Die Staatsanwaltschaft hat im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung Mitte Februar einen Durchsuchungsbeschluss gegen das Erzbistum München und Freising erwirkt. Die Aktion soll im Zusammenhang mit möglichen Vertuschungsvorwürfen gegen Bistumsverantwortliche stehen.
Gegen Kardinal Reinhard Marx richteten sich die Ermittlungen nicht, schreibt die Zeitung. Stattdessen soll es um den Fall eines inzwischen verstorbenen Priesters gehen, dessen Taten in die 1960er Jahre zurück reichen sollen. Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur wollte sich das Erzbistum am Sonntag nicht äußern.
Katholische Kirche: Gutachten geht mindestens 497 Opfern aus
Laut eigenen Angaben untersuche die Staatsanwaltschaft schon seit Vorstellung des Aufsehen erregenden Münchner Missbrauchsgutachtens im Januar 2022 untersucht, ob "ein Fehlverhalten kirchlicher Verantwortungsträger gegeben sein könnte". Sprecherin Anne Leiding sagte: "Wir können wie üblich zu laufenden Ermittlungen keine Auskünfte geben, werden aber voraussichtlich zum Abschluss der Ermittlungen von uns aus mit Informationen an die Medien herantreten."
Das Gutachten hatte die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) im Auftrag des Erzbistums veröffentlicht. Die Studie geht von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern aus – und von einem weit größeren Dunkelfeld. "Nach der lange viel zu zögerlichen Aufarbeitung der katholischen Kirche ist deutlich geworden, dass der Staat eingreifen muss", sagte Büttner von "Wir sind Kirche".
Durchsuchung beim Erzbistum München und Freising: Gibt es einen "Kurswechsel"?
Betroffene und Kirchen-Reformer hoffen nach der Durchsuchungsaktion der Staatsanwaltschaft auf einen "Kurswechsel". "Das ist tatsächlich eine bemerkenswerte Aktion. Hoffentlich ist es ein Zeichen für einen Kurswechsel der Justiz im Umgang mit der Kirche", sagte der Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, der Deutschen Presse-Agentur. "Leider kommt er für viele Betroffene zu spät."
Edgar Büttner, Sprecher von "Wir sind Kirche" München sagte: "Die Kirchen haben viel zu lange versucht, alles kirchenintern selber zu regeln. Damit haben sie immer wieder Täter geschützt und vor allem weitere Verbrechen ermöglicht." Vor diesem Hintergrund sei es nur folgerichtig, dass jetzt die staatlichen Justizbehörden einen Durchsuchungsbeschluss gegen das Ordinariat und den Amtssitz des Münchner Erzbischofs vollzogen haben, auch wenn es in diesem Fall wohl eher eine symbolische Aktion war, betonte Büttner. "Es wäre gut gewesen, wenn dies schon 2010 erfolgt wäre nach dem ersten Münchner Missbrauchsgutachten, das Kardinal Marx zwar hat erstellen lassen, dann aber unter Verschluss gehalten hat."
Missbrauchsskandal in katholischer Kirche: Kritik an bayerischer Justiz
Die Justiz – insbesondere allem in Bayern – war immer wieder dafür kritisiert worden, die Kirche mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals sich selbst zu überlassen, nicht einzugreifen und damit Vertuschung zu ermöglichen. Nach der Aktion der Staatsanwaltschaft sprach der Kirchenrechtler Thomas Schüller nun von einer "Zeitenwende im Verhältnis von staatlicher Justiz und den Kirchen". (mit dpa)