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Donald Trump vs. Kamala Harris: USA vor der Wahl am Scheideweg

US-Wahl 2024

Donald Trump vs. Kamala Harris: USA am Scheideweg

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    Donald Trump gegen Kamala Harris: Gegensätzlicher könnten die US-Präsidentschaftskandidaten nicht sein.
    Donald Trump gegen Kamala Harris: Gegensätzlicher könnten die US-Präsidentschaftskandidaten nicht sein. Foto: Vucci/Martin, AP/dpa

    USA! USA!“, haben kürzlich Zehntausende gerufen, bei beiden Kundgebungen. Keine 400 Kilometer trennen die Veranstaltungsorte, in den USA ein Katzensprung. Und doch liegen Welten zwischen dem Madison Square Garden in New York, wo Donald Trump seinen Wahlkampfhöhepunkt feierte, und dem President‘s Park in Washington, wo Kamala Harris die Schlussargumente ihrer Kampagne vortrug. Jede Stimme zählt in diesem historisch engen Wahlkampf. Wenige Stimmen werden wohl darüber entscheiden, wer nächster Präsident, nächste Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika wird. Trump gegen Harris – unterschiedlicher könnten die Kandidaten für das immer noch mächtigste Amt der Welt nicht sein.

    Vier Stunden lang tobt schon das Spektakel in Manhattan, bevor Trump die Bühne betritt. Ein Redner bepöbelte das Karibik-Außengebiet Puerto Rico als „Müll-Insel“. Ein anderer wütete mit einem Kreuz in der Hand gegen den „Anti-Christ“ und „Teufel“ Harris. Ein ehemaliger Wrestling-Star riss sich das rote Tank-Top vom Leib. „Wir kämpfen gegen die gewaltige, bösartige, korrupte, linksradikale Maschine der Demokratischen Partei“, ruft Trump schließlich ins Publikum: „Das ist der Feind im Inneren.“

    Eine enthemmte Macho-Party für die eigene Fan-Basis hier, ein kontrollierter Auftritt fürs Fernsehpublikum dort

    Bei Harris fällt das Vorprogramm deutlich knapper aus. „Freedom“ steht auf einem großen Plakat hinter der Bühne. Der gleichnamige Song von Beyoncé dröhnt aus den Lautsprechern, als die demokratische Präsidentschaftskandidatin im festlichen schwarzen Hosenanzug ans Rednerpult kommt. „Es ist Zeit, mit den gegenwärtigen Anwürfen aufzuhören und sich unterzuhaken“, sagt sie: „Ich verspreche, eine Präsidentin für alle Amerikaner zu sein.“

    Eine enthemmte Macho-Party für die eigene Fan-Basis hier, ein kontrollierter und demonstrativ staatsfraulicher Auftritt fürs Fernsehpublikum dort: Die Szenen illustrieren eindrücklich den Kontrast zwischen den beiden Politikern. An diesem Dienstag, dem Tag der in aller Welt beobachteten US-Wahl, entscheidet sich mehr als die Zukunft der USA. Donald Trump, der 78-jährige Immobilienmogul und Ex-Präsident, kämpfte mit einer bizarren Mischung aus Rachefeldzug und Reality-TV-Show um Stimmen. Kamala Harris, die 60-jährige einstige Staatsanwältin und Noch-Vizepräsidentin, will als Vertreterin einer neuen Generation „Chaos, Spaltung und Drama“ überwinden. Und das ist auch das, worauf sich die USA, die Welt einstellen können: Unberechenbarkeit oder politische Normalität. In den Umfragen liegen Trump und Harris seit Wochen praktisch gleichauf. Dabei stand selten bei einem Rennen ums Weiße Haus so viel auf dem Spiel. Und selten sind bereits die Monate vor der Wahl so dramatisch verlaufen.

    Der frühere Wrestling-Star Hulk Hogan unterstützte Donald Trump – unter anderem mit einem grellen Auftritt im Madison Square Garden in New York.
    Der frühere Wrestling-Star Hulk Hogan unterstützte Donald Trump – unter anderem mit einem grellen Auftritt im Madison Square Garden in New York. Foto: Alex Brandon, AP/dpa

    Kein halbes Jahr ist es her, da schien die Kampagne von Donald Trump einen schweren Schlag zu erhalten. Gerade hatte der Republikaner seine innerparteilichen Wettbewerber um die Präsidentschaftskandidatur aus dem Feld geworfen, da sprach ein New Yorker Gericht den Ex-Präsidenten wegen Betrugs im Zusammenhang mit der Schweigegeldzahlung an eine Porno-Darstellerin für schuldig. Weitere, schwerwiegendere Prozesse wegen seiner mutmaßlichen Anstiftung zum Putschversuch vom Januar 2021 standen vor der Tür. „Die Hölle bricht los“, wütete Trump. „Ich bin ein politischer Gefangener.“

    Doch wie oft in seinem Leben gelang es dem Milliardär, das Blatt zu wenden. Er mobilisierte seine Anhänger, sammelte gewaltige Spendensummen ein und ließ seine Anwälte mit juristischen Winkelzügen und Verleumdungen den Beginn der anderen Prozesse immer weiter hinauszögern. Trumps Umfragewerte stiegen. Sollte er ins Weiße Haus zurückkehren, wird er die Strafverfahren endgültig niederschlagen.

