Es war eine sehr persönliche Rede, mit der sich Tim Walz beim Parteitag der Demokraten vor zwei Wochen der amerikanischen Öffentlichkeit vorstellte. Der Gouverneur von Minnesota wirkt schon äußerlich wie ein sympathischer „Football Dad“, und als weißer Durchschnittsamerikaner aus dem Mittleren Westen soll der „Running Mate“ die Kampagne von Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris erden. Entsprechend viel redete er über seine Familie: „Hope, Gus und Gwen, Ihr seid meine ganze Welt“, sprach er seine Tochter, seinen Sohn und seine Frau an: „Ich liebe Euch“.
Der Auftritt war berührend. Doch offenbar gibt es Teile der Familie, mit denen der 60-Jährige nicht so gut auskommt. „Ich habe mit ihm seit acht Jahren nicht gesprochen“, verkündete am Wochenende ein gewisser Jeff Walz - wie sich bald herausstellte: der ältere Bruder - bei Facebook: „Ich lehne seine Ideologie zu 100 Prozent ab.“ Am Mittwoch legten andere Verwandte nach. Gleich acht angebliche Vettern und Cousinen postierten in blauen T-Shirts mit der Aufschrift: „Nebraska Walz’s for Trump“ - die Walz-Familie aus dem Bundesstaat Nebraska unterstützt Trump.
Donald Trump nutzt den Zwist genüsslich aus
Nun sind politische Meinungsverschiedenheiten in amerikanischen Familien nichts Ungewöhnliches. Gleichwohl liefern sie im Wahlkampf der Gegenseite willkommene Munition. Die haben die Demokraten seinerzeit mit Mary Trump, der extrem kritischen Nichte des Ex-Präsidenten, gerne genutzt. So überrascht nicht, dass Donald Trump auf seiner Propagandaseite „Truth Social“ umgehend das Foto der acht Fans veröffentlichte, sich für die „ehrenvolle“ Unterstützung bedankte und erklärte, er freue sich, Bruder Jeff bald zu treffen.
Der Bruder des demokratischen Vize-Kandidaten und der republikanische Kandidat gemeinsam bei einer Kundgebung - das wäre ein Coup. Doch ist fraglich, ob es dazu kommt. Der 67-jährige Bruder, der mit seiner Familie in Florida lebt, scheint über den Riesen-Wirbel, den sein Statement ausgelöst hat, ein wenig erschrocken zu sein. In einem Fernsehinterview beteuerte er inzwischen, er wolle keineswegs die öffentliche Meinung beeinflussen. Allerdings stimme er mit den politischen Ansichten des Politikers nicht überein. Das habe er für seine Freunde klarstellen wollen.
Der Bruder hat Angst vor den Folgen seiner Worte
Jeff Walz hatte auch geunkt, er könne jede Menge „Geschichten“ über den Kandidaten erzählen: „Er hat nicht den Charakter, um Entscheidungen über Eure Zukunft zu treffen.“ Davon will er nun nichts mehr wissen: „Es gibt keinen Paukenschlag.“ Preisgeben will er nur, dass ihn Tim als Kind während einer Autofahrt vollgekotzt habe. Politisch bedeutsam ist das wohl weniger. Ausdrücklich beteuert Jeff Walz nun, er wolle „weder für noch gegen“ seinen Bruder Wahlkampf machen und keine weiteren Interviews geben.
Auch die böse Verwandtschaft aus Nebraska entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als nicht so dramatisch. „Wir kennen die nicht“, hat Walz‘ Schwester Sandy Dietrich amerikanischen Medien versichert. Tatsächlich scheint es sich bei den acht Trump-Fans um Nachfahren von Francis Walz, einem Bruder des Großvaters von Tim Walz, zu handeln. Der Vater von Walz war bereits 1984 an Lungenkrebs gestorben. Dass der Politiker keinen engen Kontakt zu den Nachfahren seines Großonkels hat, scheint glaubhaft.
Ungereimtheiten in der Biografie
Trotzdem sind die Querschüsse der Familie für die Harris-Walz-Kampagne ärgerlich. Sie kommen zu einer Reihe von Ungereimtheiten in der Biografie des Vize-Kandidaten hinzu, die dieser selbst zu verantworten hat. So hatte Walz bei seiner Bewerbung für den Kongress 2006 eine frühere Trunkenheitsfahrt abgestritten. 2018 plädierte er für eine schärfere Regulierung von Kriegswaffen wie jene „die ich im Krieg getragen habe“. Tatsächlich war er kurz vor dem Irak-Krieg aus der Nationalgarde ausgeschieden und hatte an keinem Kampfeinsatz teilgenommen.
Im Wahlkampf hat er das Eintreten vieler Republikaner für ein Verbot der In-vitro-Fertilisation (IVF) scharf kritisiert und Trumps Vize-Kandidaten J.D. Vance vorgeworfen: „Wenn es nach ihm ginge, hätte ich ohne IVF keine Familie.“ Tatsächlich wurden die beiden Kinder von Walz durch eine andere, Art der künstlichen Befruchtung gezeugt, bei der Spermien mit einem Katheter in die Gebärmutter transportiert werden. Das ist politisch völlig unumstritten, weil dabei keine überzähligen Embryos produziert werden.
Für sich genommen mögen das kleinere Ungenauigkeiten sein. In der Summe drohen sie aber das Bild des gradlinigen Football-Coachs zu beschädigen, der seine republikanischen Gegenspieler als „weird“ bezeichnet. Der Instinktpolitiker Trump hat das schnell erkannt. In einer Fernsehshow am Mittwochabend nannte er Walz genau so - „seltsam“.
Mister Walz scheint ein Ami mit deutsch-hanseatischen Wurzeln zu sein und seinen anlagen gemäß die Fähigkeiten eine Fischhändlers zu besitzen.
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