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Drogenbericht: In der Pandemie wandert der Drogenhandel ins Internet

Drogenbericht

In der Pandemie wandert der Drogenhandel ins Internet

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    Die meisten Drogen-Fälle in Deutschland haben weiterhin mit Cannabis zu tun.
    Die meisten Drogen-Fälle in Deutschland haben weiterhin mit Cannabis zu tun. Foto: dpa

    Im zehnten Jahr in Folge ist die Zahl der Drogendelikte in Deutschland gestiegen. Die meisten Fälle haben weiter mit Cannabis zu tun. Besonders große Sorgen machen sich die Behörden über den wachsenden Konsum von Kokain und Crystal Meth, so Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts. Bei der Vorstellung des Lagebilds zur Rauschgiftkriminalität für das Jahr 2020. Registriert wurden demnach insgesamt 365.753 Fälle von Drogenhandel, das sind 1,7 Prozent mehr als im Jahr davor.

    Bei Drogenvergehen, sagte Münch, handle es sich fast ausschließlich um so genannte Kontrolldelikte, die nur durch gezielte polizeiliche Kontrollen und Nachforschungen entdeckt würden, Anzeigen gebe es nur sehr selten. Deshalb existiere ein großes Dunkelfeld. Weil europäische Polizeibehörden 2020 in ein Netzwerk eindringen konnte, dass über verschlüsselte Handys kommunizierte, habe die

    Handel mit Crystal Meth ist gestiegen

    Münch berichtete von einem gestiegenen „Zufuhrdruck von illegalen Drogen aus Südamerika“. Im Bereich Kokain ist die Fallzahl um 6,9 Prozent gestiegen, elf Tonnen der Droge sichergestellt. Das ist ein neuer Höchstwert, der inzwischen bereits übertroffen wurde. In diesem Jahr wurden allein im Februar 16 Tonnen Kokain im Hamburger Hafen beschlagnahmt.

    Wird Cannabis bald legal?

    Gesetzeslage In Anlage I zum Betäubungsmittelgesetz ist Cannabis, mit 71 weiteren Drogen, als „nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel“ aufgeführt. Deren Anbau, Herstellung, Erwerb oder das Handeltreiben mit ihnen ohne entsprechende Genehmigung können mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft werden.

    Präzedenzfall Am 18. September 2019 stand ein 24-Jähriger in Bernau vor Gericht. Er war angeklagt wegen des Besitzes von 2,6 Gramm Marihuana. Mit der Begründung, das Verbot sei verfassungswidrig, lehnte der Mann eine Verurteilung ab. Amtsrichter Andreas Müller kam dem nach und beschloss, das Gesetz beim Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen.

    Rechtsgrundlage Artikel 100 des Grundgesetzes erlaubt es jedem Richter, ein Gesetz, das er für verfassungswidrig hält, dem höchsten Gericht zur Prüfung vorzulegen. Diese Möglichkeit zu nutzen, dazu hatte unter anderem der Deutsche Hanf-verband aufgerufen.

    Rechtsgeschichte 1994 hatte sich das Bundesverfassungsgericht erstmals mit dem Cannabisverbot befasst. Eine erste Anrufung von Richter Müller wurde 2004 abgelehnt.

    Der Handel mit Methamphetamin, in der Szene „Crystal Meth“ genannt, ist der Statistik zufolge sogar um fast 19 Prozent gestiegen. Statt wie bisher meist aus Osteuropa stammt die Ware Münch zufolge zunehmende aus den Niederlanden. Dieser Nachbarstaat wird in der Pressekonferenz häufig genannt. Etwa wenn es um die Macht der Organisierten Kriminalität geht, für die der Drogenhandel eines der, Hauptbetätigungsfelder darstellt. Das dort verdiente Geld gelange über Geldwäsche in legale Wirtschaftskreisläufe und mache die Täter immer mächtiger. Münch berichtete von einem Anstieg von Tötungs- und Gewaltdelikten in Belgien und den das tödliche Attentat auf den Journalisten Peter de Vries in Amsterdam zu sehen.

    Drogenbeauftragte will Drogen energisch bekämpfen

    Ein Minus von 11,7 Prozent verzeichnet der Bericht bei der Partydroge Ecstasy. Das habe sicher mit der coronabedingten Schließung von Clubs und der Absage von Partys zu tun. Insgesamt habe die Pandemie aber zu keinem Rückgang der Verfügbarkeit von Drogen geführt, der Handel habe sich aber stärker in die dunklen Bereiche des Internet („Darknet“) verlagert. Ein „hoher Anonymisierungsgrad“ mache den Handel für die Täterinnen und Täter attraktiv. „Die Corona-

    Was Kokain so gefährlich macht

    Das kristalline weiße Pulver Kokain wird aus Blättern des südamerikanischen Kokastrauchs (Erythroxylon coca) gewonnen. Die meisten Konsumenten schnupfen es, Kokain kann aber auch aufgelöst in die Venen gespritzt oder in anderer Verarbeitung (Crack) geraucht werden. Kokain gilt als Partydroge für Besserverdienende und ist nach Cannabis das am häufigsten konsumierte illegale Rauschgift in Europa.

    Es macht schnell abhängig. Kokain steigert kurz Konzentrationsfähigkeit und Leistung, lässt Hunger, Ermüdung und Ängste verschwinden. Psychische Folgen sind extreme Ruhelosigkeit, Angstzustände und Wahnvorstellungen. Eine Überdosis kann zum Tod führen.

    Im vergangenen Jahr haben die deutschen Ermittler so viel Kokain sichergestellt wie nie zuvor. Das Bundeskriminalamt in Wiesbaden ging Ende 2017 von einer Menge von knapp sieben Tonnen aus und damit mehr als dreimal so viel wie im Jahr 2016.

    Daniela Ludwig, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, erteilte einer „Lifestyle-Debatte, welche Droge man als erste legalisieren soll“, eine Absage. Drogenkriminalität sei wie Mord, Erpressung, Menschenhandel oder Zwangsprostitution fester Bestandteil des Organisierten Verbrechens. Das gelte es umso energischer zu bekämpfen, so die CSU-Politikerin. Wer dagegen Legalisierungsdebatten führe, setze einen falschen Schwerpunkt: „Die Bekämpfung des Drogenhandels muss absolute Priorität haben, ich will keine niederländischen Verhältnisse in Deutschland.“ Auch einer möglichen Legalisierung von Cannabis erteilte Ludwig eine Absage. Handlungsbedarf bestehe aber auch auf der „Nachfrageseite“. Ludwig: „Wir können den Trend nur brechen, wenn wir deutlich mehr Menschen dazu bringen, keine Drogen zu nehmen.“ Prävention und frühzeitige Aufklärung müssten verbessert werden, nicht erst in den Schulen, sondern schon im Kindergarten beginnen.

    Die Grünen fordern unterdessen eine kontrollierte Freigabe von Cannabis. Dieter Janecek, Sprecher für Industriepolitik und digitale Wirtschaft der Bundestagsfraktion, sagte unserer Redaktion: „In der Drogenpolitik agiert die Bundesregierung gewohnt mutlos und ideologisch verblendet. Eine kontrollierte Legalisierung von Cannabis würde den undurchsichtigen Schwarzmarkt zerstören und unseren Frauen und Männern in Polizei und Justiz viel unsinnige Arbeit ersparen.“ Janecek ist überzeugt: „Die Kriminalisierung von Kleinstkonsumenten trägt auch nicht zum Jugendschutz bei, im Gegenteil. Die CSU sollte ihre fehlgeleitete Verbotspolitik endlich überdenken.“

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