    Trump spricht von einer „Ära der Vergeltung“

    Spätestens seither ist Rachsucht sein treibendes Motiv, und sie lässt den Narzissten im Wahlkampf immer extremer werden. Er spricht von einer „Ära der Vergeltung“ und verkauft sich als Märtyrer seiner rechtspopulistischen Bewegung. Zwei gescheiterte Attentatsversuche haben den Nimbus noch gestärkt. „Sie sind nicht hinter mir her. Sie sind hinter euch her“, trichtert er seinen Anhängern ein.

    Gegenüber den Wahlkämpfen 2016 und 2020 hat Trump seine Rhetorik massiv verschärft. Immer enthemmter wütet er gegen die Demokraten, die er als „kranke Leute“ und „linksradikale Verrückte“ bezeichnet. Harris nennt er „geistig behindert“ und eine „Scheiß-Vizepräsidentin“. Seinen Gegnern droht er mit juristischer Verfolgung und dem Einsatz des Militärs auf amerikanischen Straßen.

    Keine Gruppe aber attackiert der Republikaner so hart wie die der Einwanderer. Dabei wollte Trump eigentlich die gestiegenen Lebenshaltungskosten ins Zentrum seines Wahlkampfes stellen. „Geht es euch heute besser als vor vier Jahren?“, rief er seinen Zuhörern zu, und regelmäßig schallte ihm ein tausendfaches „Nein“ entgegen. Er versprach dann Steuersenkungen für alle. In den letzten Wochen aber warnte er bei seinen Auftritten, die Lage an der Grenze sei noch dramatischer: „Das ist das Thema Nummer eins.“

    Die Emotionen sind groß in diesem Wahlkampf – und die gegenseitigen Attacken hart. Diese Demonstranten forderten, Trump zu stoppen.
    Die Emotionen sind groß in diesem Wahlkampf – und die gegenseitigen Attacken hart. Diese Demonstranten forderten, Trump zu stoppen. Foto: Gina M Randazzo, ZUMA Press Wire/dpa

    Sieben Millionen Menschen sind während der Biden-Harris-Regierung irregulär ins Land gekommen. Einerseits braucht die US-Wirtschaft billige Arbeitskräfte. Andererseits fehlen Unterkünfte, Schulplätze und staatliche Kontrolle. Im Kongress blockieren die Parteien schon lange wechselseitig eine dringend erforderliche Reform des Einwanderungsrechts. Nun ist die Stimmung in der Gesellschaft gekippt. Das nutzt Trump für ein apokalyptisches Szenario: „Amerika ist ein besetztes Land“, behauptet er. Die Migranten diffamiert er als „bösartige, blutrünstige Kriminelle“ und hetzt im Nazi-Jargon: „Sie vergiften das Blut unseres Landes.“ Den 5. November hat er zum „Befreiungstag“ erklärt. Je radikaler er sich gibt, desto mehr jubelt seine Basis. Einstige enge Mitarbeiter wie sein Ex-Stabschef John Kelly aber nennen ihn inzwischen einen „Faschisten“.

    Es gehört zum Phänomen Trump, dass es dem gelernten Reality-TV-Star immer wieder gelingt, durch mediale Inszenierungen von seiner Gefährlichkeit abzulenken. Mal setzt er sich in einen Müll-Laster, weil Präsident Joe Biden angeblich alle Trump-Anhänger als „Abfall“ beleidigt hat. Mal füllt er bei McDonald's mit Schürze frische Pommes in Papp-Schälchen. Steve Bannon, Trumps früherer Chefideologe, habe einst propagiert, die Republikaner sollten den Debattenraum „mit Scheiße fluten“, kommentierte kürzlich James Poniewozik, der Fernsehkritiker der New York Times. „Nun stellt sich heraus, dass das auch mit McNuggets geht.“

    Harris wäre die erste Frau und die erste Schwarze im Oval Office

    Ob sie glaube, dass Trump ein Faschist ist, wurde Kamala Harris vor ein paar Tagen im Sender CNN gefragt. „Ja, das tue ich“, antwortete sie bestimmt. Es war ein bemerkenswerter Wechsel der Tonlage gegenüber den Anfängen ihrer kurzen Kampagne. Erst Ende Juli war die bis dahin eher blasse Vizepräsidentin als demokratische Präsidentschaftskandidatin gegen den greisen Biden eingetauscht worden – auch dies ein Novum in der US-Geschichte. Plötzlich kam Bewegung in den Wahlkampf: Harris verkörpert einen Generationenwechsel. Sie wäre – auch wenn sie das im Wahlkampf so gut wie gar nicht thematisierte – die erste Frau und die erste Schwarze im Oval Office. Entsprechend euphorisch war die Stimmung im liberalen Amerika.

    Anders als der 81-jährige Biden, der den Kampf um die Demokratie ins Zentrum seiner wackligen Bewerbung um eine Wiederwahl gerückt hatte, verkündete Harris eine leichtere, eine optimistische Botschaft des Wandels, die nach Obamas „Change“ klang. Veränderung. Trump und seinen Vize J.D. Vance tat Harris als „weird“ (seltsam) ab. Und statt renommierten Zeitungen und TV-Stationen Interviews zu geben, umgab sie sich beim Parteitag vor allem mit Influencern. Es war eine Wohlfühlstrategie. Sie überdeckte zunächst die durch den Kaltstart bedingten Leerstellen im Programm. Doch irgendwann schwand das Momentum. Harris musste nachlegen. Sie tat das unter anderem in einer hitzigen Kontroverse beim rechten Sender Fox News, die ihr durchaus Anerkennung einbrachte.

    „Ich bin nicht Joe Biden“, sagte Harris bei ihren letzten Kundgebungen, in Distanz zu ihrem unpopulären Chef. „Meine Präsidentschaft wird anders sein.“ In den hohen Lebenshaltungskosten sieht sie das drängendste Problem vieler Amerikaner. Öfter erzählte sie von ihrer Mutter, einer aus Indien eingewanderten Krebsforscherin, die alleinerziehend zwei Töchter großzog und abends vor einem Stapel mit Rechnungen gesessen habe. Eine Anhebung des Kinderfreibetrags, eine Bau-Prämie und gesetzliche Schritte gegen Preiswucher im Lebensmittelhandel sollen künftig der Mittelschicht finanzielle Erleichterung verschaffen, geht es nach ihr.

    Vor allem zwei Gruppen hatte Harris zuletzt im Blick: Frauen und unentschlossene Wähler. Wenn sie verspricht, das nationale Recht auf Abtreibung wiederherzustellen, bekommt sie regelmäßig tosenden Beifall. „Ihr seid Ground Zero im Kampf um die weibliche Selbstbestimmung“, rief sie ihren Zuhörern bei einer Kundgebung in Houston zu. Im konservativen Bundesstaat Texas sind Schwangerschaftsabbrüche seit 2021 verboten. Auf der Bühne forderte die Sängerin Beyoncé zur Wahl der Demokratin auf: „Ich bin hier nicht als Berühmtheit, sondern als Mutter, die sich ernsthaft um die Welt sorgt, in der meine Kinder leben“, erklärte sie. Der Saal tobte.

    Welche Wählergruppen werden entscheidend sein?

    Ob die hohe Wahlbeteiligung von Frauen bei den Frühwahlen ein gutes Zeichen für Harris ist? Andererseits: Deren Unterstützung alleine wird sie nicht ins Weiße Haus bringen. Für eine Mehrheit muss sie auch die Stimmen von Wechselwählern und moderaten Republikanern erhalten. Und so räumte sie schnell frühere linke Positionen etwa zum Fracking oder zur Einwanderungspolitik und präsentierte sich im bewussten Gegensatz zu Trump als Kandidatin der Mitte.

    Wer zieht als Präsident oder Präsidentin ins Weiße Haus (hier fotografiert von der Parkseite) ein?
    Wer zieht als Präsident oder Präsidentin ins Weiße Haus (hier fotografiert von der Parkseite) ein? Foto: Soeren Stache, dpa

    Das Menetekel einer zweiten Trump-Präsidentschaft könnte ihr ebenfalls helfen. Anfang Oktober stand Harris neben einer stockkonservativen Politikerin, die für wenig Staat, das Recht auf Waffenbesitz und gegen die Ehe für alle eintritt: Liz Cheney. „Ich habe noch nie für eine Demokratin oder einen Demokraten gestimmt“, sagte die frühere republikanische Kongressabgeordnete. Dieses Mal werde sie es mit Stolz tun. Ihren Parteifreunden rief sie zu: „Ich bitte Sie, die verkommene Grausamkeit von Donald Trump abzulehnen.“ Der verlieh dieser Mahnung ungewollt Nachdruck. Bei einem Podiumsgespräch mit dem ultrarechten Propagandisten Tucker Carlson in Arizona fantasierte er am Donnerstagabend darüber, Cheney mit einem Gewehr neun Schützen gegenüberzustellen. „Mal sehen, wie sie sich dabei fühlt“, sagte er. „Sie wissen schon, wenn die Waffen auf ihr Gesicht gerichtet sind.“ Es klang, als stünde den USA der schlimmste Teil des Wahlkampfes noch bevor. Doch auch mit dem Wahltag wird es nicht vorbei sein. Trump, so die Befürchtung, könnte eine Niederlage nicht anerkennen. Seine Anhänger könnten gewalttätig werden. Den USA stehen unruhige Zeiten bevor, so oder so.

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